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KinoHamaguchi I, II & III

Kino / Hamaguchi I, II & III
Asako (Erika Karata) und Baku/Ryôhei (Masahiro Higashide)

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Fast könnte man denken, dass sich das Filmvertrieb-Pendant von Christopher Nolan oder sonst irgendeines mindgame-affinen Menschen in das sommerliche Kinoprogramm eingeschlichen hat. Seit „Drive My Car“ (literarische Vorlage: Haruki Murakami) es nach einer gefühlten Ewigkeit (seit der Premiere in Cannes) in die luxemburgischen Kinos geschafft hat, durfte man Ryūsuke Hamaguchis Œuvre Schritt für Schritt rückwärts entdecken.

Alles andere als im Filmgeschäft gewöhnlich. Sein vorheriger Film „Wheel of Fortune and Fantasy“ – noch vor „Drive My Car“ bei der Berlinale 2019 präsentiert – lief wenige Monate später hier im Kino und jetzt im Sommerloch noch der Film davor also. „Asako I & II“ ist schon vier Jahre alt und wurde bei den Filmfestspielen von Cannes 2018 im Wettbewerb vorgestellt. Es war aber Hamaguchis Landsmann Hirokazu Koreeda, der die Goldene Palme damals mit nach Japan nehmen durfte.

Liebe auf den ersten Blick

Die titelgebende Asako ist eine introvertierte junge Frau, die nach dem Besuch einer Fotoausstellung in Osaka einem mysteriösen jungen, attraktiven Mann gegenübersteht, der ihr schon in den Ausstellungsräumen auffiel. Die beiden jungen Menschen lassen nichts anbrennen. Wenige Augenblicke nach dem gemeinsamen Vorstellen – sie, Asako, er, Baku – brechen die beiden mit jeglicher Vorstellung von distanten, kalten japanischen Gepflogenheiten und küssen sich in aller Öffentlichkeit. Als wäre es ein Film. Liebe auf den ersten Blick. Aber Asakos Freundin Haruyo macht sich Sorgen. Scheint eine Ahnung von Bakus Herzensbrecherruf zu haben, der ihm vorauszueilen scheint. Und tatsächlich: Eines Tages verschwindet Asakos Liebe spurlos.

Wir begegnen unserer Protagonistin zwei Jahre später. Sie arbeiten nunmehr in Tokyo als Barista in einem kleinen Coffeeshop. Sie beliefert auch nahestehende Bürogebäude und trifft gerade dort einen Mann, der ihrem verflossenen Baku erschreckend ähnlich ist. Trotz ihrer anfänglichen Vorsicht fühlt sie sich von diesem Mann, Ryohei, zusehends angezogen. Sie erzählt ihm nichts und genießt stattdessen lieber die aufblühende, neue Beziehung. Die Vergangenheit mit Baku lässt sie, unabhängig von Ortswechsel und neuem Lebenspartner, jedoch nicht ganz los. Baku scheint weiterhin die Liebe ihres Lebens zu bleiben.

Eine sehr ruhige RomCom

Wenn man einen Blick nach hinten wagen darf, ist Ryūsuke Hamaguchis „Asako I & II“ an einem interessanten Punkt in seiner Filmographie eingeschrieben. Der japanische Filmemacher hatte 2015 sein 5-Stunden-WerkHappy Hour“ hinter sich (dass dieser Film als Nächstes in unseren Kinos zu sehen sein wird, ist sehr unwahrscheinlich), und ehe er sich an Murakamis Kurzgeschichte wagte, adaptierte er für diesen Film einen Roman von Tomoka Shibasaki. Wer die vorherigen, beziehungsweise den nachfolgenden Spielfilm sehen konnte, wird bei „Asako I & II“ Hamaguchis Vorliebe für lange Dialogszenen erkennen, die fast schon eine theatrale Komponente aufweisen. In „Drive My Car“ war das Theater fester Bestandteil des Films und auch hier wird immer wieder auf Tschechow oder Ibsen hingewiesen. Bei Hamaguchi wird das Verhandelte aber lange nicht so dramatisch hochgezogen, obgleich sich die Autoren vielleicht gar nicht mal so unähnlich sind.

Weitere wiederkehrende Stränge sind Zufallsbegegnungen und plötzliches Verschwinden von Figuren – und wie sich dies auf die oftmals weiblichen Hauptcharaktere auswirkt. Was bei „Asako I & II“ jedoch am meisten hervorsticht, sind die Paralellen zu Hitchcocks „Vertigo“. Nur andersrum. War es beim „master of suspense“ Jimmy Stewart, der eine verstorbene Liebe in einer anderen Frau wiederzuerkennen glaubte, so ist es hier eine junge Frau (ein „female gaze“), die ihrem Schönheitsideal und dem/den dahinter stehenden Menschen folgt.

Bei Hitchcock ist das Resultat ein tiefenpsychologischer Thriller, bei Hamaguchi eine sehr ruhige RomCom, die ihre komödiantischen Momente weniger in ihren Dialogen findet als in ihrer präzise durchdachten Kameraarbeit. „Asako I & II“ bleibt trotzdem weniger ein himmelhochjauchzend witziger Spielfilm, als ein melancholischer über die Frage, wie und ob man mit seiner eigenen Vergangenheit und dem emotionalen Ballast wirklich abschließen kann. Asako muss sich eventuell gar nicht zwischen I und II entscheiden, sondern ist vielleicht ganz einfach „Asako I & II“.