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EditorialDas Einstimmigkeitsprinzip in der EU gehört abgeschafft

Editorial / Das Einstimmigkeitsprinzip in der EU gehört abgeschafft
Er sei keine „Marionette Putins“, meinte der ungarische Regierungschef Viktor Orban am vergangenen Montag in Brüssel, das seien „fake news“ Foto: AFP/Kenzo Tribouillard

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Diese Woche hat sich wieder einmal gezeigt, wie schwer der Klotz des Einstimmigkeitsprinzips bei außenpolitischen Entscheidungen in der Europäischen Union wiegen kann. Dass der ungarische Regierungschef Viktor Orban der verlässlichste Mann von Kremlchef Wladimir Putin bei den Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs ist, dürfte mittlerweile unbestritten sein. Auch wenn der Ungar eine entsprechende Frage, ob er eine „Marionette Putins“ sei, am vergangenen Montag beim Eintreffen im Brüsseler Ratsgebäude als „fake news“ abtat.

Orbans Blockade-Haltung gegen das EU-Embargo auf russisches Erdöl war jedoch nur ein vorläufiger Höhepunkt in seinen Bemühungen, den außenpolitischen Kurs der EU gegenüber den Kriegstreibern in Moskau zu konterkarieren. Erinnert sei etwa daran, dass Ungarn von Kriegsbeginn an ausschloss, der angegriffenen Ukraine militärische Hilfe über sein Territorium zukommen zu lassen. Die Weigerung, sich am Ölembargo zu beteiligen, konnte noch in einem gewissen Maße nachvollzogen werden. Denn Ungarn bezieht den größten Teil seines Ölbedarfs aus Russland, es stellt sich daher die Frage der Versorgungssicherheit. Anders als die ebenfalls von diesen Lieferungen abhängigen EU-Staaten Tschechien und Slowakei, sowie in geringerem Maße Deutschland und Polen, macht Budapest jedoch keine Anstalten, sich nach alternativen Bezugsquellen umzusehen, um sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen. Im Gegenteil: Orban besteht auf dem russischen Öl. Denn es ist billig und bringt dem ungarischen Mineralöl-Konzern Mol derzeit satte Gewinne, wie unser Korrespondent Thomas Roser diese Woche trefflich darlegte.

Einen vorläufig letzten Gefallen tat Orban seinem Gesinnungsgenossen in Moskau diese Woche, als er den Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche, Kirill I., von der EU-Sanktionsliste streichen ließ. Auch wiederum mit der Drohung, das gesamte Sanktionspaket andernfalls zu blockieren. Der Kirchenmann – Berichten zufolge ein Putin-Fan und Profiteur dessen Regimes, ausgewiesener Kriegstreiber und daher selbst in seinen Reihen umstritten – verdient es offenbar in den Augen des ungarischen Regierungschefs, von EU-Sanktionen verschont zu bleiben. Wobei sich die spekulative Vermutung aufdrängt, ob der Kreml seinen Patriarchen möglicherweise als Strohmann braucht, um über diesen weiterhin internationale Finanzgeschäfte abzuwickeln?

Wie dem auch sei: Orban hat es vermieden, im Angesicht der anderen Staats- und Regierungschefs seine Forderung beim Gipfeltreffen selbst vorzubringen und überließ das seinem EU-Botschafter. Doch wieder einmal konnte sich der Ungar dank des Einstimmigkeitsprinzips und sehr zum Ärger der anderen 26 EU-Staaten durchsetzen. Dabei hatte Budapest, auch das gehört zur Geschichte dazu, in den vergangenen Wochen den Preis für seine Zustimmung zu den Sanktionen ziemlich hoch angesetzt: 15 bis 18 Milliarden Euro hatte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó für die Umstellungskosten nach einem Verzicht auf Putins Öl veranschlagt, die Brüssel zu zahlen hätte. Offenbar reichen dazu jetzt einige Hundert Millionen Euro für den Ausbau einer Pipeline durch Kroatien.

Es ist daher an der Zeit, das Erpressungspotenzial, das im Einstimmigkeitsprinzip verankert ist, aufzubrechen. So wie Putins Krieg in der Ukraine dazu geführt hat, dass Schweden und Finnland ihre Neutralität überdacht haben und einen NATO-Beitritt anstreben, sollten die Erpressungsversuche Orbans zum Anlass genommen werden, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Außenpolitik abzuschaffen. Der Ungar hat gezeigt, dass es gegen die Interessen der EU eingesetzt werden kann. Das schadet nicht nur der Union, sondern kann unter Umständen auch gefährlich werden.

Vladi
6. Juni 2022 - 9.45

@ Gist
Richteg déi ganz "Osterweiterung" war, ass a bleiwt Schéiss.

Viva
6. Juni 2022 - 9.01

Firwaat dann nëtt déi ganz EU ofschaafen,
ëtt brengt dach schons laang dreimol neischt,
just fir deenen Bonzen hier Privilegien ass gesuergt.
Lamentabel politisches Gedeessems.

jung.luc.lux@hotmail.com
5. Juni 2022 - 20.34

Zu 6 oder 9 huet Europa nach finktioneiert. Haut mat den Ex-Ostblockfritzen geet net mei vill. Fir sie ass Europa eng Mellechkou fir ze streichen. Dest Europa soll apaken.

gist
5. Juni 2022 - 12.06

dat huet EU dervun all di Ex-Ostblockstaten zu egal welchen Konditiounen opgehol ze hun. woar jo viiraus ze gesinn.
Mee et woar jo méi wichteg déi Länner den russegen Afloss ze enttzéien.

JJ
5. Juni 2022 - 8.56

Bravo,endlich. Einstimmige Beschlüsse sind so selten wie schwarze Schneemänner. Die Durchschlagskraft einer UNO z.B. ist ja legendär.Da gibt es immer einen Chinesen oder einen Russen der dagegen ist.Aus Prinzip.
Sowieso kommt es einem vor als würden etliche "neue" EU-Länder hauptsächlich gerne nehmen statt auch einmal etwas beizutragen.

viviane
4. Juni 2022 - 20.40

Genee. Benelux muss Däitschland a Frankräich iwwerstëmme kënnen.