Die Fahnen der WM-Teilnehmer wehen schon in den Straßen Dohas, das FIFA-Logo prangt an etlichen Stellen inmitten der gewaltigen Wolkenkratzer. Für den Kongress des Weltverbandes und die Auslosungsshow hat sich die katarische Hauptstadt herausgeputzt – ganz zur Freude von Gianni Infantino. Doch die Menschenrechtsverletzungen in Katar liegen wie ein Schatten über den beiden Hochglanzevents.
Während sich die FIFA und ihr Präsident in diesen Tagen auf die Wüsten-WM (21. November bis 18. Dezember) einstimmen, kochen die emotionalen Debatten über die schwierige Lage im Gastgeberland wieder hoch. Selbst der sich langsam andeutende Rückzug Infantinos von den Plänen zur Verkürzung des WM-Zyklus auf zwei Jahre spielt kaum eine Rolle.
Menschenrechtsorganisationen schlagen vor dem Kongress am Donnerstag und der Auslosung am Freitag erneut Alarm – sie weisen mit Nachdruck auf die weiter gravierenden Probleme im Emirat hin. „Jeden Tag, an dem dies anhält, sind Arbeiter im ganzen Land skrupellosen Menschen ausgeliefert“, sagte Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International im DW-Interview. Sie sorgt sich auch um die Zeit nach dem Turnier, die Situation könne „noch schwieriger werden“. Von Infantino dürfte es dagegen weiter keine allzu große Kritik an Katar geben, der FIFA-Boss verweist schließlich ganz auf Linie der katarischen PR-Strategie stets auf Reformen im Land. Die FIFA trage „eine Mitschuld am Leid der Migranten“, kritisierte Human Rights Watch wohl auch deshalb. Tausende Arbeiter sollen laut Medienberichten auf Baustellen gestorben sein.
„Mitschuld am Leid der Migranten“
Wie klebrig die Beziehung des FIFA-Chefs zum schwerreichen Wüstenemirat ist, wurde erst kürzlich erneut deutlich. Etwas unbeholfen versuchte Infantino, mit „Katar, Katar, Katar“-Rufen bei freiwilligen WM-Helfern für Stimmung zu sorgen – der Spott war ihm einmal mehr garantiert. Bei diesem Thema richten sich die Blicke aber auch auf den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Politiker wie etwa SPD-Chef Lars Klingbeil sehen den Verband in der Pflicht, „das Politische, das Soziale und all die Begleitumstände dort“ zu thematisieren. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) forderte zuletzt, „offensiv die verheerende Menschenrechtslage“ anzusprechen.
Mit Bernd Neuendorf an der Spitze muss der DFB einen Umgang mit der schwierigen Lage finden – der neue Präsident jedenfalls scheint sich der Verantwortung bewusst zu sein. Die Dinge, „die für uns problematisch sind“, wolle er ansprechen, betonte er. Längst werden zudem Forderungen zu neuen Vergabeverfahren laut. Da wären zum einen die gesellschaftspolitischen Pflichten, zum anderen wird es für Neuendorf aber auch zum ersten wichtigen Schaulaufen auf internationaler Bühne. Er werde versuchen, „erste politische Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen“, sagte der 60-Jährige. Im Hinblick auf die EM 2024 im eigenen Land geht es auch um die Frage, wer den DFB künftig in den höchsten internationalen Gremien vertritt.
Erfreulich dürfte für den DFB sein, dass laut Nachrichtenagentur AFP in diesen Tagen am Rande auch Alternativen zu Infantinos umstrittenen WM-Plänen diskutiert werden sollen. Beim Kongress steht das Thema nicht auf der Tagesordnung, der Widerstand aus Europa und Südamerika ist ungebrochen. Diskutiert wird auch der künftige Umgang mit Russland.
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