Richard Strauss’ „Metamorphosen“ sind eine Trauermusik und verarbeiten die Empfindungen des greisen Komponisten kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs und am Ende seines Lebens. Die Grundstimmung ist düster, das Werk ist in ständiger Verwandlung, ohne sich allerdings je von dieser großen Traurigkeit lösen zu können. Die „Metamorphosen“ sind für 23 Streicher komponiert und zeigen als wohl letztes bedeutendes spätromantisches Werk den Übergang zu einer neuen, freitonalen Musik.
Es mag diese tiefe Trauer gewesen sein, diese Hoffnungslosigkeit des Komponisten angesichts der Zerstörung „seiner“ Städte Dresden, Weimar und München, die Sir Simon Rattle und das Chamber Orchestra of Europe bewogen haben, dem Werk jenen typischen straussschen Streicherglanz zu nehmen; die Metamorphosen erklangen daher etwas spröde und trocken, was meines Erachtens zwar legitim ist, der Musik aber nicht unbedingt gerecht wird. Die Interpretation geriet demnach etwas konstruiert und ließ es an silbrigem Streicherklang mangeln.
Ganz anders dann das Hauptwerk des Abends, nämlich Gustav Mahlers „Lied von der Erde“, das der Komponist 1908 in einer Zeit schwerer Schicksalsschläge komponiert hat. Mahlers Tochter war im Alter von vier Jahren an Diphtherie gestorben, bei ihm selbst wurde eine schwere Herzkrankheit diagnostiziert, die einige Jahre später zu seinem Tod führen sollte; zudem wurde er nach einer Hetzkampagne seines Postens als Direktor der Wiener Hofoper enthoben.
Lied von der Erde in der Fassung für kleines Orchester
Sir Simon Rattle gilt heute als einer der wichtigsten Mahler-Interpreten und dass er selbst immer noch auf der Suche nach neuen Wahrheiten ist, das zeigte sein Entschluss, an diesem Abend die Fassung von Glen Cortese für kleines Orchester zur Aufführung zu bringen. Im Programmheft wurde das Werk fälschlicherweise als Fassung für Streichorchester angekündigt. Unter einem kleinen Orchester ist ein ungefähr 60 Mann starkes Ensemble zu verstehen, also größer als ein Kammerorchester, aber etwas kleiner als ein normales klassisches Symphonieorchester.
Dennoch entpuppte sich diese Fassung als sehr interessant, zumal die Musik dadurch andere Schwerpunkte fand. Die Streicher traten hinter den anderen Instrumentengruppen zurück und insbesondere den hier überragenden Holzbläsern fiel eine wichtige Partie der Klanggestaltung zu. Rattle dirigierte das Werk dann auch mit sicherem Gespür für diese neue Balance und entlockte dem motiviert aufspielenden Chamber Orchestra of Europe wunderbare Klänge.
Vor allem die Lieder Nr. 2, 3 und 4 profitierten enorm von Corteses Bearbeitung, aber auch der geniale Abschied ließ den Zuhörer Momente intensiver Expressivität neu erleben. Der Vortrag des eher lyrischen Tenors Andrew Staples kam sehr gut zur Geltung, da er eben nicht gegen einen riesigen Orchesterapparat ansingen musste. So konnte er schön und differenziert phrasieren und hatte in der exponierten Höhe immer genug Strahlkraft. Magdalena Kozena begeisterte mit ihrer intensiven, im Abschied quasi bis zur stimmlichen und musikalischen Auflösung geführten Interpretation, die keine Wünsche offen ließ. Aber auch ihre beiden anderen Lieder „Der Einsame im Herbst“ und „Von der Schönheit“ wusste sie mit Nuancenreichtum, wohlklinger Mezzo-Stimme und einer stimmigen Interpretation aufzuwerten.
Hervorragender Monteverdi Choir
Begräbnismusiken von Heinrich Schütz, Johann Hermann Schein und Johann Sebastian Bach standen im Mittelpunkt des von Sir John Eliot Gardiner dirigierten Konzerts mit dem Monteverdi Choir und den kleinbesetzten English Baroque Soloists. Diese besonderen barocken Kostbarkeiten (von Silke Leopold im Programmheft informativ und verständlich erklärt) erklangen dann auch in perfekten Interpretationen, wobei man über die sensationellen Darbietungen des Monteverdi Choir nur staunen konnte.
Einen derart präzisen, feinen und homogenen Chorgesang habe ich in diesem Repertoire nur ganz selten erlebt. Sir John Eliot Gardiner gehört für mich zu den eher konservativen Dirigenten der historischen Aufführungspraxis und ist immer um einen nuancenreichen und schönen Gesamtklang bemüht, ganz im Gegensatz zu Dirigenten wie Hengelbrock, Christie oder früher Harnoncourt, bei denen es schon mal sehr wild zugehen darf. Daher kommt Gardiner in diesem Repertoire sehr oft an die Grenzen zur Langeweile, wie ich es vor 20 Jahren mit dessen Bach-Kantaten-Projekt erlebt habe. Heute aber vermochte uns der Dirigent mit seiner edlen Leitung vollends zu überzeugen, genauso wie die aus dem Chor heraus besetzten Soli. Jubelnden Applaus zum Schluss gab es bei beiden Konzerten.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können