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EditorialDer Krieg der Worte und der Bilder

Editorial / Der Krieg der Worte und der Bilder
 Foto: AFP

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Aggressoren suchen immer nach einem Vorwand. „Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!“ ging als Redewendung in die Geschichtsbücher ein. Hitler rechtfertigte 1939 den Überfall auf Polen mit einem angeblichen polnischen Angriff auf den Sender Gleiwitz in Schlesien. Jetzt schieße man eben „zurück“. Die unterschwellige Bedeutung: Die Deutschen waren nicht die Bösen, sie verteidigten sich bloß. Als Begründung für den Überfall auf den Irak dienten den Vereinigten Staaten Massenvernichtungswaffen, von denen aber keine gefunden wurden.

Ein vom Westen unterstütztes Naziregime in Kiew, das die dortige russische Bevölkerung unterdrücke, dient nun Russland als Rechtfertigung. Deswegen sei es kein Krieg, sondern eine Polizeiaktion zum Schutz der dort lebenden Russen.

Propagandistisch ist die Darstellung der Ukraine als nazistisches Regime ein cleverer Coup der russischen Seite: Im Krieg gegen Hitler mussten 27 Millionen Sowjetbürger ihr Leben lassen. Der Nimbus des Nazibesiegers, der so hohe Opfer dafür brachte, half dem Land lange – bei allen politischen Gegensätzlichkeiten –, auch im Westen Sympathien zu bewahren. Der traditionelle Antifaschismus wurde in der Sowjetunion und auch in Russland regelrecht zelebriert. Mittlerweile ist er allerdings zur reinen Rhetorik verkommen. Dass in der Ukraine rechtsextreme Gruppierungen aktiv sind, ist unbestritten, dass sie jedoch den Staat führen, eine andere Sache. Genauso gut hätte der Westen einen Vorwand, Russland anzugreifen, denn auch dort gibt es zahlreiche Neonazis.

Wie in jedem Krieg findet auch jetzt hinter der Front ein zweiter statt: der Krieg der Worte und der Bilder. Und den zu gewinnen, ist den Konfliktparteien ebenso wichtig. „Fake News“, sagen die Russen zu den Bildern aus Butscha, es seien „Provokationen ukrainischer Faschisten“, und kontern mit Berichten von Kriegsverbrechen der Ukrainer. Die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti berichtete am Donnerstag von einem dänischen Söldner, der auf Seiten der Ukraine kämpfe: Dieser sage aus, ukrainische Soldaten hätten russische Kriegsgefangene erschossen. Der Bericht stammt ursprünglich von einem dänischen TV-Sender, der aber auch meinte, es gebe Hinweise auf Kriegsverbrechen auf beiden Seiten.

Das erste Opfer des Krieges ist seit jeher die Wahrheit. Der Gegner wird verunglimpft und als der eigentliche Schuldige dargestellt; aus dem Aggressor wird der Befreier. Die russische Propaganda ist wirksam, weil sie eben einfach ist: „Da wir stets Antifaschisten waren, müssen wir die Guten sein.“ Das jahrzehntelange Wiederholen dieses Mantras zeigt nun seine Wirksamkeit. Auch im Westen gehen mittlerweile Menschen für Russland auf die Straße. Es sei doch überhaupt kein Krieg, sondern eine Polizeiintervention, sagten deutsche prorussische Demonstranten kürzlich in einer Nachrichtensendung. Man müsse eben richtig zuhören, was Putin sagt, der würde es doch erklären. Westliche Medien würden eben wieder lügen.

Man kann alles infrage stellen, selbstverständlich auch die Bilder, die wir jeden Tag im Fernsehen sehen. Und machen wir uns nichts vor: Wenn es halt der guten Sache dient, lügt jede Kriegspartei. Auf der Suche nach der Wahrheit kann man alles hinterfragen, alles anzweifeln und alles als Lüge hinstellen. Doch eine Tatsache bleibt unumstößlich: Begonnen hat diesen Krieg Russland.

Robert Hottua
8. April 2022 - 14.42

Guten Tag Herr Molinaro,
die martialische Propaganda aus dem päpstlichen "Luxemburger Wort" hat seit Jahrzehnten eine bis heute unterschwellig wirksame Botschaft für die entsprechend achtsame "gottgläubige Schicksalsgemeinschaft".
MfG
Robert Hottua