Ady und Mady Deville aus Schifflingen sind nicht mehr.
Vom Künstler Deville erzählen, heißt fragen: Wer will er gewesen sein? Ad denkt weltmännisch, wirkt lokal bis national. Nie verstummt die Frage, wie er seine wuchernde Mischung aus Aquarellen, Mosaiken, Artefakten, Landschaftsbildern, Porträts schöpferisch ans Weltkulturerbe einbinden kann.
Eine Kindheit in Hesperingen. Die Lehrerin erkennt Ads Zeichentalent. Nach Schifflingen ziehen Vatermutterkind, näher an die Arbeit von Charel. Abitur in Esch. Ad belegt Architekturkurse in Paris, wechselt an die „Ecole nationale des beaux-arts“. Ein Kapital an Freundschaften bringt ihm die Frankfurter „Städelschule“. Als er sich in Esch für eine Stelle als Zeichenlehrer bewirbt, zweifelt der Direktor am Patriotismus des Staatsdieners in spe: „Deville hat nicht gedient!“ Wieso kein Militär?
Kriegstrauma
Unauslöschlich hatte sich ihm ein Kriegstrauma eingefräst, als beim Spielen Munition explodierte. Schwester Flavie zerriss es das junge Leben, Jugendfreund Jacobi verlor ein Bein, ein Kind kam ums Leben. Ad selbst ernsthaft verletzt. Und die Rachegöttinnen lassen nicht los. Tödlich trifft’s eine Nichte beim Autounfall, Flavie beim Hausbrand. Da sollte man schon in Ads schöpferische Träume hineinbohren! Sein Faszinosum aus Form, Material und Farbe wurzelt in verdrängten Verletzungen. Im Schaffensrausch überdeckt er Schatten, Gestalt und Bild versenken zerstörerische Schwärze.
In fernen Häfen hätte er anheuern können. Doch er überhört persönliche Wünsche, mitberücksichtigt die Ansprüche der Frau im Leben: Mady Bremer aus der Nachbarskolonie. Verliebt, verheiratet, gebunden! Man kann die Trias weiterführen. Heilsam behaust Mady die unbehauste Seele ihres Ad. Das ausgediente „Paschtoueschhaus“, angelehnt an den Schifflinger Martinsberg, wird ihr Daheim. Wie die Fürsten im Dresdner Barock legen sie eine Wunderkammer aus Sammlerstücken an, kombinieren Ads Kreationen mit Kuriositäten und Bleibendem aus Jahrhunderten.
Inspiration Provence
Die raue Farbpalette der Provence inspiriert den Maler, die akademische Ausbildung zu überschreiten. Wie besessen vom Violett des Lavendel, dem Ocker der Erde, dem Oliven- und Piniengrün erzählt er Geschichten aus Licht. Die Aquarelle zerstückeln Landschaften in kubistische Motive. Hügel explodieren in Linien. Farborgien füllen Täler. Statt die im Überfluss wahrgenommene reale Welt zu kopieren, verdeutlichen geometrische Formen dem Betrachter jene schöpferische Bewegung, die hier Landschaften entstehen ließ. Oft krönt sie die ordnende Macht eines Kastells. Wie Mentor André Lhote dekonstruiert Ad Frauenkörper, fügt sie in Landschaftsteile als Lichtgestalten ein.
Mady wird die Muse einer ekstatischen Landschaftsmalerei. Jahre später! Ad entführt Rotary-Freunde aus Esch an die bayrischen Königsseen. Für sie lockt er den romantischen Zauber aus den aufsehenerregenden Schlössern König Ludwigs, um später die Opulenz wieder in klassischen Historienbildern einzufangen.
Immer wieder führt er Kunstschüler nach Trier. Enthusiastisch deckt er die Geheimnisse der konstantinischen Deckengemälde auf, zieht Parallelen zu Heldenfiguren aus Ravenna und Byzanz. Die allegorischen Personifikationen stehen Pate für Devilles Mosaiken. Spektakulär entwirft er ganze Welten in verschachtelten Theaterdekorationen, gibt damit jungen Schauspielern Halt. Er rezykliert Turnvater Jahns Seitenpferd zum Schlachtross, eine Schlachterbank zum Liebesbett, bringt für Herkul John Grün die Freiheitsstatue auf die Bühne. „Meine Bilder sind Theater.“ Dieses Eigenbekenntnis hinterfragt einen Pariser Entscheid. Tat er sich einst gut, großen Häusern abzusagen, die ihn als Bühnenbildner engagieren wollten? Deville, so der Theaterkritiker, „vereint den Blick für das Funktionelle und Machbare eines alten Dorfschreiners mit der eleganten Kulanz des Profis und dem unerschöpflichen Einfallsreichtum des echten Künstlers“.
In Gremiensitzungen der Denkmalbehörde argumentiert der Passionierte in Wortkaskaden, bis er die Zuhörer mit rasch hingeworfenen Skizzen überzeugt. Brandet ihm eine Woge der Skepsis entgegen, fährt sein verletzbares Ego schon mal Widerborsten aus. Ein Deville verschanzt sich nicht.
Heißt vereinfacht gesagt, für Deals und Absprachen fehlt ihm die passende Grammatik. Doch die Rettung des roten Berwart-Turms können die Escher seinem Stehvermögen und den Seilschaften aus Pariser Zeiten zuschreiben.
Ansteckende Lebensfreude
Pfarrkirche Schifflingen. In der Taufkapelle verfolgen wir die Endstufe der schöpferischen Entwicklung Devilles. Die paradiesischen Flüsse Euphrat, Tigris, Gibon, Pishon befruchten eine sanft geschwungene Landschaft aus blau schattierten Mosaiksteinen. Zwischen Himmel und Erde, frei schwebend über marmornem Taufbecken, gelöst von anekdotischem Ballast, wirbelt eine Friedenstaube einen Hauch von Ewigkeit auf, öffnet ein Tor zur Stille. Immer wieder sucht Devilles getriebener Geist in Brunnen, Patios, Paradiesgärten Harmonie und Ordnung. Kirchliche Sponsoren erlauben ihm, monumentale Installationen auszuführen. Seine Professionalität garantiert Substanz plus Inszenierung. Ad hat sich aufgeopfert. Für seine Schule, fürs Patrimonium war er bereit, sich in der Begeisterung selbst aufzulösen. Er haderte, wenn er andere nicht in die Pflicht nehmen konnte. Ihn prägte, was Künstler wohl nie mit Technikern teilen: der Schmerz, Bedrohtes nicht zusammenhalten zu können, ist privat, deren Machenschaften nicht.
Das Kulturerbe des Vaters nimmt nun Tochter Isabelle mit Tonia in die Pflicht. „Femmes dans le paysage“ in der Villa Vauban, „Vin, vigne et mosaïque“ in Wellenstein, Spurensuchen in Umbrien, Arizona bieten sich an als Wegweiser. Kein Katalog kann wiedergeben, welch ansteckende Lebensfreude, wie viel „Hoher Mut“, Weltoffenheit, Gastlichkeit die „Devils“ in die Mauern ihres Hauses haben einfließen lassen. Und deshalb kann es nicht anders sein: Dieses Gesamtkunstwerk in seinem umwallten Bering muss Schifflingen, dem Minett als überzeitliches Zeugnis erhalten bleiben.
Demütig dürfen wir jenen ihrer Freunde danken, die bis zuletzt an der Seite der Familie liebevoll für Mady und Ady präsent waren. Höheres Geschick gewährte dem gastfreundlichen Paar, was einst Philemon und Baucis gegönnt: nie lange ohne den anderen sein.
(Ed Maroldt)
En Artist, deen zaubere konnt
Den Ad wor e Gedriwwenen, deen ounst sech e Moment Rou ze gönnen, versicht huet ze verstoen, wat 2000 Joer Menschheetsgeschicht eis hu wëllen zielen.
Den Ad wor e grousshäerzege Passionéierten, dee seng Begeeschterung mat bescheidene, faarwegen Hänn un eis all verdeelt huet.
Den Ad wor e grousse Kënschtler, e Chercheur, dee seng ganz eege Sprooch vun Zouversiicht a Fridden erschaf huet.
Den Ad wor en Artist, en aussergewéinlechen, deen zaubere konnt, aus dem Näischt eraus an ongefrot. (Michel Clees)
Wie ein brennender Dornbusch
Das Baptisterium in der Kirche von Sanem, ein frühes sakrales Werk von Ady Deville, gibt bereits die Richtung an: Gebrauch wertvoller, edler Materialien und Inwertsetzung vorhandener Objekte, die seit Jahrhunderten ihren Platz im kulturellen Erbe haben. In Sanem ist es ein barockes Taufbecken, in Oberkorn eine spätgotische Kreuzigungsdarstellung, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Aus unscheinbaren Mosaiksteinchen schafft der Künstler Kompositionen, in denen der Übergang vom Figurativen zum Nichtfigurativen fließend wirkt und die Lebensfreude ausstrahlen. Sie sind Zeichen, die wie der brennende Dornbusch im Buch Exodus (3, 2-5) unübersehbar auf eine das Alltägliche überragende, transzendente Wirklichkeit hinweisen. Sie berühren und ergreifen, sie prägen sich dem Betrachter ein und hinterlassen Spuren. (Lex Langini)
Vum Denkmalschützer zum Denkmalschöpfer
Nieft dem groussen Artist, gouf et och den Ady Deville, Affekot vum Architekturpatrimoine. Als Member vun der „Commission des sites et monuments nationaux“ huet hien, mat sengem immense Konscht- a Geschichtswëssen, iwwer Jorzéngten, remarkabel Interventioune gemat an Decisioune bewierkt.
An da gouf et den Ady, dee selwer héchst wäertvolle Patrimoine geschafen huet, sief a reliéisen, ëffentlechen oder private Raim. All déi Wierker si markéiert vun eenzegaarteger Formesprooch, Faarwegkeet an der permanenter Sich no Schéinheet.
E ganz besonnesche Moment an dësem Oeuvre stellt d’Haus zou Schëffleng duer, dat hie mat sénger léiwer Fra Maddy gerett huet. Esou gouf e groussaartegt neit Kapitel fir dat éierbart Gebai opgeschloen, an deem Geschicht a nei Kreatioun wonnerbar zesummekommen. Hei ass den Ady vum Denkmalschützer zum Denkmalschöpfer ginn. (John Voncken)
"Ad und an Mady, geborene Bremer, "
Sie hat ihr ganzes Leben lang Bremer geheißen und nichts anderes, wie wir Damen alle.