Im Februar 2015 formulierte die Europäische Union eine neue Idee. Die „Europäische Energieunion“ sollte dazu führen, dass die EU bei Energiegewinnung und -konsum nicht nur nachhaltiger, sondern vor allem unabhängiger wird. Der Begriff der europäischen Souveränität wurde in das Konzept hineinfusioniert: Europa sollte energiepolitisch souverän werden. Sieben Jahre und diverse weitere Initiativen später – immerhin hat sich die aktuelle Europäische Kommission seit ihrem Amtsantritt im Herbst 2019 dem Europäischen Green Deal verschrieben, um die Wirtschaft mit massiven Investitionen in erneuerbare Energien zu entkarbonisieren – hängt Europa nach wie vor am Tropf Russlands und anderer „strategischer“ Energielieferanten. Strategisch ist in fast allen Fällen vor allem das finanzielle Interesse des Lieferanten, wie der Fall Russlands eindeutig belegt.
Europa ist seit jeher in Sachen Energieversorgung abhängig. Seien es Saudi-Arabien und andere Golfmonarchien, Russland oder Aserbaidschan – Europas Lieferanten sind oft Diktaturen mit einer grundsoliden Abneigung gegen Menschenrechte. Einige von ihnen führen gelegentlich Krieg, wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate im Jemen, oder Aserbaidschan in Bergkarabach. Einer davon führt nun einen richtig großen, klar völkerrechtswidrigen, barbarischen Krieg in der Ukraine. Russland hat damit die Toleranzgrenzen Europas, die durchaus hochgesteckt sind, überschritten – die Union will kein Gas mehr, das von Kriegsverbrechern geliefert wird. Sieben Jahre nach der „Energieunion“ realisiert die Europäische Union endlich, dass die totale Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen ein suboptimaler Zustand ist. Wie sollte das mit der Energiesouveränität doch gleich funktionieren?
Europa hat sich offiziell einen Grünen Neuen Deal gegeben. Damit will es bis 2050 CO2-neutral werden, die Etappen bis dahin sind mit strammen Senkungen der entsprechenden Emissionen markiert. Doch der aktuelle europäische Energiemix gibt nicht ohne weiteres ein Entkarbonisieren der Wirtschaft binnen einer Generation her. Massive Investitionen, rund 1.000 Milliarden Euro, sind in diesem Hinblick geplant. Sie werden notwendig sein, um den Mix solchermaßen umzugestalten, dass erneuerbare Energien Europa weitgehend beleuchten, heizen, und seine Industrie antreiben. Ultimativ geht es deswegen nicht darum, dass Gas nicht mehr aus Russland kommt – sondern darum, dass kaum noch Gas verfeuert wird.
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