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Serbiens Lady GagaKonstrakta sorgt noch vor der Eurovision für Aufsehen

Serbiens Lady Gaga / Konstrakta sorgt noch vor der Eurovision für Aufsehen
Ana „Konstrakta“ Djuric Foto: Facebook/Ana Konstrakta Djuric

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Kein Balkan-Goldkehlchen mit Liebesschnulzen in zu knapper Kleidung, sondern eine studierte Architektin und Mutter mit tiefsinnigen Botschaften: Die serbische Sängerin „Konstrakta“ sorgt mit ihrer Performance „In Corpore Sano“ schon vor dem Turiner Eurovision Song Contest für Aufsehen.

Noch vor zwei Monaten war die Sängerin Ana Djuric „Konstrakta“ außerhalb der serbischen Landesgrenzen allenfalls den Liebhabern der alternativen Musikszene in den Staaten der sogenannten „Jugosphäre“ bekannt. Nun wird die 43-Jährige nicht nur in den ex-jugoslawischen Staaten als „Serbiens Lady Gaga“ gefeiert: Die Zahl der Youtube-Klicks für ihren Eurovision-Beitrag „In Corpore Sano“ hat mit mehr als 16 Millionen Serbiens Bevölkerung in wenigen Wochen bereits um mehr als das Doppelte übertroffen.

Eigentlich hatte sich die frühere Sängerin von Belgrader Indiepop-Bands wie MistakeMistake oder Zemlja Gruva von ihrem Auftritt bei der serbischen Vorausscheidung für den Eurovision-Wettbewerb in Turin nur etwas Werbung für ihr neues „Triptih“ (Triptychon)-Video erhofft: Die aus drei Songs bestehende Filmperformance nimmt hintergründig soziale Normen wie das Ideal der ewigen Jugend, das Tabu des Alterns, den Schönheits- und Gesundheitswahn oder die Hatz nach Geld, Macht und Prestige aufs Korn.

Als „Lied, das nicht geschrieben wurde, um dem Eurovision-Publikum zu gefallen“, umschreibt die Belgrader Zeitung Danas den Beitrag „In Corpore Sano“. Bei der serbischen Vorentscheidung im März wurde der Sprechgesang überraschenderweise dennoch sowohl von der Fachjury als auch dem Publikum einstimmig zum klaren Sieger gekürt.

Kein Balkan-Goldkehlchen mit Liebesschnulzen in zu knapper Kleidung, sondern eine studierte Architektin und Mutter mit tiefsinnigen, von ihr selbst verfassten Botschaften: Statt mit wiegenden Hüften fragt sich Konstrakta im Sitzen und in weißer Mediziner-Kleidung, was das „Geheimnis hinter dem gesunden Haar von Meghan Markle“ sei.

Ständig in einem Waschzuber ihre Hände waschend, philosophiert die Sängerin mit dem Handtuch über der Schulter über den Zusammenhang zwischen dunklen Augenringen und Leberproblemen, Hauptflecken und einer vergrößerten Milz. Gott habe ihr die Gesundheit gegeben, „aber ich habe keine Krankenversicherung“, so Konstrakta, die über kranke, traurige und verzweifelte Seelen in gesunden Körpern singt.

Der hypnotische Refrain „die Künstlerin muss gesund sein, gesund sein, gesund sein“ scheint zu Corona-Zeiten zumindest das Lebensgefühl ihrer Landsleute zu treffen. Doch so richtig vermag sich die Sängerin und Komponistin ihren ebenso plötzlichen wie späten Karriereerfolg auch nicht zu erklären. „Bild und Ton“ hätten beim Belgrader Eurovision-Vorentscheid einfach gepasst: „Im Publikum machte es klick und danach ging es von alleine.“

Die ausführlichen, in der Presse der Region veröffentlichten Analysen ihrer Texte übertrifft deren Länge mittlerweile bei weitem. Manche Musikkritiker fühlen sich bei ihrer Handwasch-Performance an Balkan-Politiker erinnert, die ihre Hände gerne ständig in Unschuld waschen. Andere wittern in ihrem Song eine harsche Kritik an den Zuständen des Gesundheitssystems, an der „kranken“ Gesellschaft oder an der schlechten sozialen Absicherung freier Künstler. Die Texte ihrer Lieder hätten „viele Schichten“ und „eine Million Unterthemen“, sagt die Sängerin selbst: „Jeder sollte sich selbst auswählen, was er heraushören mag.“

Ihre überraschende Kür zu Serbiens Eurovision-Hoffnungsträgerin hat der Interpretin in den letzten Wochen umjubelte Auslandsauftritte von Israel bis Kroatien beschert. Heimische Buchmacher schreiben Konstrakta hinter den Favoriten aus der Ukraine und Italien mittlerweile gar wachsende Außenseiter-Chancen zu. Doch für einen Überraschungserfolg bei Europas Schnulzen-Wettbewerb wirkt ihr Beitrag einfach zu unorthodox. Siegesambitionen scheint Konstrakta selbst auch keine zu hegen. Sie freut sich vor allem über ihren bisherigen Erfolg: „Das zeigt, dass es die Kapazität zum Hören gibt.“