LeserbriefHinterfragtes Grundgesetz

Leserbrief / Hinterfragtes Grundgesetz

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Von Gust Wester, Sprinkingen

In jüngster Vergangenheit gab es quasi eine Inflation von Vereidigungen auf unsere Verfassung, dies seitens der Bürgermeister, Schöffen und Gemeinderäte. Unter dem Heer jener, welche nun per Eid geschworen haben, unsere Verfassung zu achten, gab es viele, welche im Laufe ihres Berufslebens mehrere Male dies per feierlichen Eid bekundet haben. Auch alle bisherigen Staatsräte, Minister, Deputierte, Magistrate und staatliche Verwaltungsfunktionäre hatten geschworen, unsere Verfassung zu respektieren. Doch es wurden von den eben erwähnten Institutionen Gesetze erlassen und angewendet, welche deutlich unsere demokratische Verfassung ignorierten:

1. So das Adoptionsgesetz vom 13. Juli 1959, welches in seinen damaligen Artikeln 364 und 365 des «Code civil» den Artikel 89 unserer Verfassung nicht respektierten, welcher vorschreibt: «Tout jugement est motivé». Aber in besagten beiden Artikeln stand deutlich: «Le tribunal se prononcera sans énoncer les motifs» oder «Elle (la Cour) prononcera sans énoncer les motifs». Ich war scheinbar der einzige Bürger unseres Ländchens gewesen, welcher diese Missachtung unserer Verfassung publik machte und energisch die Achtung unseres Grundgesetzes forderte. Nach längeren stupiden Rückzugsgefechten wurde dann im reformierten Adoptionsgesetz vom 22. Februar 1974 diese deutliche Missachtung unserer Verfassung beseitigt.

2. Auch alle Urteile der inzwischen abgeschafften «Cour d’assises» verstießen gegen Artikel 89 unserer Verfassung. Deren richterliche Entscheidungen wurden nicht begründet. Die Richter stellten lediglich fest, ob der Angeklagte schuldig oder unschuldig wäre. Ferner verstieß diese Gerichtsbarkeit gegen die europäische Konvention für Menschenrechte, weil es keine Berufung gegen deren Entscheidungen gab. Erst als unser Staat befürchtete, dass in einem unklaren Fall Luxemburg diesbezüglich wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte verurteilt werden würde, wurde die «Cour d’assises» durch die «Cour criminelle» ersetzt.

3. Dann gab es noch das Enteignungsgesetz vom 15.3.1979, das praktisch eine Bezahlung nach den «Calendes grecques» erlaubte, obwohl Artikel 16 unserer Verfassung Enteignung «moyennant une juste et préalable indemnité» vorschrieb. Diesbezüglich musste dann später des Enteignungsgesetz und die Verfassung umgemodelt werden.

4. Dann war noch das 1944 zu London von unserer Exilregierung beschlossene Sequester, welches den Artikel 17 unserer Verfassung nicht respektierte. Wären dadurch nur grausame Nazis bestraft worden, wäre die Beschlagnahmung ihrer Güter noch moralisch zu rechtfertigen gewesen. Aber betroffen waren meistens nur Deutsche, welche sich nichts zuschulden hatten kommen lassen und lediglich in VDB und NSDAP sein mussten, weil sie sonst vor 1940 keinen gültigen deutschen Ausweis erhalten hätten und von unserer Regierung ausgewiesen worden wären.

5. Dann gab es noch eine Verurteilung wegen Geldwäsche, obwohl zum Zeitpunkt seiner Tat dies noch nicht in unserem Ländchen verboten gewesen war. Dies war auch eine Missachtung der Verfassung, weil Gesetze nicht rückwirkende Gültigkeit haben.
Welch praktischen Wert hat also unsere Verfassung, wenn schon am 26. Mai 1920 unsere «Cour de cassation» der Ansicht war, dass unsere Gerichte nicht zu prüfen hätten, ob Gesetze oder internationale Verträge unsere Verfassung respektieren?

An dieser Rechtslage ändert das neu geschaffene Verfassungsgericht nur äußerst wenig, denn der Zugang zu dieser Gerichtsbarkeit ist so geregelt, dass jenes Verfassungsgericht einen Vorfilter vorgeschaltet bekam, so dass der Zugang zu diesem Wächter über die Verfassung nach Belieben verhindert werden kann. Dass hier, wie neulich in Deutschland, eine Person ohne Beistand von einem Advokaten, das Verfassungsgericht mit der Frage nach der geschlechtlichen Einordnung von Personen im Zivilstandsregister befassen könnte, ist in Luxemburg nicht möglich.

Unser mit viel politischer Propaganda geschaffenes Verfassungsgericht ist also nur reinste Ablenkung von einer demokratischen Sachlage. Was nützt es, wenn nun schon über mehrere Jahre über die Neufassung unserer Verfassung philosophiert wird, wenn deren Bestimmungen derart leicht und ungestraft ausgehebelt werden können?

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Horst
12. Dezember 2017 - 22.24

Ech huelen un, eise Gusty huet alt erëm eng Kéier viru Geriicht verluer. Hie packt dat net