Bereits vor der Corona-Krise waren Kliniken zu verschiedenen Zeiten bei uns und in den Nachbarländern an ihre Kapazitätsgrenzen angelangt. Behandlungen wurden verschoben, weil aus Rentabilitätsgründen die Bettenzahl reduziert und ungenügend Personal rekrutiert wurde. Die aktuelle Krise hat uns vor Augen geführt, dass gute öffentliche Dienste, vor allem im Gesundheits- und Pflegebereich, unverzichtbar sind. Trotz dieses Tatbestandes hat die Regierung kürzlich das Vorprojekt eines Gesetzes auf den Instanzenweg gebracht, welches riskiert, sollte es Gesetzeskraft erhalten, der Privatisierung im Klinikbereich Tür und Tor zu öffnen.
Gefahr einer Zweiklassenmedizin
Entsprechend diesem Vorprojekt sollen Ärzte und andere Gesundheitsberufler die Möglichkeit erhalten, Gesellschaften zu gründen, um in größeren Gemeinschaftspraxen Dienste anzubieten, die bis jetzt den Kliniken vorbehalten sind. Dass es sich bei den angedachten Gesellschaften nicht um Wohltätigkeitsvereine handeln wird, versteht sich von selbst. Demzufolge werden aller Wahrscheinlichkeit nach ausländische Investoren die Gelegenheit nutzen, um bei uns im Gesundheitsbereich abzusahnen.
Die Gefahr einer Zweiklassenmedizin ist somit gegeben. Wenn Lokalpolitiker argumentieren, die beschriebene Initiative würde die regionale medizinische Versorgung verbessern, so ist dies etwas kurz gedacht. Denn sollten sich in dieser Hinsicht Verbesserungen aufdrängen, müssten die etablierten Kliniken ausgebaut und dazu angehalten werden, diese Lücken zu schließen.
Zu Beginn der sanitären Krise mangelte es in vielen europäischen Ländern an Schutzmasken und an anderem Material, um die Bevölkerung und die Pflegekräfte vor Infektionen zu schützen. Dies, weil im Rahmen einer weltweiten Globalisierungs- und Freihandelspolitik die Produktion der entsprechenden Güter in Billiglohnländer ausgelagert wurde.
Das Versprechen der Politiker, die industrielle Produktion wieder verstärkt nach Europa zurückzuholen, hat sich als leere Floskel erwiesen. So wurde während des Lockdowns das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada von unseren Abgeordneten ratifiziert. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass unsere Politiker nicht das Allgemeinwohl, sondern die Profitinteressen der privaten Wirtschaft vor Augen haben.
Die Globalisierungspolitik, die munter weitergeführt wird, ist nicht nur für zeitweilige Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung und von verschiedenen Unternehmen mit verschiedenen Gütern verantwortlich. Sie ist auch in sozialer und ökologischer Hinsicht kontraproduktiv. Aufgrund dieser Politik werden riesige Mengen an Gütern zwischen den Ländern und Kontinenten hin und her geschoben. Diese klimafeindlichen Transporte werden von Besatzungen auf Schiffen und Lastwagen ausgeführt, deren Sozialbedingungen jedem Vergleich spotten.
Renten an die Lohnentwicklung anpassen
Die sanitäre Krise hat die sozialen Ungleichheiten in unserer Gesellschaft nicht aufgehoben, sondern eher noch verschärft. Die bisherigen und die angekündigten Maßnahmen der Regierung sind völlig ungenügend, um der zunehmenden Armutsgefährdung zu begegnen. In dieser Situation ist es begrüßenswert, dass Sozialminister Romain Schneider das Projekt eines großherzoglichen Reglementes auf den Instanzenweg gebracht hat, welches die Anpassung der Pensionen und Renten an die allgemeine Lohn- und Gehälterentwicklung vorsieht. Entsprechend diesem Projekt sollen die Bezüge der Pensionierten ab dem 1. Januar 2022 um 1,13 Prozent ansteigen. Allerdings werden hierdurch die erlittenen Verluste der Pensionierten durch verspätete oder nicht gewährte Anpassungen in der Vergangenheit nicht ausgeglichen. Auch die berechtigte Forderung der Arbeitnehmerkammer, die Mindestpensionen um 5,56 Prozent anzuheben, wird nicht berücksichtigt.
Aufgrund der gesunden finanziellen Situation der Pensionskasse könnten die gewerkschaftlichen Forderungen nach einem Ausgleich für die in der Vergangenheit erlittenen Pensionskürzungen sowie für eine Anhebung der Mindestpensionen problemlos berücksichtigt werden.
* Der Autor ist ehemaliger Präsident des FNCTTFEL-Landesverbands
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