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EditorialCorona-Demonstrationen: Es fehlen die Worte

Editorial / Corona-Demonstrationen: Es fehlen die Worte
Die Einschätzung der Pandemie verhärtet die Fronten Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Eigentlich fehlen einem die Worte. Nicht, um die Corona-Demonstrationen in der Hauptstadt am Wochenende zu beschreiben, sondern um sie einzuordnen. Es geht darum, die Geschehnisse vollumfänglich verstehen und nachvollziehen zu können. Und – vor allem – darum, die richtigen Schlüsse zu ziehen, wie man nämlich Demokratie und Freiheit trotz sehr unterschiedlicher Sichtweisen in der Bevölkerung bewahren kann – muss! Die Antwort darauf ist zukunftsweisend.

Es ist und bleibt kompliziert und wer trotzdem so tut, als ob es einfach sei, leidet unter selektiver Wahrnehmung oder ist ein Genie. Genies haben sich in dieser Krise jedoch nicht gezeigt. Leider. Wo Unsicherheit herrscht, und das tut sie in dieser Pandemie, finden Zweifel und Verzweiflung einen fruchtbaren Nährboden. Das überfordert vermutlich alle, die sich damit auseinandersetzen – müssen, wollen und sollen. Dieses Ohnmachtsgefühl führt oft zu Schwarz-Weiß-Malerei. Dazwischen liegende Grautöne werden von der einen oder anderen Seite zu übertünchen versucht. Schade!

Ja, es ist besorgniserregend, gar haarsträubend, was einige Demonstranten sich erlauben in Worten und Taten. Besorgniserregend sind auch die Beschimpfungen verschiedenster Art gegenüber Nichtgeimpften oder Impfskeptikern. Darüber könnte man sich durchaus ausgiebig auslassen. Es würde letztendlich aber nicht wirklich viel bringen. Beim Versuch, zu verstehen, sollte man diese Extreme deshalb vielleicht zunächst mal außen vor lassen. Also einerseits die harschen Worte der Demonstranten ausklammern, wie andererseits auch die harschen Aktionen und Reaktionen der Politik und der Ordnungshüter.

Die bestmögliche Wahrheit liegt in der Mitte. Polarisierung, Schubladendenken, Schuldzuweisungen wie „Es ist die Pandemie der Ungeimpften“ sind falsch und der Lösungsfindung nicht förderlich. Auch deshalb ist etwas mehr „sowohl als auch“ nötig statt fast nur „entweder oder“.

Niemand möchte in die Ecke ge(d)rückt werden. Auch nicht in dieser Krise, die undurchsichtiger als englischer Nebel ist. Auch nicht von dieser Regierung, die, was Corona anbelangt, eher im Sichtflug als in Besitz des der Weisheit letzten Schlusses ist. Das ist nun wirklich nicht ihre Schuld, aber genau deshalb sollte sie auch nicht absoluten Gehorsam von ihren Bürgern verlangen und nicht mit dazu beitragen, dass Menschen an den Pranger gestellt werden, wenn sie nicht gehorchen.

Es ist deshalb bedenklich, dass wer als Bürger einfach nur mitmacht, sich hat impfen lassen, um seine Ruhe zu haben, um am sozialen Leben teilnehmen zu können, jene kritisiert, die sich dem System verweigern.

Der Regierung des Landes obliegt es, für Zusammenhalt in der Bevölkerung zu sorgen. Was sie jetzt tut, ist eher Ausdruck ihrer Ratlosigkeit und Verzweiflung statt einer Lösungsfindung. Dabei gibt es durchaus vertretbare Lösungen, um Menschen nicht auszuschließen. Antikörpertests oder Gratis-Tests vor Arbeitsbeginn zum Beispiel. Mehr Kommunikation vor allem und mehr Mut. 

Eines ist klar, diese Pandemie wird nicht die letzte sein.