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ForumDie überflüssige Indexmanipulation, die mit unseren Steuergeldern bezahlt wird

Forum / Die überflüssige Indexmanipulation, die mit unseren Steuergeldern bezahlt wird
Premierminister Xavier Bettel während der gescheiterten Tripartite-Gespräche Foto: Editpress/Julien Garroy

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Das Nein des unabhängigen Gewerkschaftsbunds Luxemburgs zu den Forderungen des Patronats und der Regierung in der Tripartite war richtig, logisch und notwendig. Eine andere Entscheidung, ob Zustimmung oder Enthaltung, wäre eine gegen die gewerkschaftliche Verteidigung der Interessen des Salariats in Luxemburg gewesen.

Ein konstruktiver sozialer Dialog im Rahmen einer Tripartite setzt voraus, dass eine Regierung Abkommen und politische Verpflichtungen respektiert, die sie sich selbst als politischer Handlungsrahmen vorgegeben hat.
Fakt ist, dass nach den jahrelangen unnötigen Indexmanipulationen der CSV-LSAP-Regierung die DP-LSAP-„déi gréng“-Regierung sich am 25. Juni 2014 im Rahmen eines Abkommens mit den national repräsentativen Gewerkschaften zu einer regierungspolitischen Leitlinie in der Indexfrage verpflichtete, die sie jetzt am 30. März 2022 unilateral verletzt hat.

„Die Regierung sieht vor, dass in den nächsten fünf Jahren durchschnittlich 12 Monate zwischen zwei Indextranchen liegen sollten; andernfalls werden sich die Sozialpartner über die zu ergreifenden Maßnahmen abstimmen“ (Abkommen vom 25. Juni 2014).

Dieses Abkommen wurde für den Verlauf des zweiten Regierungsmandats im Koalitionsabkommen 2018-2023 bestätigt: „Das derzeitige System der automatischen Indexierung von Gehältern, Löhnen, Pensionen, Renten und anderen Vergütungen und allgemein angepassten Beträgen wird beibehalten“ (Koalitionsabkommen 2018-2023, S. 131).

Die Regierung hat nun in der Tripartite ihr eigenes Abkommen missachtet und ihre Übereinkunft mit den Gewerkschaften übergangen.

Gemäß diesem Abkommen hätte neben der Indextranche im April 2022 auch die folgende Indextranche ohne Wenn und Aber umgesetzt werden müssen. Erst im Anschluss daran würde der zweite Punkt des Abkommens, nämlich die Diskussion mit den Sozialpartnern, aktuell werden.

Welchen Wert hat also eine flexible Spielregel (in diesem Fall der 12-monatige Durchschnitt im Rahmen einer fünfjährigen Referenzperiode), wenn sie nach vielen Jahren historisch niedrigster Inflation beim ersten Ausschlag in die andere Richtung verletzt, missachtet und abgeschafft wird?

Die Antwort auf diese Frage lautet: Überhaupt keinen Wert!

Oder anders ausgedrückt: Das Abkommen und die Selbstverpflichtung der Regierung waren nicht das Papier wert, auf dem sie niedergeschrieben wurden!

Dieser Faux-pas der Regierung gegen ihre Glaubwürdigkeit und Berechenbarkeit als vertrauenswürdiger Verhandlungspartner ist noch aus einem anderen Grund schwer zu verstehen. Jene Akteure, die das Abkommen von 2014 boykottierten, nämlich die UEL und die Patronatsorganisationen, werden nachträglich in ihrer Verweigerungshaltung durch die Regierung jetzt bestätigt und belohnt.

Dabei gilt: Für Regierungsvertreter gibt es weder die Entschuldigung der politischen Gedächtnislücke noch die Gnade der späten Ernennung zum Minister oder zur Ministerin.

Es ist bereits das zweite Mal, dass die aktuelle Regierung Abkommen mit der Gewerkschaftsseite verletzt. Dieses Nichtrespektieren des sozialen Dialogs und des Stellenwerts diesbezüglicher Abkommen führt zwangsläufig zu dem Vertrauensverlust, der den Weg für soziale Konflikte bahnt.

Neben der Verletzung, sprich Nichtumsetzung des oben genannten Abkommens, stellt sich natürlich die Frage nach dem Inhalt.

Notwendig oder Ausdruck einer politischen Gelegenheit?

Zur Erinnerung. Bereits Ende 2021, also noch vor dem Ausbruch der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine, passierte das, vor dem der OGBL gewarnt hatte. Nach dem historisch lang andauernden Tiefstand der Inflation roch das Patronat beim ersten Anstieg der Inflationsquote Morgenluft und griff unverzüglich den Index an.

Zunächst versuchte der Direktor der Handelskammer dem Land seinen „nachhaltigen Index“ zu verklickern und forderte die Entartung des Index zu einem Erziehungsinstrument für das Kaufverhalten der Bevölkerung. Der OGBL war die einzige Gegenstimme, die diese Absurdität kommentierte. Auf die weiteren Provokationen des Patronats gegen den Index „versprach“ die Regierung ihrerseits, dass sie den Index nicht antasten würde. Die politischen Hüllen fielen mit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine.

Diese willkommene Gelegenheit, den Index und die Löhne des Salariats anzugreifen, durfte nicht verpasst werden!

Die Solidarität der luxemburgischen Bevölkerung und ihre menschliche Betroffenheit angesichts der Ereignisse gegen die Existenz der ukrainischen Bevölkerung und ihres Staates wurden politisch gegen unseren sozialen Besitzstand instrumentalisiert.

Bereits vor dem Beginn der Tripartite war für die Regierung der Angriff auf den Index beschlossene Sache. Dann wurde bei den Tripartite-Verhandlungen ein wichtiges Prinzip der Gespräche nicht eingelöst. Die Regierung legte den Verhandlungsparteien keine detaillierte wirtschaftliche und soziale Analyse zur Begutachtung vor.

Dabei hatte der OGBL seine Bereitschaft zur Unterstützung jener Betriebe bzw. Betriebsbereiche angekündigt, denen wirtschaftliche Schwierigkeiten durch den hohen Energieeinsatz bei der Produktion oder durch beeinträchtigte Lieferketten drohten bzw. diesen bereits ausgesetzt waren. Während also bestimmte Wirtschaftsbereiche wie beispielsweise die der Industrie oder des Transportwesens im Mittelpunkt der Diskussion hätten stehen müssen, wäre das für andere Bereiche weniger oder überhaupt nicht nötig gewesen.

Doch eine differenzierte Analyse passte nicht in das Kalkül der Regierungsparteien, weil eine solche Analyse den allgemeinen Angriff auf die Indexierung der Löhne ad absurdum geführt hätte.

Als markantes Beispiel sei der Finanz- und Bankensektor erwähnt, der wirtschaftlich weder von den Energiepreisen noch vom Bruch irgendwelcher Lieferketten betroffen ist.

Die Patronatsorganisation ABBL versuchte die „wirtschaftliche Schwierigkeit“ ihres Sektors mit einer lächerlichen Aussage auf den Punkt zu bringen: „Wie sollen wir unseren ausländischen Mutterhäusern den Erfall der Indextranchen erklären?“ Kaum zu glauben, aber wahr, dass diese intelligenten Leute nicht auf die Idee kamen, das plus 30-prozentige Geschäftsjahr 2021 als argumentative Stütze zu benutzen.

Und sogar im Industriesektor, bei dem der Anteil der Löhne an den Produktionskosten unter 20 Prozent liegt und beispielsweise ArcelorMittal mit viel Stolz über ihr exzellentes Geschäftsjahr 2021 berichtete, hätte eine sachgerechte Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Situation kaum die Schlussfolgerung der Notwendigkeit einer Indexmanipulation zugelassen.

 Foto: dpa/Lino Mirgeler

Umverteilungspakt nach oben

Besonders beim Finanz- und Bankensektor wird ersichtlich, für wen der „Solidaritéitspak“ der Regierung und der anderen Unterzeichner des Tripartite-Abkommens gedacht ist. Die Aktionäre dieses Sektors kassieren einen Löwenanteil der Millionen Euro ein, die durch die Indexmanipulation dem Salariat vorenthalten werden. Wäre es nicht eher angebracht, den Begriff des „Umverteilungspakts nach oben“ für die Bezeichnung dessen zu benutzen, was das Tripartite-Abkommen beschlossen hat?

Der Angriff auf die Löhne und auf andere indexierte Einkommenselemente verschlechtert die Einkommenssituation der schaffenden Menschen und bringt wirtschaftlich … nichts! Schlimmer noch: Die Konsequenzen des Tripartite-Abkommens öffnen einen sozialen Konfliktgraben, der die sozialen Beziehungen in Luxemburg belastet und sich gegebenenfalls bis zur Infragestellung des sozialen Friedens zu entwickeln droht.

Der Tiefschlag gegen eines der drei Lohngesetze Luxemburgs leitet mit hoher Wahrscheinlichkeit eine längere Phase des Lohnkampfes ein. Oder glaubt jemand angesichts des Geschehenen noch ernsthaft an ein Nachlassen und Abflauen der gegen den Index gerichteten Forderungen des Patronats und seiner politischen Allianzen?

In diesem Zusammenhang müssen das inakzeptable Verschieben bzw. die Infragestellung weiterer Indextranchen erörtert werden, die dieses „Tripartite-Abkommen“ gutheißt. Eine Indexmanipulation, die jene der Juncker-Krecké-Ära noch zu übertreffen droht.

Steuererhöhungen gegen das, was netto vom Index übrig bleibt

Ein weiterer Tiefpunkt der Tripartite-Verhandlungen war der Versuch, die Indexmanipulation mittels des sogenannten staatlich finanzierten „Kompensationsmodells“ für einen Teil des Salariats und der Rentner- und Rentnerinnen zu legitimieren und die Gewerkschaftsseite in den Lohnangriff einzubinden. Was ja dann auch zum Teil gelang, indem eine Gewerkschaftsminderheit dem zustimmte.

Was im Übrigen die Frage aufwirft, ob überhaupt eine Minderheit ein Tripartite-Abkommen unterzeichnen kann bzw. ob dieses Abkommen überhaupt unter solchen Umständen als gültig zu betrachten ist.

Auf das Hunderte Millionen Euro schwere Geschenk an die Betriebe folgt die über unsere öffentlichen Finanzen finanzierte „solidarische“ Spaltung des Salariats. Die Regierung versucht die als Staatsausgabe kaschierte Lohnsubvention für die Betriebe mit dem propagandistischem Newspeak „Solidaritéitspak“ als soziale Gerechtigkeit darzustellen und ignoriert dabei Wesentliches.

Sie ignoriert zunächst einmal ein anderes Regierungsversprechen, das sie ebenfalls nicht einlöst. Nämlich, dass es bis zum Ende ihres legislativen Mandats 2023 zu keinen Steuererhöhungen kommen würde. Falsch und gelogen!

Seit der Steuerreform 2017 passt die Regierung die Steuertabelle für physische Personen und die Steuerkredite nicht an die Inflation an! Ein weiterer Indexklau der Regierung! Bei jeder Indexanpassung der Löhne und Renten wird der Nettobetrag durch die sogenannte progressive Steuerbelastung übermäßig beschnitten. Dieser permanente Steuertrick der Regierung, auch „kalte Progression“ genannt, ist eine knallharte Steuererhöhung, die ungerechtfertigt die unteren und mittleren Einkommensklassen trifft und den Nettobetrag der Indextranchen zugunsten der staatlichen Steuereinnahmen schmälert.

Warum hat die Regierung die Anpassung der Steuertabelle und der Steuerkredite in der Tripartite nicht in Erwägung gezogen, um ihre überflüssige Indexmanipulation kaufkraftmäßig zu entschärfen. Die Antwort auf diese Frage ist banal und empörend: Die Regierung, falls ihr eine weitere Mandatsperiode gegönnt wird, gedenkt dasselbe Szenario zu wiederholen, das sie bereits bei der Steuerreform 2017 inszeniert hatte. War es damals der Ausgleich der Steuererhöhungen der kalten Progression zwischen 2009 und 2017, die der Bevölkerung als Steuererleichterungen „verkauft“ wurde, so soll sich dasselbe politische Spiel bei der nächsten Steuerreform wiederholen können. Die seit 2017 kumulierten Steuererhöhungen und Kaufkraftverluste werden uns dann erneut als Steuerleichterungen vorgegaukelt werden.

Diesen „Uschass“ hätte die Regierung jetzt verhindern können und gleichzeitig sowohl ihr Versprechen einlösen können, dass es zu keinen weiteren Steuererhöhungen kommt als auch auf die „solidarische“ Spaltung des Salariats und der Rentner- und Rentnerinnen verzichten können. Erinnern wir in diesem Zusammenhang daran, dass die Regierung nach der Steuerreform 2017 ein zweites Mal die Besteuerung der Betriebe abgesenkt hat!

Die politischen Handlungsdefizite der Regierung

Und wenn das Stoppen der kalten Progression durch die Anpassung der Steuertabelle und der Steuerkredite mit Blick auf die soziale Situation der unteren Einkommensschichten nicht ausgereicht hätte, stellt sich die nächste Frage an die Regierungsparteien. Warum bleibt sie stur gegen die längst fällige substanzielle Anpassung der „allocation de vie chère“, die seit 2009 nicht mehr an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst wurde? Die zweimal Zehn-Prozent-Erhöhung (2020 und 2021) gleicht höchstens die Inflationsbewegung bis 2021 aus. Und warum für die soziale Abfederung der CO2-Steuererhöhungen 2022 und 2023 nicht einfach den bereits bestehenden Steuerkredit anpassen?

Und wenn aufgrund des politischen Drucks nach dem erbärmlichen „Tripartite-Abkommen“ die Regierung jetzt die termingerechte Indexierung der Familienzulagen angekündigt hat, dann wirft dies die Frage auf, wann endlich die Regierung ihren Wortbruch im Zusammenhang mit dem „Zukunftspak“-Abkommen 2014 beendet und die Familienzulagen an die allgemeine Entwicklung der Löhne anpasst, statt sie nur zu indexieren? Viel Zeit hierfür bleibt ihr nicht mehr.

So begrüßenswert auch die Anpassung der Mietzulage ist, die seit Längerem vom OGBL gefordert wurde, so täuscht diese Maßnahme nicht darüber hinweg, dass die Regierung noch immer keinen Reformvorschlag über das Mietgesetz gemacht hat, der die Entwicklung der Mietpreise an die Entwicklung der Löhne koppelt und noch immer keine gesetzliche Maßnahme gegen die ausufernde Spekulation im Immobilienbereich in die Wege geleitet hat.

An die Adresse jener, die jetzt von der Verteilungsfrage zwischen Kapital und Arbeit Abschied nehmen wollen und die Verteilung zwischen „Besserverdienenden“ und „Geringverdienenden“ des Salariats zum Gegenstand ihrer politischen Bemühungen machen wollen, sei gesagt, dass diese ideologische Pervertierung der gesellschaftlichen Verhältnisse mit dem OGBL nicht zu machen ist.

Wenn jemand Lohnscheren und Lohnhierarchien diskutieren will, dann sollte er sich nicht am Indexgesetz vergreifen, sondern sich auf die zwei anderen Lohngesetze konzentrieren. Nämlich auf das Gesetz über die Kollektivverträge und auf das Gesetz über den Mindestlohn. Das Koalitionsprogramm 2018-2023 sieht eine Diskussion über die längst fällige Reform des Kollektivvertragsgesetzes vor. Bis heute ist nichts passiert. Und die strukturelle Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns begrenzt sich nach acht Jahren Regierungsmandat auf 0,9 Prozent! Und an der dabei 2019 garantierten 100-Euro-Nettoerhöhung frisst sich die oben beschriebene kalte Steuerprogression satt.

Die Indexmanipulation trifft jeden

Ein Lohneingriff, der überhaupt nichts mit Solidarität zu tun hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass für Geringverdienende dieser Lohneingriff über den Einsatz öffentlicher Finanzen abgefedert wird. Eine solche neue Definition der umverteilenden Rolle des Staates ist ein sozialer Irrweg und sie ist der historischen Tradition der fortschrittlichen politischen Bewegungen nicht würdig.

Und an die Adresse jener, die uns vormachen wollen, dass 2023 kein Erfall einer Indextranche und damit keine weitere Verschiebung anstehen würde, weil das statistische Amt im Rahmen der Tripartite eine Inflation von 1,3 Prozent vorhersagte, sei Folgendes gesagt: Warum jetzt den Index manipulieren, wenn 2023 die Inflationsquote auf 1,3 Prozent absinkt und warum unter diesen Bedingungen das Abkommen von 2014 durch das Verschieben der zweiten Indextranche 2022 verletzen?

Deshalb mein Aufruf an die Abgeordneten des luxemburgischen Parlaments, das Tripartiteabkommen abzulehnen. Noch gibt es ein Zeitfenster zum Umdenken und für die Entschärfung des sozialen Konflikts.


* André Roeltgen ist ehemaliger OGBL-Präsident