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Frühwerk von Pink FloydSaucerful of Secrets begeistern wieder das Atelier – und umgekehrt

Frühwerk von Pink Floyd / Saucerful of Secrets begeistern wieder das Atelier – und umgekehrt
Die Ruhe selbst: Nick Masons Trommeln überzeugt mit Stil und Sound – nicht durch akrobatische Effekthascherei

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Die britische Rocklegende Pink Floyd ist, nach vielen Iterationen, mittlerweile offiziell aufgelöst. Die einzelnen Mitglieder sind aber regelmäßig mit ihren eigenen Bands unterwegs. Jetzt war der Drummer Nick Mason zum zweiten Mal im Atelier – das er und seine Saucerful of Secrets noch bestens in Erinnerung hatten.

Pop und Politik: Neues von Pink Floyd

Auf ihre alten Tage werden die drei lebenden Mitglieder sehr aktiv: Roger Waters (78) tourt bald unter dem Motto „This Is Not A Drill“ durch Amerika. Pläne für Europa gibt es noch nicht. Ansonsten macht er regelmäßig mit kontroversen Engagements auf sich aufmerksam, vor allem für den Boykott Israels.

Auch bei David Gilmour (76) mehren sich wieder Anzeichen, dass sich ein Album nähern könnte, dem üblicherweise auch eine Tour folgt. Während der Pandemie hat er mit seiner Familie jede Menge literarisch-musikalische Soireen aufgenommen.

Ganz offiziell als Pink Floyd (aber eben ohne Roger Waters) wurde vor kurzem mit „Hey, Hey, Rise Up“ ein einzelnes Lied veröffentlicht, dessen Vocals aus einem ukrainischen Volkslied bestehen – gesungen von Andriy Khlyvnyuk, der normalerweise Frontmann der Band Boombox ist, jetzt aber seine Heimat gegen die russische Invasion verteidigt.

 Aus naheliegenden Gründen haben die Saucerful of Secrets rund um den einstigen Pink Floyd-Drummer Nick Mason länger als ursprünglich geplant gebraucht, um zum zweiten Mal im Atelier aufzutreten. Nach zwei Verschiebungen war es am Mittwoch dann aber doch endlich wieder so weit.

Die enorme Wiedersehensfreude war dabei ganz offenbar sowohl vor als auch auf der Bühne vorhanden – und ebenso beidseitig war wohl auch die Frage, ob man ein zweites Mal so mitreißend performen würde wie 2018. Denn da hatte das Publikum, als hätte es sich entsprechend verabredet, den textlosen Gesang im majestätischen Schlussteil von „Saucerful of Secrets“ (diesmal der Name des Songs) mit solcher Inbrunst aus Hunderten Kehlen geschmettert, dass sogar Mason für eine Sekunde fast die stoisch-britische Fassung verlor.

Machen wir es nicht zu spannend: Erst lieferten die fünf Musiker wieder ein prägnantes Set aus teils versponnenen, poppigen Rocksongs über Unterwäschediebe, magische WG-Katzen ab – und kurz vor Schluss lieferte das Publikum.

YouTube-Videos der anderen Auftritte zeigen, dass nirgendwo im Rest der Welt das Publikum auf die (eigentlich naheliegende) Idee gekommen ist, derart hymnisch mitzumachen. Es war also wohl mehr als nur Schmeichelei, als Sänger und Bassist Guy Pratt erklärte, Luxemburg sei schon bei der ersten Tour der absolute Lieblings-Gig gewesen – und es sei unglaubliche Freude, wieder da zu sein.

Keine „Wall“-Songs

Die Setlist

One of these days / Arnold Layne / Fearless / Obscured By Clouds / When You’re In / Candy And A Currant Bun / Vegetable Man / If / Atom Heart Mother / Remember A Day / Set The Controls / Astronomy Domine / Nile Song / Bruning Bridges / Childhood’s End / Lucifer Sam / Echoes / See Emily Play / A Saucerful Of Secrets / Bike

Saucerful of Secrets spielen ausnahmslos die frühen Stücke, die von den beiden anderen Pink-Floyd-Mitgliedern auf ihren Solopfaden stets außer Acht gelassen werden. Auf Classic-Rock-Evergreens wie „Money“, „Wish You Were Here“ oder, um Gottes Willen, „Another Brick In The Wall“ wartet man also vergeblich – beziehungsweise weiß das überwiegend aus treuen Fans bestehende Publikum, was gespielt wird. Dass man beim ehemaligen Gitarristen und Sänger David Gilmour vor allem den schwelgerischen „adult-oriented rock“ in unfassbarem Bombast bekommt. Dass der ungleich politischere Roger Waters keine Gefangenen macht und einem darum nicht nur ebenfalls gigantische Schauwerte gönnt, sondern auch seine düstere Sicht auf den Zustand der Welt eindrücklich vorführt – vom Humanismus beseelt, aber verzweifelnd am wahnsinnigen Abschlachten, das einfach nicht enden will.

Mit zynischem Politrock hat der fröhliche Autonarr und verhinderte Grafikdesigner Nick Mason aber wohl sowieso nie viel am Hut gehabt. Und da klar ist, dass die bei ihm gespielten Nummern auch weniger Anziehungskraft auf Gelegenheitshörer ausüben, hat er die Flucht nach vorn angetreten – beziehungsweise eben in die eher kleiner dimensionierten Veranstaltungsorte.

Das passt aber auch umso besser vor allem zu den ganz frühen Nummern, die manchmal weder auf den offiziellen Alben zu finden sind, noch zu ihrer Entstehungszeit live aufgeführt wurden. Aber die Hardcore-Fans, von denen wohl nicht wenige schön-teure „Early Years“-Boxen im Schrank stehen haben, rasten zu obskurem Nonsens-Pop wie „Scream Thy Last Scream“ ebenso verlässlich aus wie zu bekannteren und ernsthaften Soundcollagen wie „Atom Heart Mother“ oder „Echoes“.

„Echoes“ als Neuzugang

Letzteres hat einst eine ganze Plattenseite lang als Suite den Hörer erst vom Strand in die kalte, dunkle Tiefsee gezogen, um ihn dann, ganz langsam, wieder Richtung Sonne, Luft und Mitmenschen aufsteigen zu lassen, inklusive einer Gitarre, die minutenlang wie Seemöwen kreischt. Saucerful haben den Song neu im Repertoire* – wofür die Fans besonders dankbar sind. Masons ehemaliger Bandkollege David Gilmour hat längst erklärt, ihn nicht mehr ohne den verstorbenen Mitkomponisten und einstigen Floyd-Keyboarder Richard Wright zu spielen – und Roger Waters wird das hippieeske Ding (mit seinem eigenen Text!) wohl sowieso nie mehr anfassen. Weniger Berührungsängste hat da aber Mason, der als einziger Mitglied aller Phasen von Pink Floyd war, und sein Frontmann Guy Pratt, der erst sehr spät Roger Waters für zwei Studioalben und viele Tourdates inoffiziell ersetzt hat, aber in Jahren viel länger dabei war – und der außerdem später Richard Wrights Tochter Gaia ehelichte. 

Sowieso kommt das auf der Bühne im Atelier alles sehr familiär herüber, die Bande dieser Altherrencombo aus Mason, Pratt, Gary Kemp (der einst Spandau Ballet vorstand), Lee Harris als zweitem Gitarristen und dem Keyboarder Dom Beken. Mason hat oft betont, wie sehr er es genießt, nach langen Jahren wieder eine richtige Band zu haben, die auch noch ganz anders ist als der dekadente Pink-Floyd-Zirkus. Mit Reisen im Nightliner statt im Learjet, der zu kleinen, engen Hexenkesseln („Sauna“, nennt er das Atelier einmal) fährt statt zu Stadien und Großraumarenen. Ob er beim Spielen, als jetzt 78-Jähriger, das muss man sich mal vorstellen, ganz im Hier und Jetzt ist, oder nicht doch ständig in der Erinnerung zurückreist in die wilden 60er Jahre, als er mit dem legendären (und tragisch-durchgedrehten) Floyd-Erfinder Syd Barrett erst den Underground von London und dann den Rest der Welt eroberte – das kann man seiner jovialen Miene auch im Atelier nicht wirklich entnehmen.

Was man ihm aber ansieht: Die tiefe Zufriedenheit darüber, dass das alles so gut gelaufen ist – mit dem Leben, der Musik, der alten und der neuen Band – und darüber, dass in Luxemburg alle so schön mitgesungen haben.

*Hier muss ich mich korrigieren (lassen): Neben „Echoes“ waren auch „Candy And A Currant Bun“ und „Burning Brides“ neu im Set. Danke an AndreasG.!