Mit Carl Nielsens Violinkonzert stand ein wirkliches Außenseiterstück auf dem Programm, das trotz seiner Meriten nie so recht seinen Platz im gängigen Repertoire gefunden hat. In der Tat erweist sich Nielsen Konzert als recht sperrig, die Melodien wollen sich nicht so recht entwickeln und die beiden Teile sind eigentlich recht unterschiedlich vom Stil her. Da zeigt sich Nielsen im ersten Teil noch recht traditionsgebunden, während er dann im zweiten auf einmal sehr modern wird. Für mich ist dieses Konzert ein Werk des Übergangs, durchaus interessant zu hören, aber nie wirklich packend.
Baiba Skride holte ein Maximum an Expressivität aus der Musik heraus, blieb in ihrem Spiel aber immer der „Modernität“ und der Architektur der Musik verbunden. Stilsicher und mit einer stupenden Technik wusste sie das Werk bis ins kleinste Detail auszuloten, wobei sie immer in Augenkontakt mit dem Dirigenten und z.T. auch mit den Orchestermusikern blieb.
Statt einer Zugabe gab es in der Pause dann Autogramme am CD-Stand. Fast noch interessanter als Skrides makellose Interpretation erschien mir die Arbeit des Dirigenten Dima Slobodeniouk, der das Werk sehr gründlich studiert hatte und es dem Publikum quasi schichtweise offenlegte. Wunderbar, wie er die Strukturen herausarbeitete, unaufgeregt, souverän und sehr musikantisch.
Vor allem wusste er das Potenzial des Orchesters voll zu nutzen, sodass das Publikum an einer erstklassigen Interpretation teilhaben konnte. Besser wurde es dann noch bei Sibelius, dessen Musik einfach dankbarer ist. Auf dem Programm standen mit der 6. und 7. seine beiden letzten Symphonien, die Slobodeniouk sofort hintereinander und ohne Pause spielen ließ.
Den dreidimensionalen Sound, den sich das OPL mit Gustavo Gimeno erarbeitet hat, wusste der Dirigent bestens in Szene zu setzen und schuf ein sehr räumliches, offenes Klangbild, in dem die Musik atmen und sich wiederum schichtweise entwickeln konnte. Wir erlebten keinen Sibelius als Block, sondern einen, der schwebend, quasi transzendent daherkam und durch seine melodische Schönheit, die überall hinzuströmen schien, kaum greifbar zu sein schien. Natürlich vermochte Slobodeniouk auch Akzente zu setzte, aber alles, was er tat, wie er den Klang in Szene setzte, war wohlüberlegt und immer im Geiste von Sibelius’ Musik.
Rheingold konzertant
Von den finnischen Wäldern ging es dann zu den Tiefen des Rheins, nämlich zu Richard Wagners Das Rheingold am 30. April im Festspielhaus Baden-Baden. Ehe der neue Met-Chef Yannick Nézet-Séguin mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks am 13. Mai in Luxemburg gastiert (auf keinen Fall verpassen!!), ist der vielgefragte Dirigent mit seinem Rotterdam Philharmonic Orchestra auf Tour.
In Baden-Baden stand eine konzertante Aufführung von Wagners Rheingold auf dem Programm, das den hochtalentierten Dirigenten als Klangmagier und hochkarätigen Wagner-Interpreten zeigte, dessen langsame Tempi an die seines Vorgängers James Levine heranreichten. Zwei Stunden und vierzig Minuten dauerte die Oper und es gab keinen Moment Langeweile.
Immer wieder verzauberte uns Nézet-Séguin mit wundervollen Ring-Klängen und einem auf Hochtouren spielenden Rotterdam Philharmonic Orchestra. Die Besetzung war exquisit: Michael Volle (Wotan), Gerhard Siegel (Loge) und Samuel Youn (Alberich) standen an der Spitze eines Top-Ensembles, dass auf allerhöchstem Niveau sang und agierte. Sekundiert wurden sie von Jamie Barton (Fricka), Christiane Karg (Freia), Wiebke Lehmkuhl (Erda), Stephen Milling (Fasolt), Mikhail Petrenko (Fafner), Thomas Ebenstein (Mime) Thomas Lehman (Donner) und dem Überraschungssänger des Abends Issachah Savage, der die kurze Rolle des Froh mit heldentenoraler Stimme und lyrischen Gesang ausfüllte.
Exzellent auch die Rheintöchter von Erika Baikoff, Iris van Wijnen und Maria Barakova. Selbst in Bayreuth ist es heute schwierig, so ein ausgeglichenes und hochkarätiges Ensemble zusammenzubekommen. Eine musikalische Sternstunde in Sachen Wagner!
Standing Ovations für Rolando
Rolando Villazon entführte uns dann am vergangenen Dienstag in die Zauberwelt des Elfenreichs. Felix Mendelssohn-Bartholdys Ein Sommernachtstraum war die zentrale Achse, um die sich die Figuren von William Shakespeare drehten. In seinem rund 100 Minuten dauernden Programm „Rolando raconte …“ erklangen neben Auszügen aus Mendelssohns Sommernachtstraum das Lied „Come away death“ aus These Motley Fools von Iain Bel (*1980), Ouvertüre sowie die Arie „Se Romeo t‘uccise un figlio“ und das Duett „Stolto! A un sol mio grido“ aus Bellinis Oper I Capuleti et Montecchi“, Verdis Vorspiel und Arie des MacDuff „Ah, La paterna mano“ aus Macbeth, die Rolando Villazon allen Opfern des Ukraine-Krieges widmete, Charles Gounods „Que fais-tu, blanche tourterelle“ aus Roméo et Juliette, sowie zum Abschluss das große Schlussduett aus Rossinis Oper Otello.
Villazon befand sich an diesem Abend sängerisch in Hochform, wenngleich ihm das Lied von Bell am Anfang nicht so recht geriet. Er wiederholte es weitaus besser gesungen dann als Zugabe. Ihm zur Seite stand die russische Mezzosopranistin Margarita Gritsova, die durch ihre wunderbare Stimme in jeder Hinsicht begeisterte. Sie war zudem kurzfristig für die erkrankte Emily D’Angelo eingesprungen. Das OPL wurde sehr dynamisch von Roberto Gonzalez-Monjas geleitet, der vor allem auf Effekte und weniger auf feines Musizieren achtete. Die OPL-Musiker durften dann so richtig ran und begeisterten mit tollem, wenn auch wenig differenziertem Spiel. Aber es sollte ja vor allem ein unterhaltsamer Abend werden. Das Publikum dankte es den Künstlern mit Standing Ovations.
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