Derweil andere Akteure dieses Bereiches vorwiegend Berufe, Materialien, Entwicklungen und Umfeld der Branche in den Vordergrund rücken, steht bei „Adato“ stets das Werk, die Schöpfung und ihr sozio-kultureller Stellenwert im Mittelpunkt, ob es sich nun um schlichte Bauten, komplexe Gebäude oder die Gestaltung ganzer urbaner Räume handelt. Seit 2017 hat Anna Valentiny mit ihrem Verlag Point Nemo die Verantwortung übernommen. Das Magazin wurde logischerweise neu ausgerichtet. Aus einem Heft mit beweglichem Cover wurde eine Art Magazin mit hartem Buchdeckel und neuer Erscheinungsfrequenz sowie inhaltlicher Erweiterung. Mit Schwerpunktthemen wie „Reisen“, „Medizin“ oder „Archäologie“ konnte das Autorenkollektiv in Zusammenarbeit mit ausgewählten Experten in ihren Beiträgen neue Türen aufstoßen, die Architektur in ihrer geschichtlichen und sozialen Entfaltung, aber auch teils politischen Vereinnahmung hinterfragen und Korrespondenzen oder Spannungen herstellen. Das Magazin hat sich zur Dokumentation mit bleibendem Wert über die Tagesaktualität hinaus entwickelt.
Aktuelles Thema
Passend zum aktuellen Kriegsgeschehen in der Ukraine kommt die nun veröffentlichte Ausgabe von Adato mit dem Thema „Krieg und Frieden“ daher, fast so als ob Tolstoi eine moderne Ergänzung seines historisch und literarisch wertvollen Romans gleichen Titels gesucht und hierbei Pate gestanden hätte. Redaktionsschluss war am 28. Februar 2022, sodass ganz rezente Entwicklungen im Ukraine-Konflikt nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Dennoch heißt es im Vorwort: „Adato Krieg und Frieden erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem dieser lange schlafende Konflikt (gemeint ist der Konflikt der Systeme Kommunismus gegen Kapitalismus) erneut eskaliert. Mit der Stationierung russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine richtet sich der ‚Russische Bär‘ ein weiteres Mal gegen den Westen, die wachsende und erstarkende NATO und deren Ausdehnung über die ehemaligen Mitgliedstaaten der Sowjetunion hinaus bis an die Territorialgrenzen des heutigen russischen Staates auf.“ Wie wir wissen, ist es nicht bei einer „Stationierung“ geblieben, inzwischen tobt der Krieg mit all seinen Gräueltaten, Zerstörungen und Kollateralschäden, etwa einer Flüchtlingswelle ungeahnten Ausmaßes. Da Architektur eigentlich für Kreation, Gestaltung, Entstehung und ein Quäntchen Utopie steht, wundert die Wahl des Themas „Krieg und Frieden“.
Was verbirgt sich denn hinter diesem Thema in einem Architektur-Magazin? Nun, Lea Soltau geht unter dem Titel „Talk of Paradise“ auf Erlebnisse und Schicksale dreier Frauen und Autorinnen ein, ein reich illustrierter Beitrag einer Architektin, die sich seit ihrem Studium gerne mit dem Spannungsfeld „Architekturtheorie und Architekturentwurf“ auseinandersetzt. Die Verlegerin erzählt ihrerseits von einem Besuch 2014 in Belgrad und fasst ihre Eindrücke unter dem Begriff „Blicke des Odysseus“ mit interessanten Fotos zusammen.
Rückblenden als Aufarbeitung
Benjamin Softic vermittelt Einblicke in seine „Geschichte“ und geht der „Geschichte“ an sich mit all den aus alten Zeiten erhaltenen Monumenten in Jugoslawien auf den Grund, derweil Dominik Strezelec auf „neue Ideen“ eingeht und sich fragt, ob es nicht schöner wäre, diese auch verwirklichen zu können. Mit „Belgrads radikale Ränder“ veröffentlicht das Heft Auszüge aus der 2020 von Linda Lackner erschienenen Publikation „Belgrads radikale Ränder, Vergangenheitspolitik und die postpolitische Stadt“, ein starker Beitrag, der in gewisser Weise auch zum letzten Artikel „Tempelhof“ von Lilian Gössel über Berlin, die „geteilte Stadt“ in Deutschland, handelt. Passend zum Softic-Beitrag erweist sich auch der erstarrte, aus hartem Stein geformte Leninkopf auf dem Titelblatt, ein aus einem Film ausgeblendetes Foto, das echt an die Architektur der Idole „verehrenden“ Monumente aus vergangenen Zeiten und heutigen autokratischen Regimen à la Nordkorea, um nur diesen zu nennen, erinnert.
Auf rund 50 Seiten konzentriert, präsentiert sich das Magazin mit zahlreichen teils spektakulären Fotos, interessanten Texten, leider anhand eines zu klein und schlank gewählten Schriftgrades stellenweise schwer lesbar, in gestylter Aufmachung. Das Heft lohnt sich und ist für zehn Euro im Handel oder via Abo erhältlich. Abspann auf Deckel-Rückseite schauen und lesen, nicht vergessen!
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