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Modell für Luxemburg?Cannabis-Anbau in Deutschland: Gärtnern hinter 24 Zentimeter dicken Wänden

Modell für Luxemburg? / Cannabis-Anbau in Deutschland: Gärtnern hinter 24 Zentimeter dicken Wänden
Cannabis-Produktion bei Demecan im deutschen Sachsen: erste Ernte im April 2022 Foto: dpa/Sebastian Kahnert

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Luxemburg will den Anbau von medizinischem Cannabis erlauben. Bis jetzt wurde die Versorgung über Importe bewerkstelligt. Ein Modell, das in Deutschland schon umgesetzt wird. Dort hat es von der Ausschreibung bis zur ersten Ernte allerdings drei Jahre gedauert. 

Medizinisches Cannabis ist seit 2018  in Luxemburg legal. Aber: Bei der Versorgung der Patienten gibt es Engpässe. Produziert werden darf medizinisches Cannabis in Luxemburg nämlich nicht. Bis jetzt. Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) hat am Sonntag erklärt, dass die entsprechenden Hürden abgebaut werden sollen. Lenert ist Anfang der Woche nach Portugal gereist, um sich dort mit Verantwortlichen über die „Entkriminalisierung von Drogen im Hinblick auf die künftigen Umsetzungsschritte in Luxemburg“ zu beraten, wie es in einer Pressemitteilung der Regierung von Mittwoch heißt. In Portugal wird Cannabis auch angebaut. 

Die Rechtslage in Portugal unterscheidet sich jedoch deutlich von der luxemburgischen. Lissabon hat schon im Jahr 2001 einen radikalen Schritt gemacht – und alle Drogen entkriminalisiert. „Bis zu einer bestimmten Menge ist der Besitz und Konsum eine Ordnungswidrigkeit, keine Straftat“, wie der Deutschlandfunk schreibt. Anders in Deutschland. Dort wurde Cannabis für medizinische Zwecke 2017 legalisiert. Auch in Deutschland setzte man erst auf den Import aus dem Ausland – und begann dann mehr und mehr mit Lieferengpässen zu kämpfen. 2019 gewannen drei Unternehmen dann erstmals eine Ausschreibung für den Anbau von Cannabis in Deutschland, schreibt die deutsche Pharmazeutische Zeitung.

Geerntet wird aber erst seit kurzem. Es sei nicht zu schaffen gewesen, erst der Vergabe der Konzessionen 2019 mit dem Bau anzufangen – und 18 Monate später die erste Ernte abzuliefern, wird ein Mitarbeiter des Herstellers Aphria zitiert. Deshalb hatte das Unternehmen kurzerhand schon vorher eine Baugenehmigung für eine Anlage zur Produktion von „medizinischem Chili“ beantragt – und die dann später umgewidmet. 

Die drei deutschen Cannabis-Fabriken sollen in den kommenden vier Jahren insgesamt 10,4 Tonnen Cannabis liefern. Laut Experten ist das immer noch viel zu wenig, damit der deutsche Markt nicht mehr auf Importe angewiesen ist. „Wenn Deutschland den Import komplett durch eigenen Anbau ersetzen wollen würde, müssten etwa 25 Tonnen pro Jahr ausgeschrieben werden“, erklärte der drogenpolitische Sprecher der Linken, Niema Movassat 2019 gegenüber der taz.

Das Modell Deutschland könnte als Vorbild für Luxemburg dienen. Wie ist die Cannabis-Produktion in Deutschland geregelt? Und wie funktioniert der Anbau? Wir haben mit Dr. Constantin von der Groeben, Gründer und Geschäftsführer des deutschen Cannabis-Herstellers Demacan, gesprochen. 

Dr. Constantin von der Groeben
Dr. Constantin von der Groeben  Foto: Demecan

Tageblatt: Wie bauen Sie Cannabis an?

Dr. Constantin von der Groeben: Bei Demecan erfolgt der komplette Anbau von medizinischem Cannabis – von der Zellkultur bis zur Blüte – unter kontrollierten Bedingungen in geschlossenen Reinräumen. Dadurch wird eine Kontamination durch Schädlinge oder Schimmelsporen verhindert. Durch die Verwendung von gereinigtem und filtriertem Gießwasser sowie kontrolliertem Düngemittel wird eine Belastung durch Schadstoffe wie Schwermetalle ausgeschlossen. Zudem wird künstliches Tageslicht eingesetzt und die Umweltparameter Temperatur, Feuchtigkeit und CO2-Konzentration kontrolliert. Das gewährleistet die Produktion von Blüten mit homogenem Wirkstoffgehalt. Eine maschinelle Schnelltrocknung verhindert mikrobiologische Belastungen.

Was unternehmen Sie in Sachen Sicherheit? 

Wie Sie erwarten können, kann ich hier nicht unsere intensiven Sicherheitsmaßnahmen skizzieren. Unser Sicherheitskonzept – eines von sechs Kriterien, auf deren Basis die Ausschreibungsentscheidung getroffen wurde – gehört unseres Erachtens zu den smartesten, die wir kennen. Die grundsätzlichen Anforderungen werden vom Gesetzgeber gestellt. Wir haben diese mit einem eigenen Konzept erweitert. Grundsätzlich wird alles Cannabis hinter 24 Zentimeter dicken Wänden angebaut. Es gibt überall Schalldetektoren und die Polizei hat einen direkten Draht zu uns. Das haben wir schon einige Male nachts, tagsüber und am Wochenende getestet. 

Welche Vorgaben gibt es noch? 

Der Anbau von medizinischem Cannabis unterliegt den Vorgaben der „Guten Anbau- und Sammelpraxis“. Diese Vorgaben gewährleisten eine hohe und gleichbleibende Qualität bei der Kultivierung von pflanzlichen Ausgangsstoffen, die zur Herstellung pflanzlicher Arzneimittel weiterverwendet werden. Die Richtlinien definieren auch die zu verwendende Ressourcen– also beispielsweise Personal, Ausrüstung, Saatgut. Auch die eingesetzten Methoden sind definiert, zum Beispiel Pflanzenschutz oder der Erntezeitpunkt. Dadurch ist die Rückverfolgbarkeit des Anbaus sichergestellt. Auch Ernte, Trimmprozess, Trocknung, Verpackung und Lagerung fallen bei medizinischem Cannabis unter die „Gute Herstellungspraxis“. 

Medizinisches Cannabis muss höchsten Standards entsprechen. Wie gewährleisten Sie die Hygiene? 

Wir arbeiten in Reinräumen und zum Betreten der Produktionshallen muss man durch drei Hygiene-Schleusen. Man darf diesen Bereich nur mit Haarnetz, Bartschutz, Mundschutz, Overall und Handschuhen betreten. Im Prinzip sind die Hygiene-Vorschriften vergleichbar mit denen in der Pharmaindustrie.

Gibt es besondere Anforderungen an die Mitarbeiter? 

Man muss zur Einstellung ein Führungszeugnis vorlegen.

Wie geht es nach der Produktion weiter, erfolgt die Lieferung direkt an Apotheken?

Wir decken den Part bis zur Verpackung der Blüten ab. Danach gehen die Blüten in den Besitz der deutschen Cannabisagentur über. Sie werden bei uns abgeholt und von dort über einen externen Dienstleister an Apotheken versendet.

Wie viel kostet das Cannabis, das Sie produzieren, später den Patienten?

Der Durchschnittspreis bei den Apotheken liegt bei zehn Euro pro Gramm.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie derzeit und seit wann genau produzieren Sie Cannabis im Auftrag des deutschen Staats?

Wir haben mehr als 80 Mitarbeiter an zwei Standorten – Berlin und Ebersbach. Im sächsischen Ebersbach wird das Cannabis produziert. Wir haben 2019 den Zuschlag von der Cannabisagentur erhalten. Danach haben wir unsere Anlage gebaut und alle nötigen Abnahmen gemeistert. Durch die Pandemie hat sich der Bau leider etwas verzögert. Mit dem Cannabis-Anbau haben wir im November 2021 begonnen. Die erste Lieferung an die Cannabisagentur war am 20. April 2022.

In welcher Form erhalten die Patienten letztendlich das Cannabis und müssen sie nach dessen Erhalt noch irgendwelche Hilfsmittel kaufen, um es danach einnehmen/konsumieren zu können?

Die Patienten erhalten getrocknete Cannabisblüten. Zum Konsumieren kann ein Vaporisator zum Verdampfen genutzt werden. Personen mit einer Kostenübernahme der Krankenkasse bekommen diesen Vaporisator in Deutschland bezahlt.

Cannabis-Produzent Demacan

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilte drei Unternehmen im Jahr 2019 die Erlaubnis für den Cannabis-Anbau in Deutschland: dem deutschen Ableger des kanadischen Aphria-Konzerns, dem ebenfalls in Kanada beheimateten Unternehmen Aurora – und Demecan, einem Start-up aus Berlin.
Laut Franz Großmann darf Demecan derzeit bis zu 990 kg Cannabisblüten produzieren. Davon sind 660  Kilogramm „jährliche Vertragsmenge“, hinzu kommt eine „zusätzliche Abnahmegarantie“, mehr als „50 Prozent Überproduktion“. Die Produktionsstätte von Demecan steht im sächsischen Ort Ebersbach nördlich von Dresden. (sen)

Gariuen
24. Juni 2022 - 17.12

Fast alle Mauern sind 24 cm dick, wieso dies hervorgehoben wurde, erschließt sich mir nicht.