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KunsteckeSpannendes Wechselspiel Trémont-Schumacher: „Auguste Trémont en 2022 – Une rencontre revisitée“

Kunstecke / Spannendes Wechselspiel Trémont-Schumacher: „Auguste Trémont en 2022 – Une rencontre revisitée“
 © Mnha/Schumacher; Foto: mediArt

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In einer Zeit, da die Kunst sich durch virtuelle Angebote schwertut, den Kontakt zur Realität zu halten, ist die Wiederentdeckung gestandener Künstler eine Wohltat. Die Idee, den meist in Paris wohnenden und arbeitenden Bildhauer und Zeichner Auguste Trémont im Rahmen der europäischen Kulturhauptstadt Esch2022 in der Galerie Schlassgoart in den Fokus zu rücken, ist begrüßenswert. Dies nicht nur, weil Trémont ein anerkannter Künstler bleibt, nein, er hat seine Verbundenheit mit der Stahlindustrie, Lebensader der Südregion des Landes, trotz seiner Liebe zu Paris nie verleugnet und vergessen.

Das Schicksal hat Auguste Trémont, der am 3. Dezember 1892 geboren und am 23. Oktober 1980 gestorben ist, nach seinen Schülerjahren in Luxemburg ab 1909 nach Paris verschlagen und später wieder zurückgeführt. Ab 1914 wirkte er als technischer Zeichner im Stahlwerk in Düdelingen. Er hat sich den arbeitenden Menschen verpflichtet gefühlt, war von den Tieren fasziniert, konnte die Schwerindustrie und seine Minett-Region nie loslassen.

Intervention an traditionellem Oeuvre

Hat Kurator Paul Bertemes, mediArt, sich redlich bemüht, so zahlreiche Werke wie möglich aufzutreiben, wird Kunsthistorikerin Fanny Weinquin im für den 24. März geplanten Katalog Trémont und sein Oeuvre in den kunsthistorischen Kontext einreihen. Der in Luxemburg und Edinburgh lebende Allroundkünstler Eric Schumacher hat Zeichnungen und Skulpturen Trémonts in eine auf Stahlprodukte bezogene, künstliche Landschaft integriert, das Ganze unter dem Motto einer „rencontre revisitée“.

Wer den Pavillon der Galerie Schlassgoart in den „Nonnewisen“ kennt, der weiß, dieser ist nicht einfach zu bespielen, doch sagen wir es gleich: Es ist Bertemes und Schumacher gelungen, Trémonts Werke chronologisch aufzuschlüsseln – in ein Kapitel „Industrie und Arbeitswelt“ sowie ein zweites, „Tierschau aus Nah und Fern“. Bei diesem Aufbau wechseln sich Zeichnungen, Malereien und Skulpturen in Bronze mit grün verfremdeten Pseudo-Stahlträgern (aus Holz), hellen Plattformen und Glaskästen ab, wobei ein reich bebilderter Wegweiser dem Besucher die Entdeckungsreise wesentlich vereinfacht. Geschickt haben die Organisatoren auch Informationstafeln mit nützlichen Hinweisen auf Lebenslauf, Werke und soziokulturelles Umfeld angeordnet, sodass die Promenade durch die rund 40 Werke (darunter etwa ein Dutzend Plastiken) umfassende Ausstellung es ermöglicht, stets Entstehungsjahr und Hintergrund der Werke zu erkennen.

Zwei getrennte Kapitel

„Séjour à Luxembourg et à Dudelange pendant la première guerre mondiale“ zeigt Menschen bei der Arbeit, dokumentiert anhand von Zeichnungen und Ölgemälden Schwere und Gefährlichkeit des Alltags in der Stahlschmiede, wobei mit dem Bild „Les lamineurs“ 1917 ein vielsagendes und atmosphärisch äußerst gelungenes, dreigliedriges Bild geschaffen wurde, das den Abschluss der „künstlerischen Hommage an die Arbeiterklasse“ und den Übergang zu anderen Themen bildet. Mit der Erinnerung an „La Mansarde“, eine Kabarett-Truppe, und dem Hinweis auf das Kabarett „Le Chat noir“ in Paris sowie animierte Männerabende, wird eine weniger bekannte Episode im „intellektuellen“ Leben des Künstlers angesprochen. Es folgen Pariser Motive aus den zwanziger Jahren.

Wie angedeutet, folgt ein Raum mit Werken, die den „artiste animalier“ ins Rampenlicht rücken. Auguste Trémont hat sich zu wilden Tieren hingezogen gefühlt und im Pariser „Jardins des plantes“ des Zoologischen Gartens Löwen, Tiger und andere Motive geduldig und realistisch skizziert, später gemalt oder zu Skulpturen geformt und gegossen, wobei ihm der Ansatz ‚Erfassung der Bewegung’ wichtig war. Markante Beispiele sind seine Löwenplastiken aus Bronze, etwa „Lion marchant“, oder die Skulpturen „Couple de tigres royaux marchant“ oder „Antilope guzib broutant“. Die Statur der Motive lässt sich an Werken wie „Sanglier“ oder „Lion“ gut dokumentieren.

Übrigens lassen sich die beiden Löwen an der Eingangstreppe zum Stadthaus Luxemburg in die gleiche Kategorie einreihen, dies mit dem Hinweis, dass sie mächtiger als die jetzt in Esch ausgestellten Plastiken sind. In einem Glaskasten eingangs der Galerie werden zudem fünf kleinere Werke präsentiert, wobei die Zeichnung „Feierstëppler“, basierend auf einer Vorlage von Mathias Gaasch, die bei der Prägung zweier Münzen als Vorlage diente, wohl am kuriosesten erscheint.

Unabhängige Künstlerkarriere

Näher auf den exakten Lebenslauf des Künstlers Auguste, von Freunden „Gust“ genannt, Trémont einzugehen, scheint müßig, erwähnenswert ist jedoch, dass der Künstler im Ersten Weltkrieg zeitweilig von den Deutschen inhaftiert worden war, Mitglied des CAL („Cercle artistique de Luxembourg“) war, sich außerhalb Luxemburgs vor allem in Paris einen Namen gemacht hatte, 1918 den Prix Grand-Duc Adolphe erhielt, jedoch zwischen 1927 und 1929 Mitglied der sogenannten „Sécession“ – einer Bewegung, welche die Kunst erneuern wollte – war und 1956, gemeinsam mit Eduard Kutter, Luxemburg auf der Kunstbiennale in Venedig vertrat. Zahlreiche seiner Werke befinden sich in privaten und öffentlichen Sammlungen. Er hat neben Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen sowie den erwähnten Löwen auch künstlerische Spuren an den Portalen der Kathedrale, des Bischofspalastes sowie einigen Monumenten zu Ehren von Kriegsgefallenen hinterlassen.

Diese Ausstellung, so Kurator Paul Bertemes, ist keine Retrospektive, es ist vielmehr eine Hommage an einen führenden Luxemburger Künstler, der durch seine teils hyperrealistischen Zeichnungen und der „skulpturalen Darstellung“ von Tieren seinen eigenen Kunststil entwickelte. Und der als unabhängiger Künstler in früheren, schweren Zeiten dokumentierte, was Paul Bertemes in seiner Einführungsrede in Anspielung auf den Ukraine-Konflikt ansprach, nämlich dass es gerade in diesen Momenten wichtig sei, „den Stellenwert der Künstler und ihrer Werke“ in den Fokus zu stellen. Ein Abstecher in die Galerie Schlassgoart lohnt sich.

Info

„Auguste Trémont en 2022 – Une rencontre revisitée“
Galerie Schlassgoart, bis zum 16. April 2022
Pavillon du centenaire/ArcelorMittal
Boulevard Grande-Duchesse Charlotte, Esch
Dienstag bis Samstag von 14.00 bis 18.00 Uhr