Zahlreiche Studien haben versucht, den Zusammenhang zwischen gestörten Ökosystemen und der Gesundheit des Menschen zu verstehen. So belegt eine aktuelle Untersuchung von 6.800 Ökosystemen auf sechs Kontinenten, dass Abholzung und das Artensterben die Gefahr von Pandemien erhöhen. Die Beschädigung von Ökosystemen führt oft zu Wasserverschmutzung und schafft Brutstätten für Infektionskrankheiten. Und geschädigte Böden senken nicht nur die Produktivität der Landwirtschaft, sondern werden auch mit Krankheiten und einer erhöhten Sterblichkeit in Verbindung gebracht.
Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Entstehung und Verbreitung von Zoonosen wie Covid-19 und der Gesundheit von Ökosystemen. Rund 75 Prozent aller neu auftretenden Infektionskrankheiten sind Zoonosen und wurden durch den Raubbau an natürlichen Ressourcen, die Massentierhaltung und andere großflächige menschengemachte Faktoren verursacht.
Schwächung des Immunsystems
Die Verschlechterung vieler Ökosysteme in den letzten Jahrzehnten hat zur Schwächung des menschlichen Immunsystems und einer Zunahme von Allergien geführt. Die Folgen beschränken sich aber nicht nur auf die körperliche Gesundheit. Auch psychische Erkrankungen, wie Klimaangst oder die durch die Verschlechterung viele Ökosysteme ausgelöste Angst vor Umweltkatastrophen, treten immer häufiger auf.
Die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume bietet dagegen die Chance, die Folgen des Klimawandels abzumildern, die globale Belastung durch chronische Krankheiten zu senken und Gesundheit und Wohlergehen vieler Menschen zu verbessern. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass die Sanierung von Böden und die Wiederansiedlung heimischer Pflanzen die körperlichen und psychologischen Auswirkungen bestimmter Krankheiten abmildern können. In einem anderen Fall hat die Renaturierung eines urbanen Flusslaufs im nordwestlichen England das psychische Wohlbefinden der Anwohner verbessert.
Wie Forschungsdaten zeigen, können gesunde Lebensräume die Menschen vor extremen Klimaauswirkungen und den dadurch entstehenden Problemen für die öffentliche Gesundheit schützen. Und die Verwendung alternativer Brennstoffe wie Biogas in moderneren Öfen senkt den Brennholzbedarf, verhindert die Übernutzung von Wäldern und verbessert nachweislich die Gesundheit der Atemwege und die Ernährungsgewohnheiten.
Die Wiederherstellung von Ökosystemen bringt eine hohe wirtschaftliche Rendite, die angesichts der von der Pandemie verschärften Gesundheitskosten und hohen Krankheitsbelastung heute deutlicher hervortritt als je zuvor. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind die globalen Gesundheitsausgaben zwischen 2000 und 2018 auf 8,3 Billionen US-Dollar oder 10 Prozent des weltweiten BIP gestiegen.
Umwelt, Medizin und Nachhaltigkeit
Einige prominente internationale Initiativen versuchen bereits, durch die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume etwas für unseren Planeten und unsere Gesundheit zu tun. Die UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen, die von 2021 bis 2020 läuft, und das Programm für Landdegradationsneutralität der Wüstenkonvention der Vereinten Nationen führen den Unterzeichnerstaaten die zentrale Bedeutung gesunder Ökosysteme vor Augen. Auch die Initiative #HealthyRecovery, die von über 4.500 Gesundheitsexperten aus 90 Ländern unterzeichnet wurde, fordert die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten auf, im Rahmen ihrer Konjunkturpakete nach der Pandemie auch Projekte zu finanzieren, die der Wiederherstellung von Ökosystemen dienen.
Um die enge Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur zu beschreiben, haben Forschende in den letzten Jahrzehnten verschiedene Modelle entwickelt, wie das Mandala der Gesundheit, das Rad der menschlichen Grundbedürfnisse und ganz aktuell das Konzept „Eine Gesundheit“. Was wir jetzt noch brauchen, ist ein einheitlicher Rahmen, der die Synergien zwischen Naturschutz und der menschlichen Gesundheit maximiert. Jede Maßnahme, die eines dieser Ziele verfolgt, sollte immer auch das andere berücksichtigen.
Deshalb müssen wir ökologische Degradation neu definieren, ihre weitreichenden Folgen für die menschliche Gesundheit untersuchen und verstehen, dass sich diese Folgen ohne strukturierte, an den Kontext angepasste Pläne für die Wiederherstellung von Ökosystemen nicht angemessen bekämpfen lassen. Dafür muss die fachübergreifende Zusammenarbeit von Forschenden und Fachleuten in den Bereichen Umwelt, Medizin und Nachhaltigkeit institutionalisiert und auf breiter Front umgesetzt werden.
Dies kann nur gelingen, wenn diejenigen, die an zentraler Stelle für die öffentliche Gesundheit bzw. die Wiederherstellung von Ökosystemen zuständig sind, sich diese Idee zu eigen machen und Allianzen bilden. In Indien gibt es bereits ein Pilotprojekt, in dem Regierungsvertreter, Forschende und lokale Partner und Expertinnen in einer interdisziplinären Initiative versuchen, zoonotische Krankheiten besser zu kontrollieren. Solche Projekte sammeln wertvolle Erfahrungen für ähnliche Kooperationsinitiativen in aller Welt.
Die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume ist ein einfacher und klar umrissener Weg zur Minderung der globalen Krankheitsbelastung und Verbesserung der öffentlichen Gesundheit. Während der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen sollte die Politik alles tun, um inklusive und interdisziplinäre Initiativen zu fördern, die den Wert gesunder Ökosysteme für die Gesellschaften und die körperliche und psychische Gesundheit von Menschen weltweit zeigt. Wir schulden es uns selbst und unserem Planeten, zumindest einige der von uns verursachten Schäden wieder zu beheben.
*Anuja Malhotra ist politische Analystin am Zentrum für Politikgestaltung des Ashoka Trust for Research in Ecology & the Environment (ATREE). Abi Vanak ist Honorarprofessor an der Universität von KwaZulu-Natal, Durban, und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Biodiversität und Naturschutz des Ashoka Trust for Research in Ecology & the Environment (ATREE).
Copyright: Project Syndicate, 2022. www.project-syndicate.org
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