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Damals, als in Luxemburg die Tram noch echte „Pferdestärken“ hatte

Damals, als in Luxemburg die Tram noch echte „Pferdestärken“ hatte

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Am heutigen Mittwoch (1.8.) ist es auf den Tag genau 110 Jahre her, dass in der Hauptstadt die erste elektrische Tram getestet wurde. Etwas mehr als drei Jahrzehnte lang hatte zuvor die Pferdebahn ihre Dienste verrichtet – dann musste sie dem Fortschritt weichen.

Am Mittwoch ist es auf den Tag genau 110 Jahre her, dass in der Hauptstadt die erste elektrische Tram getestet wurde. Etwas mehr als drei Jahrzehnte lang hatte zuvor die Pferdebahn ihre Dienste verrichtet – dann musste sie dem Fortschritt weichen.

Die Oberstadt mittels eines öffentlichen Verkehrsmittels mit dem – damals noch aus Holz gebauten – Zentralbahnhof zu verbinden: Diesen Zweck verfolgte das Vorhaben, in Luxemburg eine Pferdebahn einzuführen. Am 27. Juni 1873 ging im hauptstädtischen Gemeinderat erstmals Rede von einem solchen Projekt. Vorbild war unter anderem die Berliner Pferde-Straßenbahn, die weniger als ein Jahrzehnt zuvor, im Jahr 1865, den Betrieb aufgenommen hatte.

Die Pferdebahn unterwegs in Richtung Bahnhofsavenue.
Detail einer auf 1910 datierten Postkarte. Die Aufnahme muss allerdings vor August 1908 entstanden sein. (Alle Fotos: Photothèque de la ville de Luxembourg)

Schon zwischen 1825 und 1835 entstanden im rheinisch-westfälischen Industriegebiet erste Pferdebahnen, diese allerdings dienten nicht dem Personen-, sondern dem Güterverkehr, vor allem der Kohlebeförderung. Zwei belgische Ingenieure unterbreiteten dem damaligen Bürgermeister der Stadt Luxemburg, Charles Simonis, schlussendlich am 6. September 1873 erste provisorische Pläne: Gustave Défacqs und Charles de Féral.
Was dann geschah, kann heute nicht genau gesagt werden. Es existieren zwei verschiedene Versionen. Die erste besagt, dass das Projekt von Défacqs zu teuer gewesen sei und der Gemeinderat Féral daher den Auftrag übertragen hätte. Dies sei am 3. Juni 1874 gewesen.

Der Belgier habe daraufhin am 20. September desselben Jahres einen Gleisplan für die erste Linie präsentiert. Die entsprechenden Arbeiten seien zügig vorangeschritten und am 21. Februar 1875 hätte die Strecke Bahnhof-Athenäum den Betrieb aufnehmen können.
Einer zweiten Version zufolge seien dem Gemeinderat beide Projekte, sowohl das von Féral als auch das von Défacqs, zu teuer gewesen.

Der erste Fahrplan der Luxemburger Pferdebahn erschien am 6. Mai 1875. Hier ein solcher aus einer Zeitungsanzeige vom 12. Dezember 1876.

Daraufhin habe dieser eine Kommission eingesetzt, die ein entsprechendes Lastenheft ausgearbeitet hätte, betreffend eine Pferdebahn von der Avenue de la Porte neuve aus über die Grand-Rue, den Krautmarkt, durch diverse weitere Straßen am Athenäum vorbei über den Brückenring bis zum Bahnhof. Als Geschwindigkeit der Bahn seien 12 Stundenkilometer vorgeschrieben worden. Am 21. März 1874 hätte der Rat dieses Lastenheft gutgeheißen und am 31. Mai den Ingenieur de Féral mit dem Unternehmen betraut. Für den Bau der Gleise und Ställe sei eine Höchstsumme von 150.000 Franken vorgesehen gewesen. Die Konzessionsdauer wurde auf 50 Jahre festgesetzt.

Am 1. Oktober 1874 soll Féral diese Konzession einer «Anonymen luxemburgischen Straßenbahn-Gesellschaft» übertragen haben, die er zuvor in Brüssel gegründet habe. Diese Gesellschaft nahm sich dann der Arbeiten an und am 20. Februar 1875 sei die erste Teilstrecke Bahnhof – Athenäum in Betrieb gegangen.

Ob es nun der 20. oder der 21. Februar war: Luxemburg hatte endlich seine Pferdebahn. Es sollte jedoch noch bis zum 6. Mai 1874 dauern, bis erstmals ein Fahrplan veröffentlich wurde. Eine zweite Strecke, die bis zum Glacis führte, nahm – darin sind sich die Geschichtsschreiber einig – am 24. August 1875, pünktlich zur Eröffnung der «Schueberfouer», ihren Dienst auf.

Etwas mehr als drei Jahrzehnte verrichteten die Pferdebahnen in der Hauptstadt ihren Dienst. Doch wie so vieles mussten auch sie schlussendlich dem Fortschritt weichen. Schon 1906 wurde mit der Planung einer elektrischen Bahn begonnen. Rund zwei Jahre später, im Sommer 1908, war es so weit. Am 1. August wurde eine erste Probefahrt mit der elektrischen Bahn unternommen, am 4. der reguläre Betrieb aufgenommen. Nachdem einige Tage beide Bahnen gemeinsam unterwegs gewesen waren, fuhr am 13. August der letzte von tierischer Kraft angetriebene Tramwagen. Eine Epoche war definitiv zu Ende gegangen.


Weshalb heißt die Tram eigentlich Tram?

Es gibt viele Wörter, die so fest in unseren Sprachgebrauch übergegangen sind, dass man sich nie die Frage stellt, wo sie überhaupt herkommen. Dazu zählt auch Tram oder Tramway. Im Luxemburger Wort vom 6. Juni 1883 hat man diesem Begriff einen kleinen Artikel gewidmet.

Die Zeitung gibt einen gewissen Benjamin Outram (1764-1805) als Namensgeber an, der 1801 zwei Städte in England mit der ersten Pferdebahn verbunden haben soll.
In anderen europäischen Ländern soll sein Name übernommen worden sein, anfangs als «Outramway», später dann abgekürzt als «Tramway» oder eben «Tram». Bis in die USA hingegen hat sich dieser Name nicht durchsetzen können. Dort sprach man laut Artikel von «horse car».

Die Behauptung, Outram sei der Namensgeber der Trambahn, ist nicht ganz unumstritten. Andere sehen die Wurzeln des Wortes «Tram» in dem alt-niederdeutschen bzw. mittelniederländischen Wort «Trame», was so viel wie Balken bedeutet. Die Trambahn wäre demnach eine Bahn, die auf «Balken» fährt.


Nicht alles lief rund

Der Mensch ist aber auch nie zufrieden! Das war schon damals so: Kaum hatte sich die Hauptstadt eine Pferdetram gegeben, da ging es schon mit den Beschwerden los …

Historischer Moment: Die elektrische Tram (l.) trifft auf die Pferdebahn. Nur kurze Zeit waren beide Verkehrsmittel unterwegs. Dieses Bild muss folglich zwischen dem 1. und dem 13. August 1908 entstanden sein.

Es jedem recht zu machen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Tram der Stadt Luxemburg löste denn auch schon kurz, nachdem die ersten von Pferden gezogenen Wagen auf dem Schienennetz unterwegs waren, teils heftige Diskussionen im Gemeinderat aus. Diese drehten sich vor allem um die Kosten, die durch die neue Verkehrsinfrastruktur auf die Stadt zugekommen waren. Manchen Räten waren sie ein Dorn im Auge; sogar zu Gerichtsprozessen soll es, blättert man in alten Chroniken nach, wegen der Tram gekommen sein.

«Die Reisenden sind übel dran»

Das neue Verkehrsmittel stieß bei der Bevölkerung jedoch auf große Beliebtheit. Doch in Sachen Komfort ließ so manches zu wünschen übrig.

Vor dem Hauptbahnhof (1907):
Pferdedroschken und ganz rechts im Bild die Pferdebahn

Zwei Beispiele: Im Luxemburger Wort konnte man am 7. Juli 1888 folgende Kritik lesen: «Auf dem Platze, wo der frühere sog. ‹Rothenbrunnen› sich befand», heißt es da, «steht seit einigen Jahren, und zwar seit der Instandsetzung der städtischen Tramwaybahn, ein kleines, unansehnliches Bretterhäuschen. Dasselbe misst höchstens 2 Meter in Länge und Breite und etwa 3 Meter in der Höhe. Diese kleine Bude soll der Wartesaal der Tramwaybahn sein. (…) Die Reisenden, welche sich dieses Wartesaales en miniature bedienen müssen, sind übel dran. (…)»

In der Obermoselzeitung vom 22. Januar 1895 ärgert sich ein Journalist darüber, dass es keine aktuellen Fahrpläne gibt: «Die städtische Tramwaygesellschaft hat noch keine neue Ausgabe ihrer offiziellen Fahrpläne, der bekannten gelben Plakate, erscheinen lassen, trotzdem seit Wochen zwei Pferdebahnfahrten ausgefallen sind, die noch auf den alten Fahrplänen figuriren. Dadurch erwachsen den Reisenden, welche den Fahrplan konsultirt und sich auf diese Tramways verlassen haben, die größten Unannehmlichkeiten.»


Also, diese Stadtpolizei …

Nicht selten kam es mit den von Pferden gezogenen Tramwagen zu Unfällen. Darüber berichteten denn auch die damaligen Zeitungen. Heute muten diese Artikel oft befremdlich und lustig zugleich an. So wie der nebenstehende aus der «Bürger- und Beamtenzeitung» vom 20. Juni 1891.

Unter dem Titel «Berichtigung» heißt es: «Vor kurzem meldeten wir, daß der Taglöhner Louis Reiter aus Pfaffenthal auf der Passerelle, als er in betrunkenem Zustande über die Straße schreiten wollte, vom Tramway erfasst und durch Niederwerfen am Kopfe schwer verletzt wurde. Diese Nachricht ist in dem Sinne zu berichtigen, daß der Unglückliche nicht, wie der amtliche Bericht lauten soll, betrunken war, sondern harthörig ist und den heranfahrenden Tram nicht hörte. Dies zur Steuer der Wahrheit. (…) Bei dieser Gelegenheit wollen wir aber konstatiren, daß die Stadtpolizei (…) die Gewohnheit haben, jeden Menschen, der nur 2-3 Glas Bier getrunken, als betrunken zu protokollieren. Wir werden später in unseren Artikeln betr. die ‹Justizreform› auf diesen Mißstand zurückkommen.»