Tageblatt: Was versteht man denn genau unter Bühnenregie oder Bühnentechnik beim Orchestre philharmonique du Luxembourg?
Max May: Es gibt eigentliche zwei Hauptbereiche. Da ist zuerst einmal die Bühnentechnik selbst, dann alles das, was unter den Begriff des Orchesterwarts fällt. Und letzteres ist unser Bereich. Das betrifft demnach alles, was auf technischer Ebene direkt mit dem Orchester zusammenhängt. Wir bauen auf, so wie es die Sitzordnung verlangt, und kümmern uns um das Herbringen beziehungsweise Aufstellen der Instrumente und organisieren natürlich alles, was in diesem Zusammenhang auch mit einer Tournee oder Gastspielen an einem anderen Haus zu tun hat.
Wie groß ist denn das Team?
Klaus Künne: Wir sind drei Personen, die eigentlich als Trinom zusammenarbeiten. Jeder von uns ist in jedem Bereich tätig, das vereinfacht die Sache ungemein, wenn man beispielsweise einspringen muss oder der Kollege gerade mit etwas anderem beschäftigt ist. Allerdings arbeiten wir projektbezogen, jeder von uns ist abwechselnd für ein spezifisches Projekt verantwortlich und somit der Leiter. Der Turnus wechselt an sich jede Woche und dieses Rotationsprinzip hat sich bei uns sehr bewährt. Auslandstourneen, die ja sehr lange im Voraus geplant werden, teilen wir unter uns auf, oft hat der eine oder andere schon mit diesen Partnern oder Dirigenten zusammengearbeitet und kennt die Häuser beziehungsweise Verantwortlichen.
Christopher Alderton: Genau, es gibt eigentlich sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten und wir versuchen unsere Kräfte so zu bündeln, dass sie optimal für das Event sind. Ich komme beispielsweise aus London und habe im englischsprachigen Raum viel Erfahrung und viele Kontakte. Wir nehmen das Beste von jedem von uns und versuchen es dann, optimal in das Projekt einzubringen.
Und wie sieht ein normaler Arbeitstag bei ihnen aus?
M.M.: Jeder Tag ist verschieden und vor dem rein praktischen steht natürlich eine Menge an Vororganisation, wobei vieles dann in Zusammenarbeit mit dem eigentlichen Projektmanager abgesprochen wird. Unsere Arbeit beginnt mit dem Aufbau. Dieser Aufbau erfolgt nach einem Besetzungszettel. So viele Musiker, geteilte Violinen ja oder nein, Kontrabässe rechts oder links, usw.
C.A.: Jeder Dirigent hat andere Klangvorstellungen und die beginnen bereits bei der Sitzordnung. Verschiedene Instrumente, wie Schlagzeug und Kontrabässe, so auch das Klavier bei einem Solisten, müssen besorgt und aufgestellt werden.
K.K.: Praktisch sieht das so aus, dass wir um 7.30 Uhr mit dem Aufbau beginnen; 10.00 Uhr ist dann erste Probe, am Nachmittag zweite Probe. Das geht dann so von Montag bis zum Konzert am Freitag, wobei wir aber alles wiederum so mit den anderen Konzerten, die in der Woche ebenfalls in der Philharmonie stattfinden, koordinieren und abstimmen müssen, dass eben Auf- und Abbau anderer Künstler und Orchester nahtlos ineinander übergreifen.
Tourneen sind bestimmt eine besondere Herausforderung.
C.A.: Oh ja, da kommt dann noch der ganze Transport hinzu, von der Philharmonie zum Abflugsflughafen, vom Ankunftsflughafen zum Konzertsaal. Danach geht es dann entweder mit Bus, Zug oder Flugzeug weiter. Es müssen genug Leute vor Ort sein, um die Instrumente vom Truck in den Konzertsaal zu befördern. Wir müssen dann ebenso mit anpacken, wie wir die ganze Arbeit und Vorarbeit organisieren und supervisieren müssen. Die Instrumentenkisten für den Flug müssen bestellt werden, es müssen Listen geführt und Dokumente unterschrieben werden.
M.M.: Und dann müssen wir natürlich immer für das Unvorhergesehene gewappnet sein. Immer und überall gibt es technische Probleme, die kurzfristig auftauchen und die von uns so schnell wie möglich gelöst werden müssen. So muss auch im Vorfeld mit dem Dirigenten besprochen werden, wie er den Sitzplan haben möchte. Dann können wir innerhalb kurzer Zeit die Positionen optimal aufstellen, wobei man auch bemerken muss, dass jeder Konzertsaal und jede Konzertbühne anders ist. Auch hier müssen wir genug Zeit haben, um flexibel auf die Umstände zu reagieren.
K.K.: Südamerika war natürlich eine ganz besondere Herausforderung. Nächstes Jahr steht Südkorea auf dem Programm, auch das wird eine sehr präzise Planung erfordern. Allein Distanzen und Staus können zu einem großen Problem werden. Da muss dann auch genug Zeit mit eingeplant werden. Aber wenn man ein Land nicht kennt oder zum ersten Male dahinkommt, steht man vor Ort oft vor Fragezeichen, vor Problemen und Situationen, die so gut wie möglich schon im Vorfeld berücksichtigt und geklärt werden müssen.
Wie steht es denn mit den großen Instrumenten Schlagzeug oder Kontrabässen. Werden die von hier aus mitgeführt?
C.A.: Ja, wir nehmen praktisch alles Material mit, das zum Orchester gehört. Außer den normalen Sitzstühlen, die haben wir vor Ort. Aber die hohen Stühle der Kontrabassisten beispielsweise nehmen wir mit.
K.K.: Das ist ja auch verständlich. Jeder Musiker kennt „sein“ Instrument und will auf ihm spielen. Und da wir auch immer in direktem Kontakt mit den Musikern sind, sind wir oft Problemlöser für sie. Das können kleine Probleme, aber auch manchmal größere sein. Wir sind nicht nur da für die Technik, sondern auch für die Musiker. Oft ist Schnelligkeit gefragt und als das kleine, eingespielte Team, das wir sind, können wir eigentlich immer optimal reagieren.
Was kann denn so auf einer Tournee schiefgehen?
M.M.: Meistens geht etwas bei der Planung schief. Aber damit haben wir nichts zu tun (lacht). Nein, im Ernst jetzt. Als Orchestre philharmonique du Luxembourg haben wir international nicht die gleichen Erfahrungen wie ein London Symphony Orchestra oder die Wiener Philharmoniker, die Tourneeorchester und somit eigentlich Selbstläufer sind. Und auch nicht das Personal, das diese Orchester für eine Tournee aufbringen können. Die Wiener haben beispielsweise einen eigenen Instrumentenbauer mit, der auch das Ab- und Aufladen der Instrumente überwacht und notfalls reparieren kann. Das haben wir nicht. Ich erinnere mich an Situationen, die uns Probleme gemacht haben. Zum einen wurde unser Truck in einer kleinen Gasse so zugeparkt, dass wir Schwierigkeiten hatten, die Instrumente rechtzeitig auf die Bühne zu bringen. Ein andermal stand der Truck im Stau und das Konzert drohte auszufallen. Oder „Hands“, also Helfer, die plötzlich bei Schnee, Sturm und Minustemperaturen verschwinden und uns die Arbeit alleine machen lassen. Dann gab es auch eine Situation, wo wir in einer Kathedrale ein Orgelkonzert mit Pierre Nimax spielen sollten. Leider gab es Probleme mit der Übertragung des Videosignals des Dirigenten zum Organisten, der ja rückwärts sitzt und den Dirigenten nicht sieht. Glücklicherweise war Pierre Nimax’ Frau dabei, die sich auf die Empore stellte und ihren Mann von dort aus dirigierte.
K.K.: Einmal war der Laster mit den Instrumenten auf der Rückfahrt aus Spanien durch die „Gillets jaunes“ bei der spanisch-französischen Grenze für zwei Tage blockiert. Damals mussten wir dann hier von überall Instrumente für das Orchester anleihen, damit sie die Proben spielen konnten. Aber wie Max vorhin über die Hands gesagt hat, daran merkt man schon den Stellenwert, den unser Orchester international hat. Den Wiener Philharmonikern oder dem Chicago Symphony Orchestra wäre das nicht passiert. Diesen Unterschied merkt man oft an den Feinheiten. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sagen, dass diese Orchester 150 Konzerte spielen wie wir, dazu noch internationale Tourneen machen. Das kann aber nur funktionieren, wenn alles reibungslos geplant ist und auch so abläuft. Diese Erfahrung und Reaktionsschnelligkeit haben wir beim OPL noch nicht. Auch nicht die gleichen Personalmöglichkeiten.
Und wie wird man Orchesterwart?
M.M.: Wir kommen aus sehr verschiedenen Berufen und sind demnach Quereinsteiger.
C.A.: Genau, ich war ‚stage manager’ beim Theater in London, habe während 15 Jahren Tourneen mitgemacht und kam erst sehr spät zum Orchester. Für Semi-stage-Aufführungen, die auch jetzt öfters im Konzertsaal stattfinden, ist das natürlich auch ein Vorteil.
K.K.: Ich habe Musik auf Lehramt studiert und habe mich mit Tontechnik beschäftigt, das hat mir aber irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Dann bekam ich diesen Posten, für den es ja keine Ausbildung gibt. Und ich kann Ihnen sagen, die ersten zwei Jahre waren die Hölle. Ich musste sehr viel dazulernen, besonders wie es in der Orchesterwelt zugeht. Aber danach machte es, und es macht noch immer, unheimlichen Spaß.
M.M.: Ich hatte mein Studium abgebrochen und habe als Orchesterwart ausgeholfen, um Geld zu verdienen. Und bin in dem Job hängengeblieben. Ich habe vorher bei einem kleineren Orchester gearbeitet, ehe ich zum OPL kam. Aber egal aus welchen Richtungen wir kommen, es ist die Leidenschaft für diesen Job, die uns vereint.
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