Simone de Beauvoir (1908-1986) war eine Musterschülerin und vielleicht auch deswegen als junge Frau einsam. Während ihrer Zeit an einer konfessionellen Schule erhellte eine einzige Freundschaft diese Leere, die Beziehung zu Elisabeth Lacoin, genannt Zaza. Diese Freundschaft hat de Beauvoir schon 1954 in einem Roman festgehalten, der nie erschienen ist. Bis jetzt.
„Als de Beauvoir das Manuskript Sartre zeigte, befand der es zu intim für eine Veröffentlichung. Es blieb in der Schublade“, schreibt der Rowohlt-Verlag, bei dem „Die Unzertrennlichen“ am Dienstag erscheint. Erst 2020, 34 Jahre nach dem Tod der Schriftstellerin und Feministin, hat ihre Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir die Veröffentlichung freigegeben.
In dem stark autobiografisch gefärbten Roman sind die Identitäten nur schwach kaschiert. Hinter Andrée Gallard verbirgt sich die Freundin Zaza, Sylvie Lepage ist das Alter Ego von Simone de Beauvoir, die hier als Ich-Erzählerin auftritt. Die Namen eines guten Freundes, der Schule und verschiedener Landsitze sind verändert, aber leicht zu identifizieren. Der Roman beginnt im Ersten Weltkrieg, als Sylvie im Alter von neun Jahren erstmals der neuen Schulkameradin begegnet und endet mit dem plötzlichen Tod der Freundin infolge einer Gehirnentzündung. Die Jahre dazwischen sind gekennzeichnet durch gegensätzlich verlaufende Emanzipationsgeschichten.
Die heftige Zuneigung zu Zaza, die diese allerdings nicht in der gleichen stürmischen Weise erwiderte, hielt bis zum Tod der Freundin im Alter von kaum 22 Jahren. Dieser wurde von de Beauvoir als geradezu schicksalhaft empfunden. In ihren „Memoiren“ schreibt sie: „Zusammen haben wir beide gegen das zähflüssige Schicksal gekämpft, das uns zu verschlingen drohte, und lange Zeit habe ich gedacht, ich hätte am Ende meine Freiheit mit ihrem Tode bezahlt.“
Wenn man will, kann man in der schwärmerischen Begeisterung Sylvies für Andrée durchaus sexuelle Züge erkennen. Dann wäre „Die Unzertrennlichen“ ein Bekenntnis der Autorin zu ihrer Bisexualität, die sie nie öffentlich machte und weshalb sie vielleicht das Manuskript zurückhielt. Was der Roman aber in jedem Fall ist: eine Emanzipationsgeschichte – und zwar sowohl eine gelungene als auch eine gescheiterte.
Zu Demaart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können