Krisen haben oft einen katalysatorischen Effekt; auch die Covid-Krise wird manches schneller verändern, als dies unter normalen Umständen der Fall gewesen wäre. Ein gutes Beispiel ist die Arbeit für die Firma in der eigenen Wohnung, das sogenannte „Home-Office“, das sich in vielen Sektoren durchsetzen konnte und auch dann noch Bestand haben wird, wenn längst ein Impfstoff gefunden sein wird.
Ähnlich könnte es sich mit der Arbeitszeit verhalten. Viele Menschen, ob Unternehmer oder Angestellte, haben in den letzten Monaten ganz konkret die Erfahrung gemacht, die als theoretisches Denkmodell bereits länger eines empirischen Beweises harrte: Wer intensiv und ausgeruht weniger Zeit am Schreibtisch verbringt, kann genauso produktiv oder gar produktiver sein als jemand, der – überspitzt ausgedrückt – den Büroschlaf mit einplant. Auch in der Industrie könnte eine verkürzte, dafür aber intensivere Arbeitszeit positiv wirken.
Bei unseren deutschen Nachbarn laufen zurzeit zwei Initiativen, die auf eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit hinwirken wollen. Die IG-Metall schlägt eine Vier-Tage-Woche vor, eine Initiative, die von der Regierung nicht a priori abgelehnt wird. Wie dies im Detail aussehen könnte, ob mit vollem Lohnausgleich oder mit Lohneinbußen, darüber hat die Diskussion gerade erst begonnen. Die Gewerkschaft verweist darauf, dass die aktuell verbreitete Kurzarbeit beweise, dass viel Arbeitszeit von den Betrieben nicht benötigt werde, die Arbeitgeber machen auf geschrumpfte oder nicht mehr existente Finanzreserven der Unternehmen aufmerksam.
„Die Linke“ geht einen Schritt weiter und stellt die Forderung nach einer 30-Stunden-Woche für alle Beschäftigten in den Raum. Die erhöhte Produktivität durch digitale Arbeitsinstrumente könne zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit, sprich von Familie, genutzt werden, sollte keineswegs „zur Verdichtung von Arbeit, zur Erhöhung des Stresses, zur verstärkten Kontrolle durch das Management, zur Verlängerung von Tätigkeiten auf tariflose Subunternehmen und zum Druck auf Tarifstandards, Löhne und Arbeitsbedingungen führen“, heißt es in dem entsprechenden Positionspapier der Partei.
Auch wenn der technische Fortschritt den Menschen die Erwerbsarbeit nicht komplett abnehmen werden kann und die Prophezeiung des Ökonomen John Maynard Keynes, der eine Wochenarbeitszeit von 15 Stunden voraussagte, noch unrealistisch scheint, so scheint eine nächste Etappe in der Entwicklung der Wochenarbeitszeit möglich und notwendig zu sein.
Dies besonders in Luxemburg, wo die 40-Stunden-Woche, die in anderen europäischen Ländern längst Geschichte ist, immer noch die arbeitsrechtlich verankerte Norm ist.
Die Überarbeitung des Arbeitsrechts, die sich aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Heimarbeit aufdrängt, und die – so weit herrscht bereits Konsens – im Sozialdialog zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelt werden wird, wäre eine gute Gelegenheit, diese weitere Etappe anzugehen; auch im Interesse der Betriebe, die mit ausgeglichenen, ausgeruhten und motivierten Mitarbeitern nur gewinnen können.
Angesichts der in Luxemburg immer noch geltenden 40-Stunden-Woche kann man sich fragen welche Art von Arbeitgeber diese Regelung noch als Standortvorteil sieht und sich deswegen hier ansiedelt. Was J.M. Keynes' Prophezeiung anbelangt, so muss man hinzufügen, dass Keynes zu seiner Zeit nicht mit einem derartigen Anstieg des privaten Konsums gerechnet hat, wie wir ihn seitdem erleben (müssen). Anders gäbe es die 40-Stunden-Woche längst nicht mehr, alle hätten genug mit weniger Arbeit.