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GastbeitragWo war ich – in Zeiten von Covid-19?

Gastbeitrag / Wo war ich – in Zeiten von Covid-19?
Die Straßen in Luxemburg-Stadt sind wie leer gefegt. Nur wenige Menschen treffen hier noch aufeinander.  Foto: Editpress/Anne Lommel

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Die Covid-19-Pandemie ist anders als andere Ausbrüche von Infektionskrankheiten. Wer aufschreibt, wann er wo mit wem Kontakt hatte, kann dazu beitragen, Hotspots zu identifizieren, sagt Prof. Claude P. Muller vom Luxembourg Institute of Health in seinem Gastbeitrag.

Ausbrüche von Infektionskrankheiten sind nicht selten. Sie sind oft zeitlich und örtlich limitiert und auf eine überschaubare Anzahl von Personen beschränkt. Es handelt sich häufig um Erreger, die durch kontaminiertes Wasser, Lebensmittel oder Tierkontakte übertragen werden. Der Infektionsquelle kommt man meist dadurch auf die Spur, dass man die Bewegung, Kontakte, Gewohnheiten der betroffenen Patienten miteinander abgleicht. Es sind die Überschneidungen in den Angaben, die meist zielführend sind. Auch dem Ursprung des Coronavirus auf dem Tiermarkt in Wuhan ist man so auf die Spur gekommen. Andere Beispiele, die durch die Presse gingen, sind die H5N1-Hühnergrippe besonders in Südostasien, das SARS-CoV von 2002, das ebenfalls auf einem Tiermarkt (in Hongkong) seinen Anfang nahm, das MERS-Coronavirus, das auf infizierte Dromedare als Zwischenwirt zurückgeführt werden konnte, und noch mehr.

Bei der derzeitigen Covid-19-Pandemie ist vieles anders: Bereits eine der vielen, mehr oder weniger zufälligen Begegnungen im Alltag kann unbemerkt zur Infektion und Krankheit führen. Eine rasch ansteigende Zahl von Menschen infiziert sich, viele, ohne offensichtlich krank zu sein. Alles entscheidende Unterschiede zu den genannten „einfachen“ Ausbrüchen. Normalerweise würde deshalb die oben genannte Herangehensweise bei der Suche nach der Infektionsquelle ins Leere gehen.

Ansteckungsherde

Normalerweise! Aufgrund der einschneidenden Maßnahmen zur Reduzierung der sozialen Kontakte sind wir aber weit von der Normalität entfernt – und zwar so weit, dass eine Suche von Infektionsquellen durch Contact Tracing wieder möglich erscheint.

Durch die massive (und gerechtfertigte) Einschränkung der Bewegungsfreiheit hat sich die Zahl der Kontakte für die meisten Mitbürger stark reduziert: Die Ansteckungsmöglichkeiten sind wieder überschaubar geworden. In dieser Situation wäre es durchaus wieder möglich, Ansteckungsherde und Übertragungsmuster zu identifizieren. Schwierig aber bleibt, dass das Zeitfenster, in dem die Infektion stattgefunden haben kann, mit bis zu 14 Tagen relativ lang sein kann. Man kann jedoch davon ausgehen, dass ein Großteil der Patienten sich etwa fünf bis sieben Tage vor Auftreten der Symptome infiziert hat. Allerdings wissen die wenigsten noch, wo sie sich vor einer Woche aufgehalten haben, mit wem sie unter welchen Umständen Kontakt hatten und bei wem sie sich angesteckt haben könnten.

Hilfsmittel gegen das Vergessen

Aber gegen Vergessen gibt es ein einfaches (Lowtech-) Hilfsmittel: Papier und Stift zum Aufschreiben, sozusagen PaStA gegen das Virus. Sinnvoll wäre es, wenn jeder Mitbürger jeden Tag genau über seine außerhäuslichen Bewegungen und Kontakte Buch führen würde: an welchem Tag, zu welcher Uhrzeit sie/er mit wem zusammengetroffen ist und unter welchen Umständen. Zum Beispiel: Mittwoch 18.3., 14.35, mit/ohne Handy, mit/ohne Mundschutz, Fahrt mit dem Bus 290 (engster Kontakt mehr als zwei Meter) zur Apotheke X, warten vor der Apotheke zusammen mit vier Personen (Mindestabstand von drei Metern), in der Apotheke kein weiterer Kunde, Kontakt mit der Angestellten, die Mundschutz und Handschuhe trug, Abstand weniger als ein Meter, danach zu Fuß zurück nach Hause ohne Kontakte unterwegs, zu Hause Hände waschen. Fertig!

Ähnliches würde auch für Arbeitnehmer, die weiterarbeiten, Sinn machen: Mit wem haben sie Kontakt im Betrieb oder außerhalb gehabt? Heime und Krankenhäuser könnten vor den Zimmern Listen auslegen, in denen sich das Personal beim Betreten (einmalig pro Tag) einträgt. Jeder Aus- und Umgang könnte auf diese Weise dokumentiert werden (Einzelheiten bei coronavirus.lih.lu). Je genauer, umso nützlicher für das Verständnis von Übertragungswegen und Übertragungsmustern sowie für das Erkennen von Risikoverhaltensweisen, -tätigkeiten und -Berufsgruppen.

Selbsttest

Notieren könnte man auch täglich das Ergebnis eines kleinen Selbsttests: Da Covid-19 oft bereits in einem frühen Stadium mit einer reduzierten Lungenfunktion (Atemnot) einhergeht, könnte dieser Selbsttest weiterhelfen: Morgens und abends bequem sitzend die Luft anhalten bis zu beginnender Luftnot, dabei die Zeit in Sekunden stoppen und aufschreiben. Bei zusätzlichen Symptomen wie trockenem Husten und Fieber kann das deutlich schnellere Eintreten von Luftnot ein zusätzlicher Hinweis auf eine mögliche Covid-19-Infektion sein und bei der Verdachtsdiagnose weiterhelfen (vgl. coronavirus.lih.lu).

Bleibt die Person gesund, wird nie jemand die Angaben zu Gesicht bekommen. Nur im Covid-19-Krankheitsfall könnten die Informationen bei entsprechendem Einverständnis beispielsweise telefonisch, online oder per WhatsApp zur Verfügung gestellt werden. Diese würden zusammen mit den Angaben vieler anderer Patienten verglichen und ausgewertet. Durch Überschneidungen könnten wahrscheinliche Infektionsherde identifiziert, Risikoverhalten und Übertragungsmuster erkannt werden.

Ein wichtiger Beitrag

Dies könnte die Bekämpfung von Covid-19 in unserem Land entscheidend voranbringen. In Kenntnis von Hotspots, Infektionsmustern, und Risikoverhalten könnten die Gesundheitsbehörden sozusagen chirurgisch nachjustieren. Maßnahmen könnten gezielt und zeitnah auf ihre Wirksamkeit überprüft und wenn nötig angepasst werden. Handlungsanleitungen und -empfehlungen könnten so noch besser aus dem spezifisch luxemburgischen oder regionalen Kontext begründet werden. Die Ausbreitung des Virus ließe sich weiter strecken, so dass das Gesundheitssystem besser mithalten kann.

Luxemburg ist auf einzigartige Weise für ein solches Vorgehen geeignet, da die Grenzen zu unseren Nachbarn de facto nur für ausländische Pendler offen sind. Für Ortsansässige sind die Grenzen praktisch zu, sodass das Gebiet, in dem es zu Übertragungen kommen kann, für sie recht begrenzt ist, was die Wahrscheinlichkeit von Überschneidungen erhöht. Insbesondere auch nach Stabilisierung und Rückgang der Fallzahlen ließen sich Maßnahmen kontrolliert und rational zurücknehmen. Dies könnte zu einer merklichen Verkürzung der jetzigen Einschränkungen führen – und zu einer schnelleren Rückkehr zur Normalität, zumindest in Teilbereichen. Indem man seine Bewegungen und Kontakte für den Ernstfall täglich dokumentiert, könnte jeder dazu einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten.

Wie schützt man sich am besten vor einer Ansteckung?

Die Schutzmaßnahmen sind die gleichen wie bei anderen Infektionen der Atemwege: Hände regelmäßig und gründlich waschen, in den Ellbogen oder in ein Papiertaschentuch niesen und das Taschentuch sofort in einem abgedeckten Mülleimer entsorgen, Händeschütteln und Küssen vermeiden, von engem Kontakt mit kranken Menschen absehen, zu Hause bleiben, wenn man krank ist, und es unterlassen, das Gesicht mit den Händen zu berühren.

Seit dem 2. März 2020 ist eine Hotline für die Öffentlichkeit unter der Nummer 80 02 80 80 in Betrieb.

Menschen mit Symptomen einer Infektion oder solche, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, sollen nicht zum Arzt oder in die Notaufnahme gehen, sondern die Nummer 80 02 80 80 (oder im Notfall 112) anrufen. Darüber hinaus sollten sie von Besuchen bei gefährdeten Personen absehen.

Das Coronavirus im Steckbrief

– Name: Coronavirus, Covid-19
– Übertragungsweg: Tröpfcheninfektion
– Am meisten betroffene Körperregion: Lungen
– Symptome: trockener Husten, Fieber, Atemnot
– Inkubationszeit: bis zu 14 Tagen
– Gefährlich besonders für ältere Menschen oder Personen, die schon (schwere) gesundheitliche Probleme haben

Clemi
21. März 2020 - 19.15

höchst spannender ansatz wie ich finde, und für jeden einfach umzusetzen. ich hoffe dieser artikel erschien in allen luxemburger medien und steht auf gouvernement.lu und facebook und ...!!!!!!!!!

J.Scholer
21. März 2020 - 14.01

Absolut interessanter Artikel . Ich verweise auch auf einen Bericht des DLF, 18 März,„ Was hilft im Kampf gegen das Coronarvirus- Durchseuchung oder totale soziale Isolierung“. Und dem avisierten Leser dieses Berichtes , wenn auch Laie, müsste klar werden , dieses Virus wird den Menschen jahrelang , es sei ,es geschehen schnellstmöglich wissenschaftliche Wunder, in der bisherigen bekannten Lebensfreiheiten, Gesellschaftssystemen einschränken, begleiten und Opfer kosten. Seit Januar verfolge ich die Presseartikel, Berichte aus China, ...die Verbreitung dieses Viruses ,habe über den Ausbruch anderer Seuchen ( Spanische Grippe, Ebola, ....)nachgelesen und bin zur Überzeugung gekommen, leider nur totalitäre Staaten die Möglichkeit haben, durch massive Einschränkungen ,Überwachung der Smartphones, die besten Chancen haben , solange wir weder Impfstoff, Medikament haben, einigermaßen zu überleben. Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch im Interesse aller Menschen die draußen im Kampf an der Virusfront stehen, versuchen uns in allen lebensnotwendigen Bereichen zu helfen , glaube ich , wir nicht darumkommen unsere bisher gekannten Freiheiten ,freiwillig und drastisch einzuschränken. Meine Frau hat mich in den letzten Monaten oft als Schwarzseher tituliert, ihr sei verziehen , ich verstehe diese menschliche Reaktion, aber der zu führende Kampf gegen dieses Virus erfordert unvorstellbare Massnahmen .

Guy Guth
20. März 2020 - 18.33

Anders herum gefragt: wo ist seit Wochen die EU Kommission mit an der Spitze Frau von der Leyen. Do kommt einem die Galle hoch wenn man dieses "Krisenmanagment" dieses Vereines sieht oder eher nicht sieht. Koordination,Entscheidungen usw. wären seit Wochen gefragt von diesen "Spitzenpolitikern der EU" in diesem unseren Europa aber nichts davon. Jedes Land oder Bundesland macht was sie gerade für richtig halten und dies alles zu einem unglaublichen Tohuwabohu führt. Der eine schliesst Grenzen der andere nicht,hier in L sind richtigerweise seit längerem Geschäfte,Restaurants usw. geschlossen in mehreren Ländern nicht,Friseure mussten hierzulande schliessen jedoch in anderen EU Staaten wird weiter Haare geschnitten und so könnte ich weiterfahren.... Deshalb EU Kommission mit all euren Kommissaren erwachet endlich und zeigt Leadership denn das ist was wir Europäer von euch erwarten