„Eine Kriegserklärung?“ – „Ein Angriff auf die EU.“ – „Eine Kampfansage.“ – Die Reaktionen auf das Urteil der polnischen Verfassungsrichter vom Donnerstag sind so eindeutig wie gleich im Ton. Die Tragweite dessen, was in Warschau entschieden wurde, lässt Kommentatoren auch keinen Spielraum für nachsichtige oder mäßigende Feststellungen. Denn die polnische Regierung hat mit der Aufforderung an das Oberste Gericht des Landes, über die Frage zu entscheiden, ob nationales Recht Vorrang vor EU-Recht haben soll, an den Grundfesten der Union gerüttelt. Was eben nun ein Beben ausgelöst hat, an dessen Ende nicht wenige bereits einen sogenannten „Polexit“, also einen Austritt Polens aus der EU, sehen. Zumindest aus der europäischen Rechtsgemeinschaft, die die EU ebenfalls ausmacht. Pikant dabei ist, dass der Europäische Gerichtshof erst in einem Urteil vom vergangenen Juni Zweifel an der einwandfreien Art und Weise der Zusammensetzung dieses Gerichts hat aufkommen lassen. In der Praxis bedeuten diese juristisch akkurat formulierten Bedenken, dass das polnische Verfassungsgericht in Polen selbst und darüber hinaus als der PiS-Regierung gegenüber hörig angesehen wird.
Der Chef der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, jubiliert und mit ihm wohl viele andere Nationalisten und Souveränisten, die in dem Urteil wohl gerne einen Sieg für die Verfechter einer weitestgehenden nationalstaatlichen Souveränität erkennen wollen. Doch dem ist nicht so. Polen hat ganz souverän mit seinem EU-Beitritt entschieden, nicht nur den Vorrang des Unionsrechts, sondern ebenfalls die nun beanstandeten Artikel im Lissabonner Vertrag anzuerkennen – nachdem Warschau den Vertrag mit den anderen damals 27 EU-Staaten mit ausgehandelt hatte. Wenn also nun ein Konflikt zwischen dem EU-Vertrag und der polnischen Verfassung bestehen sollte, ist es an der polnischen Regierung, diesen zu beheben, sprich die Landesverfassung entsprechend zu ändern. Oder glaubt Jaroslaw Kaczynski im Ernst, dass die anderen 26 EU-Staaten gewillt sind, den Vertrag aufzuschnüren, nur um ihm seine politischen Träume zu erfüllen? Vermutlich nicht, denn auch dem PiS-Chef dürfte die Absurdität seiner Vorstellungen nicht entgangen sein. Denn stünde nationales Recht vor EU-Recht, liefe das im Endeffekt darauf hinaus, dass sich in der europäischen Rechtsgemeinschaft jeder Mitgliedstaat nur an die Gesetze halten würde, die ihm in den Kram passen. Es wäre das Ende der Union, was niemand will. Das Ärgerliche an der Geschichte ist aber, dass Kaczynski mit dem Urteil des Verfassungsgerichts seine innenpolitischen Spielchen treibt und möglicherweise noch gleichgesinnte Rechtsnationalisten und -populisten in der EU à la Viktor Orban beeindrucken will.
Wie aber nun auf den Unsinn reagieren? Die EU-Kommission, als Hüterin der Verträge, sollte vom ganzen ihr zur Verfügung stehenden Arsenal an Druckmitteln Gebrauch machen und unter anderem den seit Januar in Kraft gesetzten Rechtsstaatsmechanismus einsetzen, wie es längst von verschiedenen Seiten verlangt wird. Die damit mögliche Aussetzung von Zahlungen von EU-Geldern an Warschau sowie die Zurückhaltung der ebenfalls noch nicht bewilligten über 30 Milliarden Euro im Rahmen der Corona-Wiederaufbauhilfe dürften Grund genug sein, die PiS-Regenten zur Vernunft zu bringen. Als flankierende Maßnahme wäre es angebracht, wenn ebenfalls der Rat der Mitgliedstaaten geschlossen – auch wenn damit zu rechnen ist, dass der bereits erwähnte Viktor Orban im Namen Ungarns aus der Reihe tanzt – und abseits eines Gipfeltreffens öffentlich klar Stellung beziehen und damit zeigen würde, dass nicht allein „Brüssel“, sondern alle EU-Staaten die Einhaltung der gemeinsamen Regeln einfordern.
„Eine Kriegserklärung?“ – „Ein Angriff auf die EU.“ – „Eine Kampfansage.“
Eine Kündigung der Mitgliedschaft.
"Ein Zwilling kommt selten allein." sagt man ja.Aber der Restzwilling genügt um,zusammen mit dem unsäglichen Orban,die EU in Unruhe zu halten. Hoffen wir,dass man bald diesen Querköpfen die rote Karte zeigt.