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EditorialBegrenzte Solidarität der EU-Staaten in Krisenzeiten

Editorial / Begrenzte Solidarität der EU-Staaten in Krisenzeiten
Wenn EU-Staaten ihre Grenzen schließen, geht gar nichts mehr: vor rund zwei Wochen an der deutsch-polnischen Grenze Foto: AFP/Jens Schlueter

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Über den Mangel an Solidarität zu Beginn der Corona-Krise zwischen den EU-Staaten wurde bereits hinlänglich diskutiert. Etwa im Rahmen der Grenzschließungen, als, kurz nachdem sich diesseits des Atlantiks noch kollektiv darüber geärgert wurde, dass US-Präsident Donald Trump die Flugverbindungen zu Europa kappen werde und keine Europäer mehr in die USA einreisen durften, nicht wenige EU- und Schengen-Staaten selbst dazu übergingen, ihre Grenzen dichtzumachen. Wohl wissend, dass es der Sache überhaupt nichts nützt und damit keine Ansteckung vermieden wird. Als die Grenzen entlang der Mosel bereits geschlossen waren, landete am Samstag vorletzter Woche eine Bekannte mit einem Flug aus Hongkong (China) kommend in Frankfurt/Main. Während sie bei ihrem Zwischenstopp in Hongkong noch von medizinischem Personal empfangen, in Augenschein genommen und ihre Körpertemperatur gemessen wurde, wurden die Passagiere, in Frankfurt angekommen, einfach nur durchgewunken. So viel zu konsequenten Kontrollen an den Binnen- und Außengrenzen der EU.

In der Frage der Beschaffung bzw. Bereitstellung von medizinischem Schutzmaterial und anderen in der Krisenlage notwendigen Gütern scheinen sich die EU-Staaten, nachdem anfänglich hier ebenfalls der „Jeder für sich“-Reflex eingesetzt hatte, eines Besseren zu besinnen. Immerhin haben die EU-Staats- und Regierungschefs vergangene Woche während ihrer Videokonferenz beschlossen, gemeinsame Reserven anzulegen. Mehr noch: Aus den überlasteten Regionen Italiens und Frankreichs werden Intensivpatienten in andere EU-Staaten gebracht, darunter auch nach Luxemburg. Dazu ist eine Gemeinschaft da.

Bei der besagten Videokonferenz brach allerdings ein Streit aus, der sich vorher bereits angekündigt hatte und in der EU nicht neu ist. Es geht um die Auflage von gemeinsamen Schuldverschreibungen, der Situation angepasst, Corona-Bonds genannt. Luxemburg hat sich an die Seite jener acht anderen EU-Staaten gestellt, die sich für die Einführung dieser zu anderen Zeiten „Euro-Bonds“ genannten gemeinsamen Anleihen aussprechen. Und wie damals während der Finanz- und Schuldenkrise lehnen vor allem Deutschland und die Niederlande das Ansinnen ihrer EU-Partner ab. Mit dem nach wie vor gleichen Argument: Sie wollen im Ernstfall nicht für andere EU-Staaten haften. Und sie verweisen darauf, dass es noch ein anderes Hilfsinstrument für Staaten gebe, die in eine finanzielle Schieflage geraten sind: der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM). Allerdings sind Länder, die den ESM nutzen, gleich mit einem Stigma belegt und werden in absehbarer Zeit auf den Finanzmärkten kaum Anleihen zu vernünftigen Bedingungen aufnehmen können. Gemeinsame Anleihen hingegen helfen finanzschwächeren Staaten, da sie wesentlich günstiger an Geld kommen. Und einmal abgesehen von finanzpolitischen Bedenken: Euro-Bonds sind auch ein Zeichen der Solidarität, das weit über wirtschaftliche Überlegungen hinausgeht und gerade in diesen Krisenzeiten einen zusätzlichen, gemeinschaftsstiftenden Moment bewirken kann. Ihre Einführung wäre zudem ein Argument gegen die Populisten vom Schlage eines Matteo Salvini, denen die Gelegenheit genommen werden muss, später zu behaupten, die Union würde in schweren Zeiten nicht zusammenstehen. Außerdem: Selbst Griechenland zahlt wider Erwarten so manch kluger Wirtschaftsprofessoren seine Schulden zurück. An denen andere bislang gut verdient haben.

J.Scholer
30. März 2020 - 11.41

Wie tief die Risse durch Europa gehen , sieht man an der Aufspaltung in Sachen Eurobonds. Einerseits Deutschland, Österreich, Niederlande,... die Gegner gelebter Solidarität, andererseits Frankreich , Luxemburg, Italien,.....die Befürworter. Auch die Aussagen von Herrn Gabriel sprechen Bände , das Statement der CDU zum Überdenken der Kanzlerkandidatur mit Ausblick auf die Zukunft Europas, das Brodeln revolutionären Gedankengut in Italien,.....die Auflistung liesse sich fortsetzen, Europa am Scheideweg . Deutschland war Hauptnutznießer der Griechenlandkrise und bewahre uns, diesem Eigennutz wieder zu unterstützen.Europa kann nur auf Basis humanistischer, solidarischer ,sozialer Denkweise eine Zukunft haben. Das kapitalistische , auf Wirtschaftswachstum und Konsum orientierte Europa ist definitiv gescheitert.

Jacques Zeyen
30. März 2020 - 10.08

Bravo. Guter Artikel. Die berühmten Wirtschaftsweisen hinken mit ihren Prognosen hinterher seit es Prognosen gibt. Glaskugelbesitzer raten wie es wohl kommen wird. " Da gibt es intelligentere Lebensformen auf ihrem Duschvorhang zuhause." sagte einst Kabarettist Volker Pispers zu den Zukunftsvisionen der "BWL-Schnösel". Nur tragisch,dass unsere Politiker,die in fetten Zeiten die EU zum Himmel loben,bei der geringsten Krise ihre Zöllner wieder uniformieren und den LKW-Fahrern( die heute lebensrettende Funktion haben) das Leben schwer machen. So funktioniert Einheit nicht.