Mit der Abstimmung diese Woche im Europäischen Parlament über den sogenannten Taxonomie-Vorschlag der EU-Kommission wurde das Vertrauen in die Politik erheblich ramponiert. Eine Mehrheit von liberalen, konservativen und rechtspopulistischen bis rechtsextremen EU-Parlamentariern haben mit ihrem Stimmverhalten nicht nur einen Etikettenschwindel mitgetragen, sondern auch eine Methode des politischen Vorgehens unterstützt, die wir bisher nur von zeitgenössischen Autokraten kannten.
Die EU-Kommission hat in das Regelwerk der Union, in dem nachhaltige und umweltfreundliche wirtschaftliche Aktivitäten klassifiziert werden, auch Investitionen in bestimmte Atom- und Gasprojekte aufgenommen. Dies geschah insbesondere auf Druck Frankreichs, das im Kampf gegen den Klimawandel auf die CO2-freie Atomkraft setzt. Im Gegenzug verlangte Deutschland, dass ebenfalls Investitionen in Gasinfrastrukturen zumindest als Transitionstechnologie von Brüssel das Ökolabel erhalten. Immerhin stand damals, als die Revision der Taxonomie anstand, die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 vor der Fertigstellung.
Zu Recht regte sich Widerstand gegen diesen Coup, denn das Vorhaben läuft auf eine per Gesetz legitimierte Täuschung hinaus. Allerdings schaffte es eine parteiübergreifende Gruppe von EU-Parlamentariern nicht, den Schwindel in der europäischen Volksvertretung zu stoppen. Natürlich gilt der Einwand, dass längst nicht alle Investitionen in Atom- und Gasprojekte durch die revidierte EU-Taxonomie als nachhaltig ausgewiesen werden können. Es wurden klare Bedingungen festgelegt, die einzuhalten sind, wodurch sich die Zahl künftiger „umweltfreundlicher Atomkraftwerke“ auf nur sehr wenige beschränken wird. Es ist davon auszugehen, dass im Finanzsektor aus Gründen unter anderem der Glaubwürdigkeit nicht wenige davon absehen, Investitionen in fossiles Gas in ihre Finanzprodukte aufzunehmen. Denn die Branche wird nun unter besonderer Beobachtung jener stehen, die sich für ethische Wertvorstellungen auch im Finanzwesen einsetzen. Schließlich werden die neuen Taxonomie-Regeln nur für eine Handvoll EU-Staaten Sinn machen, da die meisten entweder keine Nuklearenergie (mehr) einsetzen oder die entsprechenden Energieprojekte die festgelegten Bedingungen nicht erfüllen. So sind offenbar Investitionen in Flüssiggasterminals, die jetzt in manchen EU-Staaten benötigt werden, um von russischem Gas wegzukommen, von der Taxonomie ausgeschlossen. Das bedeutet, dass künftig dennoch viel Geld für Investitionen in die beiden umstrittenen Energieformen aufgebracht werden muss, das nicht das grüne Mäntelchen der EU-Taxonomie umgehängt bekommt.
Die rein politische Entscheidung der Umwertung beider Energien könnte daher möglicherweise längst nicht den Effekt haben, den sich die Initiatoren davon erwarten. Der Schaden aber ist angerichtet. Denn es wird trotz der Faktenlage etwas behauptet, was selbst weniger naturwissenschaftlich Begabten als unsinnig einleuchtet. Die Zustimmung des EP zur Taxonomie wird damit als ein Akt der politischen Willkür im Interesse weniger wahrgenommen. Mehr noch: Die Mehrheit der EU-Parlamentarier hat mit ihrem Stimmverhalten eine Methode quittiert, die im politischen Diskurs von Leuten wie Donald Trump angewandt wird, der wider besseres Wissen aller behauptet, die Wahl gewonnen zu haben, oder wie Wladimir Putin, der einen Vernichtungskrieg eine Spezialoperation nennt, bei der Zivilisten verschont werden. Mit solchen Methoden wird das Vertrauen in die Politik unterminiert.
Sollen bei der nexten EU Wahl noch eine Rubrick auf den Wahlzettel setzen
Brauchen wie die EU
Ja
Nein
Herrlich, darf ich denn jetzt mit meinem alten Frittefett Diesel wieder überall hin?