Im Gepäck der Bamberger, die diesen Preis für die weltweit erste vollständige Einspielung aller drei Fassungen der Symphonie Nr. 4 von Anton Bruckner erhalten haben, befanden sich die 2. und die 9. Symphonie von Gustav Mahler. Wir besuchten das letzte Konzert dieser Tournee am 29. Januar in Baden-Baden, wo Mahlers 2. Symphonie mit der Wiener Singakademie und den Solistinnen Christina Landshammer, Sopran, und Anna Lucia Richter, Mezzosopran (kurzfristig eingesprungen für die erkrankte Wiebke Lehmkuhl), zur Aufführung kam, dies in der Fassung mit einer leicht reduzierten Bläserbesetzung von Gilbert Kaplan und Rob Mathes (2013).
Zugelassen waren wegen der Corona-Bestimmungen nur 750 Zuhörer. Und die erlebten eine in allen Punkten überragende Aufführung der „Auferstehungssymphonie“. Die Bamberger Symphoniker präsentierten sich dabei als erstklassiger Klangkörper, der ohne Zweifel zu den besten in Europa gehört, leider aber immer noch ungerechterweise im Schatten anderer Top-Orchester steht. Vor allem Jonathan Nott ist es zu verdanken, dass dieses traditionsreiche, aber doch im Vergleich zu anderen recht junge Orchester in der oberen Liga mitspielen kann.
Musik statt Spektakel
Ganz neue Impulse kommen nun von Jakub Hrusa, seit nunmehr fünf Jahren Chefdirigent der Bamberger und einer der vielversprechendsten und talentiertesten Dirigenten der jüngeren Generation. Und Hrusa überraschte mit einer wunderbar ausgewogenen und detailreichen Interpretation. Statt Spektakel gab es hier Musik. Expressive Ausbrüche à la Bernstein oder Soltis knallig-scharfe Effekte suchte man vergebens, genauso wie Boulez’ kühle Zurückhaltung. Ich würde Hrusa hier eher in der Linie eines Rafael Kubelik, Bernard Haitink oder Michael Tilson Thomas sehen, also Dirigenten, die ein rundes, von böhmischen Farben beeinflusstes Klangbild anstreben, mit fließenden Melodien, Momenten der Stille, feinster Detailarbeit und einem natürlichen, unaffektierten Atem.
Überhaupt brachte Hrusa es immer wieder fertig, die Musik quasi zum Stillstand zu bringen und Pausen von intensiver Innenspannung zu schaffen. Dynamik und Tempisteigerungen wirkten ausgewogen und klar überlegt, für jeden musikalischen Abschnitt, jeden Satz fanden Hrusa und die exzellenten Bamberger den exakten Ton. Veredelt wurde ihre schlüssige und ergreifende Interpretation von der hervorragenden Wiener Singakademie und den beiden sehr expressiv und wortverständlich phrasierenden Solistinnen Christine Landshammer und Anna Lucia Richter.
Mit Spiellaune und Können
Von der großen nun zu der kleinen Symphonie. Einer Bemerkung im Autograph von Felix Mendelssohn-Bartholdys Oktett op. 20 zufolge trägt dieses Werk quasi symphonische Züge: „Dieses Oktett muß von allen Instrumenten im Style eines symphonischen Orchesters gespielt werden. Pianos und Fortes müssen genau eingehalten und schärfer betont werden als gewöhnlich in Werken dieses Charakters.“ Mendelssohns mit 16 Jahren komponiertes op. 20 ist ein Geniestreich und gilt als eines der besten Werke der Gattung Kammermusik. Es war schön, dass die jungen Akademisten des Orchestre Philhamonique du Luxembourg gerade dieses Werk als Hauptwerk ihres Konzerts im Kammermusiksaal der Philharmonie ausgesucht hatten, denn es zeigt auf wundervolle Weise die Kreativität der Jugend. „Assistiert“ von zwei Profis des Orchesters, nämlich Niall Brown, Cello, und Maya Tal, Bratsche, durften die Youngsters ihrer Spiellaune und ihrem Können freien Lauf lassen.
Einer der Akademisten, Ryou Banno, Bratsche, ist im Januar 2020 bereits vom Orchester verpflichtet worden. Für ihn ist in der Academy nun Julia Vicic, Violine, nachgerückt. Sie spielte in diesem Konzert zusammen mit Lucas Henry, Cello, Ludwig van Beethovens Duett „mit zwei obligaten Augengläsern“ für Violine und Cello. Auf Beethoven, mit dem dieses Konzert begann, folgten zwei hochinteressante Werke. Martyna Kaszkowiak, Haruka Katayama, Aya Kitasoka und Nazar Totovytskyl spielten das Quartett für vier Violinen von der polnischen Komponistin Grazyna Bacewicz (1909-1969) mit großem Elan und technischer Brillanz, während anschließend der letzte Satz Vivace con fuco aus dem Streichquartett Nr.2 von Pavel Haas ein weiteres Mal das Können der jungen Musiker (Kaszkowiak, Kitsoa, Banno und Henry) unter Beweis stellte. Hier kam noch die Perkussionistin Elise Rouchhouse hinzu, denn Haas hatte sein Quartett mit Schlagzeug erweitert. Das gut besuchte Konzert und der lautstarke Beifall des Publikums zeigten, dass man nicht nur zu den Stars kommt, sondern auch sehr neugierig auf die neue Generation ist. Mit Spannung erwarten wir also weitere Konzerte der Akademisten.
Zu Demaart
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