Es dürfte die letzte Wahl des Alexander Lukaschenko gewesen sein. Denn mittlerweile wissen alle, dass er verloren hat: die Wahlen, den Rückhalt in der Bevölkerung, vermutlich auch bereits in Teilen den Rückhalt des Staatsapparats, vor allem aber sein Gesicht. Er kann sich nur durch Lug und Trug, Einschüchterungen und Erpressungen, durch prügelnde Bereitschaftspolizisten und die massenhafte Verschleppung von Staatsbürgern an der Macht halten. Die Menschen in Weißrussland haben in den vergangenen Tagen und Wochen mehr als deutlich gemacht, dass sie diesen Präsidenten und dieses Regime nicht mehr wollen, indem sie – davon kann man ausgehen – mehrheitlich einer in politischen Dingen weitgehend unerfahrenen Präsidentschaftskandidatin ihr Vertrauen schenkten. Dass in Belarus trotz der Brutalität, mit der Lukaschenko gegen sie vorgehen lässt, viele Bürger sich dennoch zu bislang friedlichen Protesten auf den Straßen der Hauptstadt und anderen Städten versammelten, zeigt nicht nur ihre Entschlossenheit, ihre Rechte und Freiheit einzufordern, sondern auch den Ärger und ihre Wut gegenüber einer Staatsführung, die weder Respekt noch Achtung vor der Bevölkerung hat. Allerdings: Wenn die Proteste gegen den „letzten Diktator Europas“ jetzt nicht doch noch durch einen von der Opposition gewünschten Generalstreik unterstützt werden, dürfte, wie bei anderen Gelegenheiten in der Vergangenheit, letztlich der Repressionsapparat Lukaschenkos wieder die Oberhand behalten.
Druck auf das Regime könnte allerdings auch von außen kommen. Bisher aber hielten sich die EU-Staaten – bis auf die Feststellung, dass die Präsidentschaftswahl weder frei noch fair abgelaufen sei, und die Verurteilung der willkürlichen Polizeigewalt – noch weitgehend zurück. Zwar werden am Freitag die EU-Außenminister über mögliche Sanktionen gegen die Regierenden in Minsk beraten. Ob das den Menschen in Weißrussland helfen wird, ist eher ungewiss. Dass die EU-Europäer mit Zurückhaltung an die Ereignisse in dem Land herangehen, hat seinen Grund. Und der sitzt in Moskau. Der russische Präsident Wladimir Putin war, neben dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, einer der Ersten, die Lukaschenko zu seinem „Wahlsieg“ gratulierten. Demnach scheint für Moskau die Lage klar zu sein. Jeder mit Aussicht auf Erfolg behafteter Versuch, daran etwas zu ändern, vor allem von außen, dürfte von Putin als illegitimer Eingriff gewertet werden, wodurch er sich zum Handeln veranlasst sähe. Denn er will verhindern, dass ihm auch noch der letzte vermeintliche Vasall abhandenkommt.
Es ist davon auszugehen, dass der russische Präsident bereit ist, in Belarus noch weiter zu gehen, als er es in der Ukraine ohnehin schon tut. Denn Putin drängt Lukaschenko bereits seit längerem zu einem engeren Zusammenschluss beider Staaten, an dessen eher früherem als späterem Ende vermutlich die Einverleibung Weißrusslands durch Moskau stünde. Auch wenn beide Länder viel enger miteinander verbunden sind, als es die Ukraine und Russland waren, ist dies keine Option. Bislang konnte der gegenüber dem Drängen Moskaus zuweilen störrische Lukaschenko in Putins vermeintlichem Vorgarten zur Europäischen Union schalten und walten, wie er wollte. Sollte er aber nun die Kontrolle verlieren, wäre das sein Aus, zumindest mit Duldung, wenn nicht gar Zutun des Kreml. Das müssen die EU-Staaten in ihrer Reaktion auf die Geschehnisse in Weißrussland berücksichtigen, auch wenn damit weder der Mut noch die Erwartungen der dortigen Bevölkerung so gewürdigt werden, wie sie es in dieser Situation verdient hätten.
Putin,der Präsident auf Lebenszeit,macht eh was er will.