Global ist sie in diesem Jahr umso mehr, da die Kuratoren der documenta aus Indonesien kommen und, wie das Magazin ART notiert, „nicht nur ungewohnte Arbeitsprinzipien aus Indonesien nach Kassel, sondern auch zahlreiche neue Begriffe“ eingeführt haben.
Es ist exotischer in der hessischen Kunstmetropole geworden, doch nicht nur! Stand die documenta stets unter einem progressiv-provokativen Stern, so scheint es aktuell neuartige politische Spannungen zu geben. Es geht von „anti-semitischen“ Tendenzen die Rede, da scheinbar nicht alle eingeladen worden sind, die traditionell auch in Kassel mitmischen könnten. Vor allem unter den Kuratoren gebe es „Antisemiten“ und solche, die die BDS – eine Bewegung, die sich gegen die „israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete wendet und zum Boykott israelischer Produkte aufruft“ – unterstützten, so das Nachrichtenmagazin Spiegel. Man macht sich Sorgen um das Image der traditionsreichen documenta, „eines der wichtigsten Feste zeitgenössischer Kunst“, wie die deutsche Kulturstaatsministerin meint. Kuratoren und Organisatoren wehren sich gegen besagte Vorwürfe, doch die Debatte ist nicht ausgestanden.
documenta stets spannungsvoll
In der Tat, die documenta hat in den fünfziger Jahren den amerikanischen Künstlern zum Durchbruch in Europa verholfen, war in der Folge stets Plattform für Künstler aus aller Welt und ist zum Schauplatz spektakulärer Performances geworden, etwa des deutschen Sonderkünstlers Joseph Beuys. Jahr um Jahr haben eingeladene Kuratoren die documenta und die lokal verfügbaren Schauplätze, Museen, Parks und Einrichtungen zum herrschenden Zeitgeist genutzt und der jeweiligen Ausgabe ihren Stempel aufgedrückt. Dass dabei stets Menschenrechte und in der Nachkriegswelt verstärkt geltende Werte respektiert wurden, ergibt sich von selbst, wobei jedoch – wie in der Kunstwelt üblich – politisch unterschiedliche Positionen, gesellschaftskritische Proteste natürlich mal so, mal anders auf der Tagesordnung standen und mittlere Skandale hervorgerufen haben. In Kassel pflegt man jedoch die Geschichte und erinnert gerne an die unterschiedlichsten Errungenschaften der documenta. Alles gehört zum Patrimonium dieses bedeutenden Kunstfestes. Nun hat man die indonesische Gruppe Ruangrupa 2022 eingeladen. Diese bringt „neue Worte und neue Werte“ ins Spiel, kurzum: Das deutsche und darüber hinaus gesamte „westliche“ Publikum muss noch lernen, mit diesen neuartigen Elementen umzugehen.
Gemeinschaftlich in der Kunst arbeiten
„Lumbung“ ist zum zentralen Begriff dieser documenta geworden. Er bedeutet übersetzt „Reisscheune“ und bezeichnet den Ort, an dem die überschüssige Ernte gelagert wird, um diese von da aus gerecht unter den Dorfbewohnern zu verteilen. Auf die Auseinandersetzung mit Kunst umgelegt, heißt das, man soll sein Wissen, seine Erkenntnisse, seine Arbeitsmethoden oder -räume mit anderen Künstlern teilen, damit gemeinsames Schaffen möglich wird und ein Netzwerk, ein Wirken im Kollektiv entstehen kann. Andere Wortprägungen indonesischer Inspiration begegnen documenta-Besuchern auf Schritt und Tritt, wobei den Kuratoren im Sinne der Gemeinsamkeit beim Kunstschaffen oft das Wort Ekosistem, also ein angepasstes Ökosystem, über die Lippen kommt.
Die Liste fremder Begriffe und Worte ließe sich beliebig fortsetzen. „documenta fifteen“ verspricht Überraschungen und interessante Lernprozesse. Rund 30 Ausstellungsorte umfasst das Fest, sowohl im Zentrum von Kassel als auch an den drei bekannten Ortsteilen, die sich dies- und jenseits der Fulda befinden. Interessierte Besucher tun gut daran, die Webseite der documenta einzusehen – es gilt sowohl Standorte als auch Unterkunftsmöglichkeiten und diverse Spezialangebote samt Regulierungen auszuloten, sowie Tickets vorher online zu buchen. Die Organisatoren versprechen 100 „rauschende Tage“, und wer sich entsprechend vorbereitet, den kann das indonesische Flair in Kassel nur begeistern. Es bleibt Zeit bis zum 25. September.
Mondrian, Richter in Riehen/Basel
Wer den Weg nach Kassel erst in den Sommermonaten Juli-August schafft, der sollte ab jetzt in Basel sowohl der ART, als auch dem Thy Art Salon einen Besuch abstatten, bzw. der Fondation Beyeler zu ihrem 25-jährigen Bestehen gratulieren. Diese feiert ihr Jubiläum mit der Ausstellung „Mondrian Evolution“, ein Rückblick auf die Anfangsjahre des niederländischen Ausnahmekünstlers. 89 Arbeiten aus Sammlungen aus der ganzen Welt sind hier zusammengestellt und werden durch die Schau „Passagen – Landschaft, Figur und Abstraktion“ anhand von 100 Werken ergänzt.
Um das Panorama zu vervollständigen, hat die Stiftung Beyeler dem bedeutenden lebenden Künstler Gerhard Richter zu seinem 90. Geburtstag eine Ausstellung gewidmet. Diese umfasst u.a. „mood“, eine neue Reihe kleinformatiger Bilder von Januar 2022, die das aktuelle Schaffen von Richter dokumentieren. Aufgepasst: Dauert die Mondrian-Schau bis Oktober, so werden die Richter-Expo „mood“ und die „Passagen“-Ausstellung bereits am 14. August beendet. Trotz Ukraine-Krieg, der auf vielen Ebenen zum Umdenken anregt –: Die Kunst ist nicht nur kritischer Begleiter und Kommentator des aktuellen Geschehens, und sei es auch noch so grauenvoll, sie blickt auch immer wieder nach vorn und ermutigt zur Zuversicht!
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