Tageblatt: Senior Manager Artistic Planning Systems, Fräiraim & Projects, so lautet Ihr offizieller Titel im Team der Philharmonie. Was verbirgt sich denn dahinter?
Serge Schonckert: (lacht) In der Tat, er ist sehr lang. Das kommt daher, dass ich in mehreren Bereichen hier im Haus tätig bin. Als die Philharmonie 2005 ihre Türen geöffnet hat, habe ich als Assistent im Artistic Planning begonnen. Danach wurde ich Project Manager und inzwischen habe ich noch weitere Aufgaben angenommen. Ich kümmere mich besonders um das digitale Planungssystem, sowohl im künstlerischen wie auch im logistischen, also organisatorischen Bereich. Ich bin also für eine reibungslose Planung verantwortlich, genauso wie für die Arbeitsabläufe. Also die Koordination der anfallenden Arbeiten, sodass alle Zahnräder bestmöglich ineinander greifen. Und dann bin ich noch verantwortlich für unser kleines alljährliches Festival „Fräiraim“ mit Amateurmusikern aus der Großregion.
Wie kann man sich denn jetzt praktisch so eine Koordination vorstellen?
Da ist zuerst einmal die Belegung der Säle. Wann ist das Konzert vorgesehen, wann und wo wird geprobt, wann wird aufgebaut, wann wird abgebaut. All dies wird in unserem Artistic Planning System genauestens eingetragen, sodass keine Doppelbuchungen vorkommen. All unsere Projektleiter versuchen ja, ihre Künstler bestmöglich zu platzieren, und da muss es dann ein gemeinsames System geben, worauf jeder zurückgreifen kann, um die Übersicht nicht zu verlieren und um bestmöglich planen zu können. Dieses System ist auch permanent im Einsatz, weil wir ja oft längerfristig planen müssen. Aber das System managt ebenfalls die Verträge mit den Künstlern und den verschiedenen externen Mietern der Säle, das Catering, die Gagen, wann wird wer bezahlt usw. Das geht sehr weit. Wenn z.B. ein Ensemble eine Probe für eine gewisse Zeit bucht, dann erkennt das System das und organisiert selbst, wann die Klimaanlage beispielsweise an- und ausgeschaltet wird. Wenn also ein Organisator ein Event für in drei Jahren bucht, wird das und alles, was dieses Event betrifft, bereits im Artistic Planning System festgehalten.
Das Publikum sieht ja an sich nur die Musiker, die auf die Bühne kommen, ihr Konzert spielen und wieder gehen. Darüber hinaus muss aber sehr viel organisiert werden, damit dieser Ablauf reibungslos funktioniert.
Das beginnt schon sehr früh. Unser Team ist aufgeteilt in Planung und Organisation. Die Planung stellt das Programm auf die Beine und die Organisation führt sie aus. Wobei man wissen muss, dass die Planung eines Konzerts, wie beispielsweise heute vom London Symphony Orchestra, bereits vor zwei oder drei Jahren begonnen hat. Dazu gehört die Anzahl der Musiker und Begleiter, gibt es einen Solisten, gibt es besondere organisatorische Wünsche, wie reisen die Musiker an, die Gagen usw. Wenn das dann alles feststeht und abgeschlossen ist, kommen die Informationen zu mir, das sogenannte Hand-over. Die Details werden dann von mir geklärt, denn ein Solist weiß heute noch nicht unbedingt, von wo er in drei Jahren anreisen wird. Ich muss mir dann eine Timeline anlegen und schauen, wann genau die nächsten konkreten Schritte gemacht werden müssen. Die Organisation bei einem Symphonieorchester ist eine ganz andere als bei einem Jazz-Ensemble oder World-Musikern. Meist bekommen wir im Vorfeld einen sogenannten Rider mit Sonderwünschen wie Beleuchtung, Technik, Bühnengestaltung, Essen … Ich organisiere das durch und setze mich anschließend mit dem Tour-Manager, oder oft auch dem Künstler selbst, in Verbindung, um den Ablauf festzulegen.
Die wirklichen Primadonnen, so wie man das von früher kannte, sind eher selten. Es ist heute eher das Gegenteil. Je größer und bekannter der Star ist, umso einfacher und bescheidener ist er.
Aber Ihre Arbeit beschränkt sich nicht nur auf die Philharmonie selbst.
Nein, wir müssen uns natürlich auch um die Hotelbuchungen kümmern, um das Catering, um Flug- und Zugverbindungen, Taxi, Bustransporte, VIP-Limousinen. Oder mit dem Flughafen organisieren, wann jemand mit seinem Privat-Flugzeug landen darf. Meine Arbeit ist es also, ein festgeschnürtes Paket von der Ankunft bis zur Abreise der Künstler vorzulegen. Danach kommt noch etwas administrative Arbeit wie die nachträgliche Kontrolle des Ablaufs, die Bezahlung der Gagen und Hotelrechnungen. Ich muss aber auch sagen, dass ich das nicht alleine mache. Das wäre auch unmöglich. Für jedes Konzert gibt es einen Projektleiter, der sein Projekt, also sein Konzert, von Anfang bis Schluss begleitet. Ich kann Ihnen sagen, so schön das alles auch theoretisch aussieht, die Realität ist anders. Ich hatte in all den Jahren noch kein einziges Projekt, das wirklich so abgelaufen ist, wie wir es über Jahre geplant haben. Was schiefgehen kann, das geht auch schief. Das ist Murphy’s Law.
Was geht denn meistens schief?
Es ist schon ein Klassiker, dass die Kleider eines Solisten nicht ankommen. Und da man weiß, dass die meisten Solisten erst im Laufe des Tages ankommen und auch noch proben, muss man auf die Schnelle wissen, wo man ein Kleid oder einen Anzug herbekommt. Da kommt es dann sehr viel auf die persönlichen Kontakte an. Ein anderer Klassiker: Ein Musiker verpasst seinen Flug. Oder er ist in den falschen Zug gestiegen und sitzt jetzt ganz woanders. Dann müssen wir in der Lage sein, schnellstens zu reagieren. Jemand wird krank oder hat Zahnprobleme. Also muss schnellstens ein Arzt her. Manchmal gehen auch Künstler einfach verloren und niemand weiß, wo sie geblieben sind. In Salzburg ist Luciano Pavarotti einmal in einem Aufzug steckengeblieben.
Wie reagieren denn im Allgemeinen die Künstler selbst? Ist der Umgang schwierig oder eher leicht?
Also die wirklichen Primadonnen, so wie man das von früher kannte, sind eher selten. Es ist heute eher das Gegenteil. Je größer und bekannter der Star ist, umso einfacher und bescheidener ist er. Nur einige, die gerne Stars sein möchten, es aber nicht sind, führen sich oft sehr ichbezogen und unangemessen auf. Es sind auch oft die Agenten und Personal Manager der Stars, die manchmal ein unglaubliches Gehabe aufführen, während der Star selber sehr bescheiden und zugänglich ist. Viele unserer Künstler kommen auch immer sehr gerne wieder. Wir haben eine wirkliche Willkommenskultur, die uns als Team der Philharmonie sehr am Herzen liegt. Das heißt, wir wollen, dass der Künstler sich wohlfühlt und sich nur um seine Musik zu kümmern braucht. Den Rest machen wir. Auch sind unsere Projektleiter immer persönlich anwesend und zu jedem Moment für den Künstler ansprechbar. Dieser persönliche Kontakt ist uns sehr, sehr wichtig. Und die Künstler wissen das zu schätzen.
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