Die wohl maßlos überschätzte Sagrada Familia im katalanischen Provinznest Barcelona kann kaum mit der Fousbanner Pfarrkirche mithalten, die Münchner Allianz Arena ist im Vergleich zum gepflegten Rasen des FC Minière Lasauvage ein besserer Kartoffelacker und die Blumenuhr im Differdinger Park hat sicher größeres touristisches Potenzial als Atomium und Manneken Pis zusammengenommen. Anders ist der jüngste Bericht des Beratungsunternehmens Deloitte nicht zu erklären. Der „Property Index 2020“ des Unternehmens vergleicht Wohnungspreise in 66 europäischen Städten und kommt zum doch auf den ersten Blick erstaunlichen Ergebnis, dass Differdingen auf Platz 9 der teuersten europäischen Immobilienpflaster vorgestoßen ist und mit einer festgestellten durchschnittlichen Miete von 20 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche locker Barcelona (19,3 Euro), München (16,4 Euro) und problemlos Brüssel (11,8 Euro) als Ort für die Reichen und Schönen abhängen kann.
Als absoluten europäischen Spitzenreiter stellt die Deloitte-Studie Luxemburg-Stadt fest. Die durchschnittlichen Mietpreise hier (30,7 Euro/m2) werden nicht einmal von Paris (28,3 Euro) oder London (27 Euro) erreicht, die beiden Städte müssen sich mit Rang 2 und 3 begnügen. Unter den mietenmäßig betrachtet zehn teuersten Städten Europas tummeln sich neben der Hauptstadt Esch auf Platz 6 (21,8 Euro) und erschreckenderweise auch Differdingen.
Neben den oben erwähnten kulturellen Highlights der solchermaßen unbezahlbar werdenden einstigen Luxemburger Industriestädte mit noch großer sozialer Mixität ist die Preisentwicklung laut Deloitte das Resultat einer schnell wachsenden Wirtschaft und Bevölkerung des Landes.
Dass auch politisches Versagen bzw. zu zaghafte Maßnahmen gegen Spekulation und Profitgier ihren Teil zu der Preisexplosion im Immobiliensektor beigetragen haben, hat der frühere CSV-Premier Jean-Claude Juncker unlängst in einem Tageblatt-Interview zugegeben. Die Luxemburger würden hier Luxemburger über den Tisch ziehen, so Juncker, der einst die Wohnungsnot zur Chefsache gemacht hatte und genauso an einer Lösung dieses andauernden sozialen Skandals scheiterte wie seine Nachfolger, wie er nicht vergaß zu unterstreichen.
Doch längst sind es nicht mehr ausschließlich nationale Promotoren, die eine Preissteigerung von jährlich knapp sechs Prozent bei Immobilienverkäufen seit 2010 zu verantworten haben: Die Gewinnspannen mit nationalen Wohnungen haben sich längst auch bei internationalen Investoren herumgesprochen und so kaufen Pensions- und andere Fonds gerne mal bescheidene Einfamilienhäuser in Luxemburg, auch unbesehen. Der Gewinn ist so lange garantiert, wie die Politik diesen Markt, der längst keine selbstregulierenden Kräfte mehr kennt, frei gewähren lässt. Ohne starke Eingriffe, ohne verordnete Preisvorgaben und Bremsen werden in wenigen Jahren wohl alle Spitzenplätze des Deloitte’schen Preisvergleichs von ansonsten international kaum auffallenden Luxemburger Ortschaften besetzt werden. Wer dann noch in Esch, Differdingen, Düdelingen, Petingen, Kayl usw. wohnen kann, bleibt dabei offen.
@Petition1638.org
"Die Tatsache, dass trotz Coronakrise bereits mehr als 4800 Pesonen unterschrieben haben, "
Trotz? Sie reden, als ob die Leute sich mit schwerem Mundschutz durch kranke Menschenmassen durchkämpfen mussten um zum Unterschriftslokal zu kommen.
Wir langweilen uns alle auf der Couch und unterschreiben jeden Mist nur damit wir was zu lachen haben.
"Nun ist es an der Politik zu reagieren!"
Ja, sie werden gehört und dann war es das.
Sie wollen ja anscheinend alle hässlichen Buden schützen, die nach dem Krieg von den absoluten Laien mit geklauten Minettssteinen hochgezogen wurden.
Davon gibt's hunderttausend hier im Land.
Schützenwert ist keine.
Gescheiterte Politik. Als damals ein bekannter Immobilienmogul zusammen mit einigen hochrangigen LSAP-Politikern vor laufender RTL-Kamera etwas improvisiert zu Juncker ins Büro kamen um diesem das neue Leopard-Team-Trikot überzuziehen fand ich das sehr befremdlich, diese Nähe unserer Spitzenpolitiker zum Immobilienmillionär. Über die Jahre entstand jedenfalls keine schärfere Gesetzgebung zum finanziellen Vorteil zukünftiger Mieter oder Käufer und dort stehen wir heute noch. Mieten in Schieren und bezahlen wie in München, so sieht's aus.
@ Petition1638.org Damit wird das Problem der Wohnungsnot auch nicht gelöst. Der Staat müsste 100.000 Wohnungen bauen allein um hier die vielen Menschen im unteren Lohnbereich unterzubringen. Und das Problem einfach ins naheliegende Ausland zu verlagern führt nur zu immer mehr Grenzgängern.
Kein Wunder, man darf ja in Differdingen aus Omas Häuschen ja keine 3 bezahlbare Appartements machen, dann wird's eben renoviert und für 1,5 Millionen verhökert.
Wenn man diesen Artikel liest wird man zurecht Kommunist. Ist die Regierung nicht gefragt die Mietpreise pro m2 vorzuschreiben oder maximalistisch zu versteuern. Die aktuelle Bautenpolitik ist nicht sozialistisch, nicht christlich sozial oder kommunistisch sondern zu liberal.
Vielen Dank für diese aufschlussreiche Analyse. Was man vielleicht noch hätte erwähnen können, ist, dass diese Entwicklung den unvermeidlichen Tod des luxemburgischen Bauerbes bedeutet. Wenn, wie von Ihnen beschrieben, ein internationale Fond bescheidene Einfamilienhäuser aufkauft, um sie anschliessend in eine eben so teure wie schmucklose Résidence zu verwandeln, bedeutet dies, dass diese prägenden Elemente unserer Kulturlandschaft für immer verschwinden und Luxemburg bald zu einer einzigartigen Betongwüste im Herzen Europas wird. Aus diesem Grund haben wir, eine Gruppe besorgter BewohnerInnen dieses Landes kürzlich eine öffentliche Unterschriftensammlung für den Erhalt des luxemburgischen Bauerbes gestartet. Die Tatsache, dass trotz Coronakrise bereits mehr als 4800 Pesonen unterschrieben haben, zeigt deutlich, dass viele Menschen diese Entwicklung nicht mehr länger hinnehmen wollen. Nun ist es an der Politik zu reagieren!
"Die Luxemburger würden hier Luxemburger über den Tisch ziehen" damit hat der bauernschlaue Junker nicht gerechnet, wollte er doch nur, dass sein Wählerklientel am zu erwartenden Zuzug der ausländischen Arbeiter und Angestellten ordentlich mitverdienen. Aber wie so häufig, Gier frisst Hirn. Der relativ hohe Mindestlohn nutzt bei solchen Mieten auch nichts mehr und wer keine Wahl hat, wird zum Grenzgänger.