Das Pei-Museum – Eine kurze Geschichte einer langen Polemik um den Bau eines Luxemburger Monuments

Das Pei-Museum – Eine kurze Geschichte einer langen Polemik um den Bau eines Luxemburger Monuments

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Von Robert Goebbels, Bautenminister von 1989 bis 1999

I.M. – wie alle Freunde ihn nannten – war einer der markantesten Architekten des 20. Jahrhunderts. In Luxemburg wird Ieoh Ming Pei die Jahrhunderte überdauern: Mit seiner genialen Schöpfung, dem Museum für moderne Kunst, unglücklicherweise Mudam getauft.

Doch wie immer in Luxemburg kam der zukünftige Prachtbau auf Kirchberg nur als Schmerzgeburt zustande.

Im Prinzip waren sich alle Parteien in den 80er-Jahren einig, dass die kulturelle Infrastruktur des Landes durch den Bau eines Museums für moderne Kunst zu vervollständigen sei. Doch gab es keine wirkliche Überlegung darüber, was unter „moderner Kunst“ zu verstehen ist. Auch gab es kaum Ansätze einer staatlichen Sammlung, abgesehen von einigen Werken der „Ecole de Paris“, die Joseph-Emile Müller für das Museum am Fischmarkt mühsam aufbrachte.

Ambitiöses Bauprogramm

Kulturminister Jacques Santer und Staatssekretär René Steichen ließen eine Studie durch die Museologen Wolfgang Becker und Bernard Ceysson anfertigen. Sie erstellten ein sehr ambitiöses Bauprogramm, mit Ausstellungsflächen in der Größenordnung des Pariser Pompidou-Museums.

Nun fand es sich, dass der damalige Präsident des „Amis des Musées“, der Chirurg Nicolas Welter, die Bekanntschaft von I.M. Pei machte. Welter lud Pei zu einem Besuch nach Luxemburg ein. Beide besuchten Staatsminister Santer. Leutselig wie immer fragte Santer den wegen seines Pyramiden-Baus im Louvre inzwischen weltberühmten Architekten, ob er bereit sei, auch in Luxemburg ein Museum zu planen. Pei willigte ein, fragte nach einem Programm. Er erhielt den Becker-Ceysson-Bericht.

Alles ohne Regierungsbeschluss, ohne Ausschreibung, ohne Kontrakt, ohne die Einschaltung des für Bauprojekte zuständigen Ministers und der Bauverwaltung.

Pei, der in New York über ein Architektenbüro mit mehreren 100 Mitarbeitern verfügte, machte sich unverzüglich an die Arbeit. Er lieferte in wenigen Wochen ein praktisch baureifes Konzept, mit entsprechenden Kosten. Sein ursprüngliches Projekt, das unter Einbeziehung der damaligen „Drei-Eicheln-Ruine“ 15.700 Quadratmeter Ausstellungsflächen vorsah, begeisterte sofort. Doch die inzwischen einbezogene „Administration des Bâtiments Publics“ errechnete einem Kostenvoranschlag von rund 5,3 Milliarden Franken.

Aufschrei in Luxemburg 

Ein Aufschrei ging durch das Ländchen. Es war nicht nur der deftige Preis, der die öffentliche Meinung spaltete. Vor allem begann eine dieser unsäglichen „Standort-Diskussionen“, bei denen jeder eine eigene Meinung haben darf. Bürgermeister Lydie Polfer kämpfte für einen Standort auf dem St. Esprit-Plateau, wo die Regierung jedoch die Cité Judiciaire implantieren wollte. Die Grünen wollten die Bonneweger Rotunden als Kunstmuseum nutzen. Die Festungs-Freunde wollten auf den Drei Eicheln bloß ein Festungsmuseum. Das „Mouvement Ecologique“ war wie immer dagegen, wobei ich nie verstand, wie ein Museum auf Kirchberg der Umwelt schaden könnte.

Es wurden Unterschriften dafür und dagegen gesammelt. Die Sozialisten rangen über zwei nationale Kongresse für eine gequälte Zustimmung. Der OGBL meinte, für soviel Geld sollte der Staat besser Altersheime bauen.

Bei den Wahlen von 1994 war das Pei-Projekt jedenfalls tot. Die nachfolgende CSV-LSAP-Regierung hatte zwar in ihrem Programm den Bau eines Museums für Moderne Kunst, doch ohne Standort-Vorgabe. Ich war damals wohl der einzige, der noch zum Pei-Projekt stand. In einer Sitzung mit der neuen Kultur-Ministerin Erna Hennicot-Schoepges schlug ich vor, einen zweiten Versuch mit I.M. Pei zu starten. Die neue Kollegin zeigte sich wenig begeistert.

Juncker gab grünes Licht

In der Zwischenzeit war Jacques Santer nach Brüssel übergewechselt. So pilgerte ich zum neuen Premierminister Jean-Claude Juncker um ihn zu überzeugen, es nochmals mit Pei zu versuchen. Juncker, für den Kultur nicht gerade die erste Priorität ist, gab mir grünes Licht.

So telefonierte ich am 1. Juni 1995 mit I.M. Pei, um ihn zu sondieren, ob er bereit sei, ein reduziertes (und damit billigeres) Projekt zu entwerfen? Pei sagte mir sinngemäß: „Wenn ich recht verstehe, soll ich aus einer Orange eine Mandarine machen?“ Er gab mir seine Zustimmung unter zwei Bedingungen. Das Museum müsse auf den Drei Eicheln bleiben („the only site of interest to me“). Auch müsste ein Restaurant vorgesehen bleiben.

Pei lieferte schnell ein um ein Drittel gekürztes Neuprojekt, mit einem Kostenvoranschlag von nunmehr 2,8 Milliarden Franken. Plus 600 Millionen Franken für ein Festungsmuseum in den zu restaurierenden Drei Eicheln, womit Erna Hennicot-Schoepges die Festungsfreunde beruhigen wollte.

Danach begann die übliche politische Schlammschlacht, mit Polemiken zuhauf, wobei sich einige Oppositionspolitiker nicht mit Ruhm bekleckerten. Bei der Verabschiedung des Baugesetzes durch die Abgeordneten verstieg Frau Polfer sich gar dazu, das Pei-Projekt sei „eng Katastroph fir d’Demokratie an dësem Land“. Was die gleichen Politiker nicht davon abhielt, sich bei der Einweihung in der ersten Reihe zu drängeln.

Bei der Grundsteinlegung musste Erna Hennicot-Schoepges und ich uns manche Anremplungen gefallen lassen, u.a. die Überreichung des „Gëldenen Baggers“.

Nach dem Regierungswechsel in 1999 kumulierte Erna das Kultur- und das Bauten-Ministerium. Sie musste eine große Standhaftigkeit unter Beweis stellen, um das Pei-Projekt zu realisieren. Trotz der vielen Versuche, den Museums-Bau dennoch zu torpedieren. Zum Beispiel durch eine von einem ADR-Politiker angestiftete Kabale gegen die „Pierre de Bourgogne“, die dem Pei-Museum sein besonderes Aussehen verleihen.

Politische Manöver sind immer kurzfristig. Doch das von I.M. Pei geschaffene Museum wird uns alle überdauern.

 

de Prolet
19. Mai 2019 - 23.31

Mudam, einen scheusslicheren und geschmackloseren Namen konnte tatsächlich für dieses architektonische Kunstwerk nicht gefunden werden, sogar von den verantwortlichen oder dem verantwortlichen Minister(n) nicht!