Tageblatt: Welche Bedeutung hat Kunst für Sie und welchen Stellenwert nimmt sie in Ihrem Leben ein?
Ich war von klein auf von Kunst fasziniert und habe immer sehr gerne gemalt. Ich wollte auch Kunst studieren, doch ich ließ es sein, da ich immer wieder von Bekannten zu hören bekam, dass man davon nicht leben kann, es sei denn, man wird Kunstlehrer. Ich machte also eine paramedizinische Ausbildung und studierte Chemie an der Universität – ein Studium, welches ich jedoch abgebrochen habe, da ich damals, durch diverse Umstände, einen mentalen Zusammenbruch erlitt und in eine Depression verfiel. Das war vor vier Jahren und genau der Moment, in dem mich das Kunstvirus so richtig gepackt hat. Kunst wurde für mich zur Therapie. Das kreative Schaffen, das Dynamische am Malen, die Wirkung der Farben und der Motive, kurz: das intime Eintauchen in mein tiefstes Ich und der Ausdruck meiner Emotionen hatten die beruhigende und heilende Wirkung, die ich brauchte. Jetzt geht’s mir wieder gut, aber künstlerisch aktiv zu sein gehört weiter zu meinem Alltag.
Was können Sie uns über das erste der drei Bilder, die Sie hier ausstellen, verraten?
Ich habe es „mind vs. heart“ genannt. Man erkennt ja ein Gehirn und darunter ein Herz, auf farbigem Hintergrund. Das Bild spiegelt meine Geschichte wider: Mein Kopf weiß, dass ich mich nicht mehr zu viel von meinen Gefühlen beeinflussen lassen soll! Und doch sind Empfindungen für mich wichtiger als alles andere. Dieser Balanceakt zwischen Ratio und Emotionen ist das, was mich in den letzten vier Jahren gezeichnet hat. Vielen Leuten geht es so, da dieser Kampf mit sich selbst typisch Mensch ist. Unser Gehirn nimmt die Welt um uns herum wahr und beeinflusst sie oder wird beeinflusst, ebenso die Gesellschaft, in der wir leben und die aus Normen und Gesetzen besteht. Gefühle aber … hier durch das Herz dargestellt … sind der entscheidende Gegenpol, wo Logik überhaupt keine Rolle mehr spielt. Und viel zu oft habe ich Entscheidungen spontan aus dem Herzen getroffen. Die vier Striche, die man auf dem Gemälde erkennt, sind die letzten vier Jahre, in denen ich durch emotionale Höhen und Tiefen gegangen bin. Das Bild stellt zusammengefasst mein Heilungsprozess dar.
Trotz der eher schwermütigen Botschaft Ihrer Bilder, vermitteln sie viel Positivität, Ruhe und gute Laune. Woran liegt das?
Meine Kunst beruht auf philosophischen, ethischen oder gesellschaftskritischen Themen, aber auch auf eigenen Stimmungen wie Trauer oder Angst. Der Betrachter soll aber keine negativen Emotionen verspüren. Ich versuche etwas Schönes und Bereicherndes aus schwierigen Themen oder Gefühlszuständen zu schaffen. Somit wird der Betrachter auch zum Denken angeregt. Der Hintergrund, der meistens sehr farbig ist, strahlt Freude aus oder zumindest die Gefühlsregung, die jeder Farbe zugrunde liegt: blau steht für Trauer, rot für Leidenschaft, violett für Eleganz. Ich mag einfache Piktogramme und Symbole, da ich die Ausdrucksfreiheit und Einfachheit von Kinderzeichnungen und Malereien von Höhlenmenschen bewundere. Viel zu oft betrachten wir die Kinderzeichnung nur oberflächlich. Dabei steckt Tiefgründiges drin und bedeutsame Gedanken, welche Erwachsene oft nicht ernst nehmen.
Meine simplen Zeichnungen, die über dem farbigen Hintergrund entstehen, sind immer weiß, da sie eine Art Leichtigkeit und Reinheit ausdrücken sollen. So auch die angereihten X-Zeichen, die in all meinen Werken zu erkennen sind. Sie erstrecken sich wie der Weg einer Schatzkarte über die ganze Fläche.
Wieso führt der Schatzkartenweg zu keinem Schatz?
Weil für die Menschen die Suche zu ihrem Schatz, d.h. zum eigenen Glück, nie endet. Weil sie nie zufrieden sind mit dem, was sie erreicht haben. Menschen sind getriebene Wesen und merken nicht, dass sie glücklich sein sollen mit dem, was sie haben und was die Natur ihnen bietet. Immer glauben sie, etwas zu verpassen.
Einige meiner Bilder beschäftigen sich z.B. mit dem Thema der Konsumgesellschaft, in der wir leben. Andere, so wie das dritte Bild hier in der Ausstellung, mit dem Thema Eskapismus. Die Frage, der ich nachgehe, ist die, ob Menschen die Realität hassen und deshalb immer einen Weg suchen, um ihr zu entkommen. Der Mensch ist durch seine Intelligenz in der Lage zu sehen, dass der Tod unausweichlich ist. Er sieht auch die Sinnlosigkeit des Leidens. Deshalb flüchtet er gerne aus der Realität, baut Scheinwelten auf, sucht nach mehr, meistens auf Kosten der Mitmenschen, der Umwelt, der eigenen mentalen und körperlichen Gesundheit.
Der Astronaut auf dem Bild stellt einerseits diese Flucht dar – er verlässt die Erde, um den Kosmos zu erkunden –, andererseits hat er aber einen speziellen Blick auf Mutter Erde und das unsinnige Treiben der Bewohner dieses schönen Planeten. Die Hintergrundfarben sind kalt, um das objektive Betrachten des Astronauten und den Weltall darzustellen.
Der Mensch ist durch seine Intelligenz in der Lage zu sehen, dass der Tod unausweichlich ist. Er sieht auch die Sinnlosigkeit des Leidens. Deshalb flüchtet er gerne aus der Realität, baut Scheinwelten auf, sucht nach mehr, meistens auf Kosten der Mitmenschen, der Umwelt, der eigenen mentalen und körperlichen Gesundheit.
Sie beherrschen auch ein anderes Stil-Genre und malen großflächige Blumen, durch die Sie Frust und Melancholie so richtig loswerden und inneres Wohlbefinden wieder erlangen. Sind die Blumen metaphorisch zu interpretieren?
Ja. Aber eigentlich sind es keine richtigen Blumen. Es sind abstrakt verlaufende Blüten, die bluten und die durch ihren kräftigen Schwung und ihre Farben eine Explosion von Gefühlen auslösen, die mich zwar in Trauer versetzen, aus der ich dann aber ausgeglichen wieder auftauche. Mein erstes Bild malte ich in diesem Genre und es hängt noch bei meinen Eltern. Es verkörpert meine Fragilität. Viele andere Werke habe ich mittlerweile verkauft, denn nachdem ich sie auf Instagram geposted hatte, merkte ich, dass sie den Leuten gefielen und ich bekam immer mehr Follower und Bestellungen. Das war eine erfreuliche Überraschung und motivierte mich, mit meiner Kunst weiterzumachen.
Bevor wir über weitere Projekte reden, gehen wir noch kurz auf das 3. Bild dieser Ausstellung ein. Heißt es „The Kiss“?
Ja, genau. Sie sehen zwei Verliebte, die sich küssen, und die Hintergrundfarben sind in den rötlichen Tönen, um Leidenschaft auszudrücken. Die dunkleren Farben stellen einen Rahmen dar, der ihre Liebe auffängt und ein Herz stilisiert. Der französische Bildhauer Ives Pires hat mich zu dieser eleganten Pose der beiden Verliebten inspiriert und ich wollte die Bedeutung des Kusses hervorheben, universal gesehen, so wie die Römer ihn schon damals interpretiert hatten, aber auch autobiographisch, weil Liebe eine große Rolle in meinem Leben spielt. Für die Römer symbolisierte der Kuss ein „Sich-Aufmachen für den Anderen“ und durchlief drei Etappen: ein schlichter Kuss auf die Wange, ein romantischer Kuss auf die Lippen, ein erotischer Kuss mit offenem Mund. Im Laufe des Lebens begegnet man ja vielen Menschen, die man mehr oder weniger an sich heranlässt oder denen man sich „öffnet“. Der Kuss symbolisiert die Tiefe der Gefühle zueinander. Während der Pandemie haben wir alle lernen müssen, ganz anders mit Begrüßungen und Liebesbekundungen umzugehen.
Was schätzen Sie an kollektiven Ausstellungen wie dieser?
Sie sind sehr inspirierend und man kann immer auf die guten Ratschläge von Organisatoren und erfahrenen Künstlerkollegen zählen. Meine erste Ausstellung „Ren-Art“ in Peppingen im Januar war sehr bereichernd und hat neue Türen geöffnet. Seitdem habe ich im Melusina beim „Artsy Apéro“ mit Tom Faber und UNO teilgenommen, ich leite jedes zweite Wochenende Kinderworkshops in den „Rotondes“ und bereite ein Projekt im Rahmen von Esch2022 vor. Mehr kann ich jetzt nicht verraten, aber ich freue mich auf alles, was schon vorgesehen ist und noch kommen wird.
Zum Abschluss unseres Gesprächs vielleicht noch ein Tipp?
Ja. „Mental Health“ ist so wichtig! Man soll auf seine Mitmenschen achtgeben, seine eigene Ausgeglichenheit hegen und pflegen und nicht alles als selbstverständlich nehmen. Das ist auch die Message meiner Kunst.
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