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Laut Solidaritätspakt hat jeder Arbeitnehmer am 1. April 2022 eine Lohnerhöhung von 2,5 Prozent erhalten Foto: Freepik.com

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1991 beschrieb Ben Fayot im Tageblatt die Beziehung zwischen den Gewerkschaften und der LSAP wie folgt: „Jeder (sucht) auf seiner ihm eigenen Ebene nach Lösungen, die Gewerkschaften in den Betrieben wie in ihren institutionellen Strukturen, wie z.B. dem Wirtschafts- und Sozialrat oder den Berufskammern, die Partei in Kammer, Regierung oder Gemeinden.“ Er fuhr fort: „Das Nebeneinander in der Verschiedenheit verhindert weder die Zusammenarbeit noch die Freundschaft“[1] – es war dieser letzte Satz, der mir in den letzten Tagen immer wieder ins Gedächtnis kam, wenn ich über das aktuelle Geschehen nachgrübelte.

Am 10. März 2022 berief der Premierminister eine Tripartite ein. In der offiziellen Pressemitteilung der Regierung hieß es: „Au vu de la forte pression inflationniste actuelle, telle qu’entraînée, entre autres, par une hausse galopante des prix de l’énergie (…) il s’agira de dégager, ensemble, des solutions pour soulager aussi bien les ménages que les entreprises face à l’impact financier de la situation sur les revenus.“[2]

Beim Einberufen der Tripartite war also schon ersichtlich, dass es nicht nur um eine Entlastung der Lohnempfänger ging, sondern in Anbetracht der hohen Energiepreise, völlig zu Recht, auch die schwankenden Kosten der Unternehmer und Unternehmerinnen stabilisiert werden sollten. Der OGBL sowie die anderen Gewerkschaften folgten dieser Einladung und teilten wohl zu diesem Zeitpunkt auch den Eindruck, dass es Entlastungen sowohl für Lohnempfänger als auch für Unternehmen geben sollte.

Am 22. März 2022, am ersten Tag der Verhandlungen, veröffentlichte der OGBL eine Pressemitteilung, in der zum Index Folgendes zu lesen war: „Somit ist der Index ein technischer Mechanismus, der den Kaufkraftverlust ausgleichen soll. (…) Der Index ist daher weder eine sozialpolitische Maßnahme noch eine Maßnahme zur Umverteilung des von der Wirtschaft geschaffenen Reichtums und genau genommen auch kein Instrument der Lohnpolitik, sondern schlicht und einfach ein Ausgleichsmechanismus.“[3]

In der Nacht vom 30. auf den 31. März verließ der OGBL den Verhandlungstisch, da er die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen nicht mittragen konnte.

Die Pressekonferenz des OGBL vom 31. März 2022, in der er sein Vorgehen erklärt hat, fand unter dem Titel „Keen Accord vum OGBL zu Sozialofbau“ statt.

Ein langjähriges Argument der Gewerkschaften, das ich als Freund der Gewerkschaften immer geteilt habe und immer noch teile, besteht darin, den Index als Ausgleichmechanismus des generellen Kaufkraftverlustes zu betrachten, der sicherlich nicht perfekt ist, durch seine Generalität auch keine soziale Gerechtigkeit herstellen kann und soziale Ungleichheiten mindestens stabilisiert, die Kaufkraft aber erhält und so Streiks und andere soziale Unruhen vermeidet.

Der Auslöser des aktuellen Konflikts zwischen LSAP und Teilen des OGBL ist der „Solidaritéitspak“. Dieser sieht vor, dass die Indextranche von April 2022 normal ausbezahlt werden sollte und jeder Arbeitnehmer hier im Land also am 1. April 2022 eine Lohnerhöhung von 2,5 Prozent erhielt. Laut den Prognosen des nationalen Statistikamts soll im August 2022 eine weitere Indextranche fallen. Diese soll nun auf April 2023 verschoben werden. Der Kaufkraftverlust, den ein solches Verschieben der Indextranche mit sich bringt, wird durch einen Steuerkredit – dies ist eine Art Gutschein bei der Steuerverwaltung – bestmöglich und sozial selektiv ausgeglichen.[4]

Für alle weiteren Indextranchen sieht der Beschluss des „Solidaritéitspak“ vor: […] „de décaler de 12 mois toute tranche indiciaire supplémentaire potentielle en 2023, ceci dans le but de garantir davantage de prévisibilité aux entreprises. Dans ce cas, une compensation de la perte du pouvoir d’achat serait à prévoir.“

Hier seien zwei Anmerkungen gestattet.

Erstens geht das nationale Statistikamt aktuell davon aus, dass nach der Indextranche von April 2022, die regulär ausbezahlt wird, und jener von August 2022, die auf April 2023 verschoben wird, dabei aber durch einen Steuergutschein für Geringverdiener bis April 2023 kompensiert wird, die nächste Indextranche erst im Juni 2024 anfallen könnte. Bei dieser wird dann auch trotz „Solidaritéitspak“ der Indexmechanismus voll greifen.

Sollte im Zeitraum zwischen April 2022 und April 2023 eine weitere Indextranche anfallen, sieht der „Solidaritéitspak“ neue Kompensationen vor, welche wohl nur in einer weiteren Tripartite-Runde verhandelt werden könnten. Hier könnte der OGBL wieder Einfluss nehmen und keiner hätte Interesse an einer weiteren geplatzten Tripartite.

Man kann in diesem Kompromiss sicherlich Punkte finden, mit denen man nicht einverstanden sein kann. Die 7,5 Cent pro Liter Sprit, mit denen der Staat den Spritverbrauch subventioniert, kommt den Porsche-Fahrern mehr zugute als den Fahrern eines VW up!, ist darüber hinaus klares, umweltpolitisch unvertretbares Geschenkverteilen nach dem Gießkannen-Prinzip, gehört aber in Luxemburg irgendwie zum aktuellen Regierungsstil – für jeden etwas, für jene die schon mehr haben, noch etwas mehr.

In Bezug auf die Indexbeschlüsse jedoch jetzt von „Sozialofbau“ zu reden, ist für mich unverständlich.

Um dem „Sozialofbau“-Argument aus einer geschichtlichen Perspektive heraus Legitimation zu verschaffen, werden immer wieder Reden von John Castegnaro aus den 1980er Jahren hervorgekramt. Historisch und rhetorisch sind die Reden Castegnaros sicherlich bedeutsame Zeitdokumente, doch die sozialen Verhältnisse der 1980er sind nicht mit der Welt dieses Jahrtausends vergleichbar, in der die Lohnunterschiede größer und die globalen Herausforderungen komplett andere sind – wir leben eben in einer anderen Welt als 1980.

Die progressiven politischen Kräfte müssen dem produktivistischen, materiellen „Immer mehr“ ein neues Narrativ folgen lassen, das unsere natürlichen, planetaren Grenzen respektiert und die sozialen Ungleichheiten minimiert. Anstatt jetzt tagelang über eine Indextranche zu streiten, wäre es besser, sich als progressive Kräfte dieses Landes auf reale Ziele zu fokussieren.

Wie sollte eine Steuerpolitik im 21. Jahrhundert aussehen, die den ökologischen Raubbau auf unserem Planeten eindämmt und soziale Gerechtigkeit ermöglicht, dies nicht nur in Luxemburg, sondern auch in einem internationalen Kontext?[5] Wie kann man die Wohnungspolitik so umgestalten, dass nicht jede weitere Indextranche von den Wohnkosten mehr als aufgefressen wird und die ehrliche Lohnarbeit wieder der beste Weg zu den eigenen vier Wänden darstellt?

Die progressiven Kräfte dieses Landes sollten nicht nach den minimalen Unterschieden suchen, um sich zu entzweien, sondern zusammen Lösungen für den Erhalt unserer Umwelt, eine humanistische Arbeitswelt, ein gerechteres Steuersystem und eine baldige Beendigung der Wohnungskrise ausarbeiten und umsetzen.

In diesem Sinne freue ich mich schon, um am 1. Mai der OGBL-Feier beizuwohnen, denn, wie schrieb Ben Fayot so schön: „Das Nebeneinander in der Verschiedenheit verhindert weder die Zusammenarbeit noch die Freundschaft.“

* Max Leners ist Anwalt, Aktivist und Mitglied im LSAP-Vorstand


[1] Ben Fayot, „Die Beziehungen zwischen den freien Gewerkschaften und der LSAP nach 1945: ein Spannungsfeld, hoch geladen!“, Tageblatt: Beilage, Nr. 245, 24. Oktober 1991, S. 15-16
[2] Pressemitteilung des Staatsministeriums, „Réunion du Comité de coordination tripartite“, 10.3.2022
[3] Pressemitteilung des OGBL, „Wahrheiten und Lügen über den Index – Der Index: Was er ist und was er nicht ist“, 22.3.2022
[4] Wie bei Steuerfragen üblich steckt der Teufel hier im Detail und sollte, sobald die Gesetzesvorlage vorliegt, genauer analysierbar sein
[5] Siehe z.B. Fondation Robert Krieps, „Impôts et justice fiscale au Luxembourg: les éléments clés pour une future réforme“, 2021

Bux/
22. April 2022 - 10.44

Der Index ist dazu gedacht, die Geldentwertung zu kompensieren. Die nun vereinbarten „Index-Kompensationen“ sind aber auf die Anwohner zugeschnitten, Grenzgänger haben das Nachsehen. Defacto wurde für die Grenzgänger ein Lohnkürzung vereinbart, soweit zum „Solidaritéitspak“. Eine Gewerkschaft sollte aber die Interessen der Arbeitnehmer vertreten und nicht der Wähler. Darin liegt die Unvereinbarkeit der Gegensätze. Von der CGFP war nichts anderes zu erwarten, aber die LSAP sollte da nicht mitmachen.

Bux de Hude
22. April 2022 - 9.29

Der Index ist dazu gedacht, die Geldentwertung zu kompensieren. Die Index-Kompensationen sind auf die Anwohner zugeschnitten, Grenzgänger haben das Nachsehen. Defacto entspricht dieses somit einer selektiven Lohnkürzung derer, die hier politisch nicht vertreten sind. Die Gewerkschaften sind allen Arbeitnehmern verpflichtet und nicht den Wählern. Darin liegt die Unvereinbarkeit der Gegensätze. Von der CGFP war nichts anderes zu erwarten, aber die LSAP sollte da nicht mitmachen.

Garce
15. April 2022 - 13.22

Die Führung des OGBL muss ausgetauscht werden.

thillarc
12. April 2022 - 9.58

Den Artikel ass konkret , dei vill engagementer fum OGB-L gin ganz oft net honreert an viel Schaffend Leit sin och net engaggeert well se mengen sie breichten dat net awer wann se fir un Dir fum Patron gesat gin an net den neidegen Goss fir een Affekot ze huelen dann gett gemotz , et sin der emmer gewierscht dei gement hun ech brauch dat net , op der anner seit ass LSAP och net emmer fir hir Klientel do an mengt soe wei den moment sie missten mat aller gewalt viel ze oft mat lafen an nemmen net gesicht an sech der situation stellen .Ech och sin net emmer mat d'accord .