„Insgesamt haben die konjunkturellen Risiken erheblich zugenommen“, sagte IWF-Ökonom Pierre-Oliver Gourinchas zu Wochenbeginn. Die Weltwirtschaft habe sich vor dem russischen Angriff auf die Ukraine noch nicht richtig von der Coronavirus-Pandemie erholt. Vor allem in Europa rechnet der IWF nun mit geringeren Wachstumsraten sowie schweren Rezessionen in Russland und der Ukraine. Der Krieg dürfte auch die ohnehin schon hohe Inflation länger anheizen.
Die Weltwirtschaft wird laut IWF 2022 und 2023 um jeweils 3,6 Prozent zulegen. 2021 waren es 6,1 Prozent. Gegenüber den Schätzungen im Januar hat der IWF seine Prognose für 2022 um 0,8 Punkte gesenkt, für 2023 um 0,2 Zähler. Im Corona-Jahr 2020 war die Weltwirtschaft um 3,3 Prozent eingebrochen.
Russlands Wirtschaft dürfte 2022 um 8,5 Prozent einbrechen und 2023 noch einmal um 2,3 Prozent schrumpfen. 2021 hatte sie noch um 4,7 Prozent zugelegt. Der Westen hat umfangreiche Sanktionen gegen Russland verhängt, weitere Maßnahmen wie ein Öl-Boykott werden diskutiert. Die ukrainische Wirtschaft dürfte der Prognose zufolge in diesem Jahr um 35 Prozent schrumpfen.
Wie die Ukraine ist Russland zudem ein wichtiger Exporteur von Weizen und Getreide. Wegen des Kriegs und der Sanktionen steigen die Preise bereits deutlich, was laut IWF vor allem ärmere Staaten treffen wird. Russland spielt international vor allem bei Energie und Rohstoffen eine führende Rolle, etwa bei Öl, Gas und Metallen.
Inflation hartnäckiger als erwartet
Viele Länder müssten eigentlich ihre in der Pandemie sprunghaft gestiegenen Schulden reduzieren, gleichzeitig jetzt aber auch für Flüchtlinge Geld mobilisieren und ärmeren Haushalten bei den hohen Lebensmittel- und Energiepreisen helfen. Der Krieg verschärfe die ohnehin schon angespannte Lebensmittelversorgung, sagte US-Finanzministerin Janet Yellen. 800 Millionen Menschen oder zehn Prozent der Weltbevölkerung litten darunter. „Ich will ganz klar sein: Russlands Taten sind dafür verantwortlich.“
Anders als zunächst gedacht stellt sich die Inflation als wesentlich hartnäckiger heraus. Der IWF rechnet dieses Jahr mit einer Rate von 5,7 Prozent in Industriestaaten sowie 8,7 Prozent in Schwellen- und Entwicklungsländern. Seit Januar hat sich die Lage damit deutlich verschlechtert – und der IWF schließt nicht aus, dass sie sich noch einmal signifikant verschlechtern könnte. Die Notenbanken müssen ihre oft seit langem lockere Geldpolitik nun straffen. „Inflation ist zu einer klaren und präsenten Gefahr für viele Staaten geworden“, so IWF-Ökonom Gourinchas. In den USA und einigen europäischen Staaten liege sie auf dem höchsten Niveau seit mehr als 40 Jahren.
Auch die häufigen und scharfen Corona-Lockdowns in chinesischen Metropolen wie Shanghai bremsen die Weltwirtschaft. Hierdurch könnten die Lieferkettenprobleme vieler Firmen noch zunehmen. Für China – die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt – sagt der IWF nur noch Wachstumsraten von 4,4 und 5,1 Prozent in diesem und nächstem Jahr voraus. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 8,1 Prozent.
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