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ForumAserbaidschan und Menschenrechte – ein Überblick

Forum / Aserbaidschan und Menschenrechte – ein Überblick
 Foto: Editpress/Julien Garroy

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Egal, auf welche politische Indizes man schaut – um Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit ist es nicht gut bestellt in Aserbaidschan. Regelmäßig macht das am Kaspischen Meer gelegene Land durch Unterdrückung der Pressefreiheit, Korruption und Vorwürfen der Wahlfälschung Schlagzeilen, ganz abgesehen von Kriegsverbrechen im Konflikt mit Armenien. Letzterer reichte den Behörden zusammen mit der Corona-Pandemie als Vorwand, um in jüngerer Vergangenheit noch härter gegen Kritiker*innen vorzugehen.

Unterdrückung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Schikane, willkürliche Strafverfolgung und Inhaftierung von Regierungskritiker*innen sind in Aserbaidschan weiterhin an der Tagesordnung. Oppositionsmitglieder, Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen werden häufig auf der Grundlage politisch motivierter Anklagen festgenommen und strafrechtlich verfolgt, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen haben. Über die Einschüchterung ihrer Angehörigen wurde auch versucht, im Exil lebende Aktivst*innen zum Schweigen zu bringen. Menschenrechtsanwält*innen gerieten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit ins Visier der Regierung, was ihre Unabhängigkeit und ihre Bereitschaft, Menschenrechtsfälle zu übernehmen, beeinträchtigte. All diese repressiven Maßnahmen wirken sich massiv auf die Zivilgesellschaft in Aserbaidschan aus und fördern ein Klima der Angst und Selbstzensur.

Den Ausbruch der Corona-Pandemie nutzte Präsident Ilham Aliyev am 19. März 2020 für die Ankündigung, die Opposition „isolieren“ und „entfernen“ zu wollen, und leitete damit eine Welle an Verhaftungen von Regierungskritiker*innen ein. Sie wurden unter teilweise absurd konstruierten Vorwürfen wie Unruhestiftung, Rowdytum oder Diebstahl festgenommen. Auch die Kritik am Umgang der Behörden mit der Corona-Pandemie führte zu Verhaftungen. Der Oppositionelle Agil Humbatov wurde nach der Veröffentlichung seiner Kritik sogar über mehrere Monate in einer psychiatrischen Klinik eingesperrt, wo ihm gegen seinen Willen unbekannte Medikamente injiziert wurden.

Wie eine Untersuchung von Amnesty International aus diesem Jahr aufzeigte, kommt es immer häufiger zu gezielten Verleumdungskampagnen gegen Frauen, die entweder wegen ihres eigenen Engagements oder dem ihrer Partner diffamiert werden. Sie werden beispielsweise durch die Veröffentlichung persönlicher Daten oder Aufnahmen sexueller Natur erpresst. In den letzten zwei Jahren gab es mindestens 15 solcher Fälle, und ihre Zahl nimmt zu.

Gleichzeitig führte ein Anstieg der gemeldeten Fälle von Selbstmord durch Überlebende von Gewalt gegen Frauen zu öffentlichen Protesten. Aktivistinnen riefen die Regierung auf, endlich gegen die zunehmende Gewalt vorzugehen und der Istanbul-Konvention beizutreten. Stattdessen gingen die Behörden jedoch gegen die Demonstrierenden vor. Die Bestrafung von Menschen allein wegen ihrer friedlichen Teilnahme an Demonstrationen ist leider kein Einzelfall; das Recht auf Versammlungsfreiheit ist generell stark eingeschränkt in Aserbaidschan. Dabei setzt die Polizei teilweise exzessive Gewalt ein.

Berichte über Folter und andere Formen der Misshandlung, insbesondere an Aktivist*innen, sind nach wie vor weit verbreitet und werden von den Behörden nicht effektiv untersucht. Auf internationaler Ebene herrscht Besorgnis angesichts der Unterdrückung kritischer Stimmen. Immer wieder urteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Inhaftierungen in Aserbaidschan auf politischen Motiven basieren und widerrechtlich sind. Auch politische Instanzen wie die Parlamentarische Versammlung des Europarates verurteilen die „Strafverfolgungen aus Vergeltung“ und ein „beunruhigendes Muster aus willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen von Regierungskritiker*innen“.

Währenddessen versucht sich die aserbaidschanische Regierung jeglicher Überprüfung der Menschenrechtslage des Landes zu entziehen, indem sie internationalen Organisationen wie Amnesty International den Zugang verweigert. Auch der Zulassung unabhängiger NGOs im Land werden Steine in den Weg gelegt und ihre Führungskräfte mit Strafen aufgrund unbegründeter strafrechtlicher Verurteilungen konfrontiert.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung und Kriegsverbrechen

Bei den Kämpfen in Bergkarabach zwischen Ende September und Anfang November 2020 kamen mindestens 146 Zivilpersonen ums Leben, darunter auch mehrere Kinder und ältere Menschen. Dies war das jüngste Kapitel eines langen, gewalttätigen Territorialkonflikts zwischen aserbaidschanischen und armenischen Streitkräften, der bereits über eine Million Menschen entwurzelt hat.

Bei dem jüngsten, 44-tägigen Krieg kam es wiederholt zu Angriffen auf zivile Wohngebiete weitab der Frontlinien, in deren Nähe es häufig auch keine militärischen Angriffsziele zu geben schien. Alle Konfliktparteien setzten in dicht besiedelten Gebieten schwere Explosivwaffen mit großflächiger Wirkung ein, unter anderem ballistische Raketen und ungenaue Salven von Artillerieraketen, die Todesfälle und Verletzungen bei Zivilpersonen verursachten. Beweise sprechen dafür, dass beide Seiten Streumunition einsetzten, die nach dem humanitären Völkerrecht verboten ist.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Vertriebenen aus beiden Gemeinschaften kurz- oder sogar mittelfristig in großem Umfang zurückkehren können. Die betreffenden Gebiete sind stark vermint, und in den meisten Fällen ist von den früheren Häusern praktisch nichts übrig geblieben.

Die Kriegsgefangen wurden in Aserbaidschan unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten. Eine Reihe vermisster armenischer Soldaten wurde zuletzt in aserbaidschanischem Gewahrsam gesehen, und Aserbaidschan hat bisher keine Rechenschaft über sie abgelegt. Die aserbaidschanischen Streitkräfte verübten nachgewiesenermaßen Kriegsverbrechen in Bergkarabach: Mehrere Videos, deren Echtheit von mehreren Organisationen überprüft wurde, zeigten die Misshandlung von Kriegsgefangenen und anderen Gefangenen, Enthauptungen und die Schändung von Leichnamen feindlicher Soldaten. Es gibt ebenfalls Aufnahmen von Kriegsverbrechen der armenischen Streitkräfte.

Beide Seiten bestreiten die Vorwürfe, weshalb unter anderem Amnesty International sowohl von den aserbaidschanischen als auch den armenischen Behörden fordert, unabhängige und unparteiische Untersuchungen durchzuführen und alle Verantwortlichen zu ermitteln. Die Täter sowie alle befehlshabenden Offiziere, die diese Verbrechen angeordnet, zugelassen oder geduldet haben, müssen vor Gericht gestellt werden.

Protest vor dem „Cercle municipal“

ACAT Luxemburg („Action des chrétiens pour l’abolition de la torture“) fordert anlässlich des ersten Fußballspiels im neuen Stade de Luxembourg (Luxemburg – Aserbaidschan) zum Protest gegen die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan, insbesondere im Krieg mit Armenien um Bergkarabach, auf. Zeit: Mittwoch, 1. September 2021, von 12 bis 13 Uhr. Ort: place d’Armes vor dem „Cercle municipal“. Für weitere Informationen: www.acat.lu.

Wieder Mann
31. August 2021 - 18.42

@Grenzgegner: : Eigentlich habe ich Sie , wenn wir auch nicht einer Meinung sind ,für einen belesenen Mitbürger gehalten .Ich verweise auf den Artikel vom israelischen Journalisten Tal Leder,In Berg-Karabach droht ein Stellvertreterkrieg,18 Oktober 2020, NTV,der Ihnen wohl Drahtzieher und Nutznießer nennt.

grenzgegner
31. August 2021 - 17.35

@Wieder Mann: Sie wissen mehr? Na dann los. Machen Sie uns ein wenig klüger.
Wer sind sie, die ungenannten "Drahtzieher"?

Wieder Mann
31. August 2021 - 13.52

Die Drahtzieher und Nutznießer dieses Konfliktes kommen wohl im überschwänglichen „ Gesouers“ dieses Artikel nicht vor. Ohne die Drahtzieher, Nutznießer dieses Konfliktes ist Aserbaidschan , und schon gar nicht die Sportler, die erste Adresse sich zu beschweren, zu protestieren.Ohne die militärische Hilfe der Drahtzieher, Nutznießer wäre es wohl nicht so schnell zu diesem Konflikt gekommen.