Tageblatt: Nach Düdelingen und Virton sind Sie inzwischen bei Ihrem dritten Klub gelandet, der von Flavio Becca geleitet wird. Können Sie ihm nicht „Nein“ sagen?
Clément Couturier: (lacht) Es geht also tatsächlich schon gut los … Man muss einfach zugeben, dass er ein sehr überzeugender Mensch ist. Er hat mir Nachrichten geschickt und die Verbindung und das Verhältnis zwischen uns war immer gut. Dass er mich jedes Mal wieder kontaktiert, zeigt auch, dass die Wertschätzung gegenseitig ist. Nach dem bekannten Ende in Virton habe ich die Vor- und Nachteile abgewogen. Letztendlich lag es nicht an ihm, dass es in Belgien so weit gekommen war. Ich wollte zurück nach Luxemburg, da ich hier sehr gute Erfahrungen gemacht und viel Schönes erlebt habe.
Was macht denn dieses „Phänomen Flavio Becca“ aus?
Er ist unheimlich ehrgeizig. Das ist sein Markenzeichen. Er will Erfolg und versucht, diesen dann auch mit allen Mitteln zu erreichen. Hinzu kommt, und das ist ja auch bekannt, dass er einen sehr starken Charakter hat. Eben wie ein Chef. Ich erinnere mich noch an den Moment, als er zum ersten Mal in die Kabine kam. Es war im August 2018, als wir mitten in der Qualifikation für die Europa League steckten. Nach der zweiten Meisterschaftsniederlage kam er rein. Obschon ich mich nicht mehr an die Worte erinnere, weiß ich noch ganz genau, was er uns damals vermitteln wollte. Da habe ich verstanden, wie er tickt. Es war beeindruckend.
Vor einem Jahr wurden Sie bereits in Rumänien als Neuzugang vorgestellt, noch bevor Sie Ihren Vertrag unterschrieben hatten. Haben Sie dieses Land nach dem Zwischenfall auf ewig von Ihrer Urlaubsliste gestrichen?
Definitiv, ja. Ich war eine Woche dort und hatte meine mündliche Zusage gegeben. Der Vertrag, den man mir dann vorlegte, stimmte nicht mit den Versprechen überein. Einige Tage später wurde der Coach gefeuert. Wenn mich jetzt ein Agent anruft, um mich von einem Transfer nach Rumänien zu überzeugen, lautet die Antwort sofort Nein. Es war von vornherein nicht unbedingt ein Ziel, das ich sehr ansprechend fand, aber ich wollte auch etwas Neues sehen. Jetzt ist dieses Thema abgehakt.
Kann man als Fußballer eigentlich etwas mehr nachtrauern als einem Schuss in der 90., der ausgerechnet gegen AC Mailand nur knapp über das Tor fliegt?
Das ist aber nicht sehr nett (lacht). Wir sollten das einfach auf die Müdigkeit schieben, immerhin hatte ich da schon 90 Minuten in den Beinen. Klar, es gehört zu den Momenten, die vielleicht schicksalhaft hätten sein können. Aber wenn ich mich recht erinnere, hatte ich auch während des Finales der Coupe de France eine Möglichkeit zum Tor. Das sind vielleicht die zwei kleinen Momente, denen ich nachtrauere, aber im Endeffekt haben wir an diesen Abenden unfassbar schöne Dinge erlebt.
Wann haben Sie gemerkt, dass diese allererste Qualifikation für die Europa League in Luxemburg so ein großes Ding war?
Als wir nach dem Play-off-Spiel aus Cluj zurückgekehrt sind. Am Flughafen wurden wir von Journalisten und Fans erwartet, haben unzählige Interviews gegeben und wurden überall und ständig darauf angesprochen. Es war historisch und man spürte den Stolz bei allen Beteiligten. Als wir dann unser erstes Gruppenspiel gegen Mailand vorbereiteten, stand plötzlich Canal+ auf dem Rasen. Auch die italienische Presse interessierte sich für uns. Da hat man wirklich gemerkt, dass diese Geschichte eine andere Dimension bekommen hatte.
Würden Sie sich dadurch denn auch als wahren Interview-Profi beschreiben?
Als wir uns mit Les Herbiers für das Finale der Coupe de France qualifiziert hatten, saß ich sonntagabends plötzlich selbst im BeIn-Sports-Studio, um über das Spiel zu reden. Also niemand von uns war vorher jemals in einem Make-up-Studio auf ein Fernsehinterview vorbereitet worden. Ich saß den Leuten gegenüber, die ich sonst eben selbst nur aus dem TV kannte.
Sie haben wie erwähnt mit Les Herbiers das Finale der Coupe de France gegen den PSG bestritten. Welcher der großen Stars, denen Sie in Ihrer Karriere gegenüberstanden, hat Sie am meisten beeindruckt?
Auf jeden Fall Kylian Mbappé damals schon im Finale. Man sah, dass dieser Junge anders war als alle anderen. Er war noch einen Tick schneller. Das haben sogar wir, als totale Underdogs, auf dem Rasen gesehen. Eine kuriose Begegnung war dagegen das Wiedersehen mit Giovani Lo Celso. Er stand mir sowohl im Finale als auch in Sevilla gegenüber. Ich habe ihn in Spanien darauf angesprochen und er fragte mich nur: „Was machst du denn jetzt hier?“ Leider hatte er sein Trikot schon einem anderen versprochen.
Wie groß ist denn Ihre Sammlung?
Ich habe wirklich bei jedem unserer Spiele eins bekommen, meist vom rechten Abwehrspieler, da ich auf dem linken Flügel war. Am Anfang war ich wirklich darauf fokussiert. Aber je länger der Wettbewerb dauerte, umso mehr habe ich vom Ganzen profitieren können. Ich stand auf dem Rasen des San Siro, der mir noch einmal deutlich größer als das Stade de France vorkam. Die Fotos habe ich noch immer im Handy gespeichert. Es wird wirklich schwer werden, so etwas noch einmal zu erleben.
Frage an einen Couturier: Schneidern Sie?
Ich habe davon absolut keine Ahnung. Ich werde ja gerne damit aufgezogen, aber im Endeffekt bin ich nicht die Bestbesetzung für diesen Namen. Auch von Mode kenne ich nicht viel. Wie jeder andere auch versuche ich, mich halt so zu kleiden, dass es gut aussieht, aber das ist auch schon alles.
Haben Sie Ihrem Sohn bereits ein Fußballtrikot übergestreift? Wünschen Sie sich, dass er irgendwann einmal einen ähnlichen Weg einschlägt?
Noch nicht … Ich habe schon ein paar Recherchen gemacht, aber meist geht es erst mit der Größe für Babys von sechs Monaten los – und so weit sind wir noch nicht. Ich war früher Fan des Olympique Lyon, deshalb kann ich mir vorstellen, dass das auch sein erstes Trikot sein wird. Es würde mich wundern, wenn bald in Hesperingen so Mini-Trikots angeboten werden würden. Auf jeden Fall bin ich durch die Geburt meines Kindes jetzt noch einen Tick verantwortungsbewusster geworden. Ich muss ein Vorbild für ihn sein. Ich habe den Eindruck, die Dinge jetzt noch besser machen zu müssen. Das kann auch im Sport von Vorteil sein. Ich will ihm ein gutes Leben bieten, wie ich es selbst hatte. Und klar soll er Fußball lernen. Ich würde ja nichts unternehmen, wenn er sich für Tennis entscheiden würde, aber ich hätte lieber, es wäre Fußball.
2 Fragen zum Wochenende
Swift Hesperingen rollt das Feld der BGL Ligue von hinten auf. Woher kam dieser Aufwind?
Nach den etlichen Transfers im Sommer war es nicht einfach, aus den Individualisten ein Team zu formen. Wir haben über die Winterwochen daran gearbeitet. Jetzt haben wir fünf Siege in Folge eingefahren und sind wieder im Rennen um die oberen Plätze vertreten. Es wird sich in den nächsten Wochen (Fola, Strassen, Niederkorn) herausstellen, in welche Richtung es gehen wird. Wir glauben an den Titel. Sechs Punkte sind viel und gleichzeitig wenig. Das Saisonende verspricht also, sehr spannend zu werden.
Wie schätzen Sie die Formkurve des nächsten Gegners Fola ein? Worauf muss sich Swift gefasst machen?
Sie befinden sich in einer schwierigen Phase, haben mit Diogo Pimentel im Winter eine wichtige Stütze verloren. Es ist eine junge Mannschaft, vor der man sich immer in Acht nehmen muss. Das hat man während des Hinspiels (1:2) gesehen. Sie haben viel Qualität und Erfahrung. Aber wir sind gewarnt.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können