Der „Kannibale“ in Zahlen: Vor 50 Jahren gewann Eddy Merckx seine erste Tour

Der „Kannibale“ in Zahlen: Vor 50 Jahren gewann Eddy Merckx seine erste Tour

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Der 20. und der 21. Juli 1969 bleiben für viele älteren Tageblatt-Leser mit zwei außergewöhnlichen Ereignissen verbunden. Zuerst fuhr Eddy Merckx als erster belgischer Tour-de-France- Sieger seit 1939 (Gewinner: Sylvère Maes) ins Vélodrome de Vincennes ein (kurz „Cipale“ genannt, heute Vélodrome Jacques- Anquetil), rund zwölf Stunden später (3.56 Uhr MEZ) betrat mit Neil Armstrong der erste Mensch den Mond. Ganz Luxemburg saß damals vor dem Fernseher, die meisten vor einem Schwarz-Weiß- Schirm. Farbfernsehen gab es erst seit dem 25. August 1967.

Von Petz Lahure

1945

Eddy Merckx wurde am 17. Juni 1945 in der Tieltsestraat in Meensel-Kiezegem (Flämisch-Brabant) geboren. Er verbrachte seine Kindheit in Woluwe-Saint-Pierre (Brüssel), wo seine Eltern, Jules Merckx und Jenny Pittomvils, an der place des Bouvreuils einen Lebensmittelladen führten. Eddy Merckx hat Zwillingsgeschwister (Micheline und Michel, geboren 1949). Sein Bruder Michel, der Apotheker in Brüssel war, starb am 1. Oktober 2017 im Alter von 68 Jahren.

1967

Am 5. September 1967 heiratete Eddy Merckx Claudine Acou, die Tochter des früheren belgischen Rennfahrers und sportlichen Leiters Lucien Acou. Der Ehe entsprangen die Kinder Sabrina (geb. 1970) und Axel (geb. 1972), der von 1993-2007 als Radprofi tätig war und bei den Olympischen Spielen von Athen 2006 die Bronzemedaille gewann. Sabrina heiratete den argentinisch-belgischen Tennisprofi Eduardo Masso. Das Paar hat drei Kinder (Luca, Alexia, Diego). Luca, der die doppelte Staatsangehörigkeit (ARG/BEL) besitzt, spielt Rasenhockey, er war Mitglied der argentinischen Mannschaft, die 2016 bei den Olympischen Spielen von Rio ausgerechnet Belgien im Finale bezwang und Gold gewann.

445

Eddy Merckx war von 1965 bis 1978 als Radprofi aktiv. In dieser Zeit gewann er 445 Rennen, dreimal die WM, fünfmal die Tour de France, fünfmal den Giro, einmal die Vuelta und 64 Etappen der drei großen Rundfahrten. Er war der Erste, der in einem Jahr (1974) den Giro, die Tour und die WM gewann. Das gelang danach nur noch dem Iren Stephen Roche (1987). Merckx gilt als größter Rennfahrer aller Zeiten. Nicht weniger als siebenmal (von 1969 bis 1975) trug er den „Super Prestige Pernod“ davon, Vorgänger des heutigen WorldTour-Klassements. Im Amateurbereich fuhr Merck 84 Mal als Sieger über den Zielstrich, einmal davon als Weltmeister (1964).

49,431

Im Palmarès von Eddy Merckx stehen u.a. auch 28 Klassiker. Die einzigen ganz großen Rennen, die er nicht gewonnen hat, sind Bordeaux-Paris (wird heute nicht mehr ausgetragen) und Paris-Tours. Merckx war auch Stundenweltrekordhalter. Am 25. Oktober 1972 kurbelte er 49,431 km auf der Bahn von Mexico-City herunter, ein Rekord, der erst am 19. Januar 1984 von Francesco Moser auf einer für damalige Verhältnisse futuristischen Maschine gebrochen wurde (50,808 km/h). Nachträglich führte die UCI gesonderte Wertungen bezüglich der Rennräder ein.

5

Siebenmal nahm Eddy Merckx an der Tour de France teil, fünfmal gewann er sie: 1969 im Faema-Trikot, 1970 bei Faemino, 1971, 1972 und 1974 bei Molteni. Er kommt damit auf genauso viele Schlusssiege wie Jacques Anquetil, Bernard Hinault und Miguel Indurain. Im Jahr 1975 (Molteni) beendete Merckx die Tour als Zweiter, 1977 (Fiat) als Sechster. Weil sein Siegeshunger scheinbar nicht zu stillen war, erhielt er recht früh den Beinamen „der Kannibale“.

34

Auf dem Konto des Belgiers stehen 34 Etappensiege: 6 Etappen im Jahr 1969 – Ballon d’Alsace, Divonne-les-Bains (EZF), Digne, Revel (EZF), Mourenx und Paris (EZF) –; 8 Etappen im Jahr 1970 – Limoges (Prolog), Forest, Divonne-les-Bains (en ligne), Divonne-les-Bains (EZF), Grenoble, Mont Ventoux, Bordeaux (EZF), Paris (EZF) –; 4 Etappen im Jahr 1971 – Strasbourg, Albi (EZF), Bordeaux, Paris (EZF) –; 6 Etappen im Jahr 1972 – Angers (Prolog), Bordeaux (EZF), Luchon, Briançon, Valloire, Versailles (EZF) –; 8 Etappen im Jahr 1974 – Brest (Prolog), Châlons-sur-Marne, Gaillard, Aix-les-Bains, Seo-de-Urgel, Bordeaux (EZF), Orléans, Paris –; 2 Etappen im Jahr 1975 – Merlin-Plage (EZF), Auch (EZF) –; 0 Etappen im Jahr 1977.

4.110

Die 56. Tour de France 1969 dauerte vom 28. Juni bis zum 20. Juli und führte über 4.110 km durch drei Länder (Frankreich, Belgien, Holland). Es nahmen 130 Fahrer aus 10 Mannschaften teil, darunter die Luxemburger Edy Schütz (Platz 15 auf 1.06’58») und Roger Gilson (Aufgabe in der 10. Etappe). Insgesamt gab es 22 Etappen, darunter drei, die in zwei geteilt wurden. Die Tour wurde zu einer Gala für Eddy Merckx. Er gewann alle Klassemente: die Gesamtwertung, das Punkteklassement, den Bergpreis, die Kombination und mit dem Faema-Team das Mannschaftsklassement.

17 (1)

Die 214,5 km lange 17. Etappe der Tour de France 1969 ging in die Geschichtsbücher ein. Oben auf dem Tourmalet hängte Eddy Merckx seinen Mannschaftskollegen Martin van den Bossche ab, der bis dahin die ganze Führungsarbeit geleistet, aber für das darauffolgende Jahr einen Vertrag bei Molteni unterschrieben hatte. In der Abfahrt setzte Merckx seine Fahrt fort, fuhr 140 km alleine an der Spitze und traf in Mourenx-Ville-Nouvelle mit 7’56» Minuten Vorsprung auf seine direkten Verfolger ein. Gimondi büßte fast eine Viertelstunde (14’49») ein. Heute bereut Merckx es, Van den Bossche nicht die Genugtuung gegeben zu haben, als Erster über den Tourmalet fahren zu dürfen.

17 (2)

Bei seinem ersten Toursieg zählte Eddy Merckx 17’54» Vorsprung auf den Zweiten, den Franzosen Roger Pingeon. Raymond Poulidor beendete die Grande boucle auf Platz drei (22’13» zurück), Girosieger Gimondi war Vierter (29’24»). Vorjahressieger Jan Janssen hatte als Zehnter 52’56» Rückstand, während der spätere Tour-Gewinner Lucien Van Impe auf Platz 12 fast eine Stunde (56’17» genau) zurücklag.

4

Merckx hatte seine Saison 1969 nicht allein auf die Tour de France ausgerichtet. Schon im Frühjahr gewann er Paris-Nice und danach die drei Monumente Mailand-Sanremo, Ronde van Vlaanderen und Liège-Bastogne-Liège. Etwas mehr als einen Monat nach der Tour trug er auch Paris-Luxembourg davon, ein Rennen, das es nur zwischen 1963 und 1970 gab.

0

Im Giro wurde Merckx am 2. Juni in Savona mit dem Maglia rosa auf den Schultern wegen angeblichen Dopings aus dem Rennen genommen und für einen Monat gesperrt. Wegen Zweifels an der Analyse wurde diese Sperre jedoch rückgängig gemacht, sodass der Belgier an den Start der Tour gehen durfte. Im Vorfeld des vermeintlichen Dopingfalls soll, laut späteren Aussagen von Merckx, ein Mann (angeblich der Deutsche Rudy Altig) mit einem Koffer voller Banknoten bei ihm vorgesprochen haben, um den Girosieg zu „kaufen“. Altig fuhr im selben Salvarani-Team wie Felice Gimondi, der Hauptrivale von Merckx.

7

Im Laufe seiner Profikarriere fuhr Eddy Merckx für sieben Rennställe. Er begann bei Solo-Superia (1965), wechselte dann zu Peugeot (1966, 1967), Faema (1968, 1969), Faemino (1970), Molteni (1971, 1972, 1973, 1974, 1975, 1976), Fiat (1977) und schließlich C&A (1978). In keiner von Merckx’ Mannschaften stand ein Luxemburger Fahrer. Edy Schütz war Mitglied des Molteni-Teams in den Jahren 1968, 1969, 1970.

12

Sein letztes Rennen bestritt Eddy Merckx am 19. März 1978 beim „Circuit de Waslaende“ in Kemze. Er kam dort auf den 12. Platz. Am 18. Mai 1978 gab Merckx gelegentlich einer Pressekonferenz bekannt, dass er mit dem Spitzensport aufhören werde. „Ich habe auf Anraten meines Arztes beschlossen, einen Schlussstrich unter meine Karriere zu ziehen. Mein Ziel war es, die Tour de France ein sechstes Mal zu gewinnen, aber es ist mir im Moment nicht möglich, mich entsprechend darauf vorzubereiten.“ Als Abschiedsgeschenk überreichte Merckx jedem seiner Teamkollegen eine Lederbrieftasche, in die er 20.000 Franken gesteckt hatte.

den Idealist
5. Juli 2019 - 13.59

Hervorragende Leistung! Vor allem, wenn man bedenkt, dass damals ausschliesslich mit Zuckerwasser gefahren wurde. So oder so, Merckx ist und bleibt vermutlich der grösste Radrennfahrer aller Zeiten. Keiner hat ein solch breit gefächtertes und reiches Palmares vorzuzeigen. Brüssel verdankt ihm den diesjährigen Start der " Grande Boucle ".