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Als die „Spanische“ tötete: Die Pandemie von 1918/19 forderte viele Opfer in Luxemburg

Als die „Spanische“ tötete: Die Pandemie von 1918/19 forderte viele Opfer in Luxemburg
Alliierte Militärärzte bei der Untersuchung von Patienten in Luxemburg-Stadt: Die Grippewelle forderte sowohl zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung als auch unter den Soldaten, die heil aus den Gräben zurückgekommen waren

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Rund zehn Millionen Tote forderte der Erste Weltkrieg, doch als die Kampfhandlungen durch den Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918 beendet wurden, war der Schrecken noch lange nicht vorbei. Eine neue Plage geißelte die Weltbevölkerung und traf auch Luxemburg heftig.

Historiker gehen davon aus, dass die Pandemie, die bis Ende 1919 grassierte und fälschlicherweise den Namen „Spanische Grippe“ oder einfach „die Spanische“ erhielt, mit US-amerikanischen Truppentransporten nach Europa gekommen war. Schätzungen zu den Opferzahlen variieren zwischen 25 und 50 Millionen.

Das erste Antibiotikum, Penicillin, wurde erst 1928 von Flemming entdeckt, die medizinischen Mittel gegen den Influenzavirus beschränkten sich damals auf die Linderung der Symptome. Effizient waren die Möglichkeiten der damaligen Ärzteschaft kaum und die von einigen geforderten Quarantänemaßnahmen waren angesichts der zahlreichen Menschenbewegungen zum Ende des Weltkrieges nicht umsetzbar.

In einem US-Militärhospital in Hollerich: Patienten lagen Kopf neben Füßen des nächsten und trugen alle, genau wie das Personal, Atemschutzmasken

Ungebremste Ausbreitung in Europa

So konnte sich die tödliche Grippewelle in den Jahren 1918 und 1919 ungebremst in Europa verbreiten und forderte auch in Luxemburg Opfer. Wie viele es im Großherzogtum waren, ist nicht mehr nachzuvollziehen, einige Anhaltspunkte verdeutlichen aber die damalige Situation.

So beklagt sich der „medizinische Inspektor“ Arendt im Oktober 1918 darüber, dass diverse angeordnete Maßnahmen, um eine Ausbreitung der Grippe zu vermeiden, nur sehr schwer umsetzbar seien. Genannt werden die Schließung der Schulen und ein Verbot von Theateraufführungen und anderen Veranstaltungen mit starkem Publikumsandrang.

Als Beispiel nennt er eine Theateraufführung über den Tiroler Volkshelden Andreas Hofer, die am 27. Oktober um 20 Uhr in Mamer stattfinden sollte und mit dem fadenscheinigen Argument, die Anordnung sei nicht im Memorial publiziert worden und die Gendarmen würden „Akte von Rebellion“ befürchten, dennoch stattfand. Die Musikgesellschaft „Union de Mamer“ habe die Hofer-Aufführung vor vollem Saal durchgezogen. In den Tanzsälen Lang-Michels, Ries-Colzon, Letsch-Olinger und wahrscheinlich weiteren sei die ganze Nacht ebenfalls getanzt worden, beklagt sich der oben genannte Arendt. Auch in den Kabaretts Hausemer und Kugener in Hagen sei das vorgesehene Programm durchgezogen worden.

Strenge Maßnahmen seien nun notwendig, da sich die Grippe in den vorigen zwei Wochen hauptsächlich auf solchen Veranstaltungen rasant ausgebreitet habe; ganze Dörfer seien mittlerweile betroffen. Der Generaldirektor der „Instruction publique“ Welter leitete das Schreiben zwecks polizeilicher Unterstützung an den Staatsminister weiter.

Kein Gräberbesuch an Allerheiligen

Arendt hatte auch angemahnt, die Prozessionen, Gräbersegnungen und Messen an Allerheiligen wegen der Ansteckungsgefahr abzusagen – offenbar ohne Erfolg. So meldete die Obermosel-Zeitung Ende November: „Die Spanische hat nunmehr den Weg in den äußersten Winkel des Echternacher Kantons gefunden. Meistens sind es junge Männer, die davon befallen sind. Auch Schulkinder haben unter der Krankheit zu leiden.“

Medizinische Versorgung anno 1918

Am 4. November 1918 schrieb das Escher Tageblatt: „Auch Grippeanfälle tauchen immer wieder auf. So ist die gefährliche Seuche noch nicht am abnehmen. Allein zehn Menschen starben so in Düdelingen an der Grippe.“ Bereits am 7. August hatte die Zeitung Folgendes gemeldet: „Der Krieg mit seiner Unterernährung beginnt seine unheimlichen Folgen auch in Esch zu zeigen. Durch die spanische Grippe haben sich die Erkrankungen unheimlich gehäuft, was in Anbetracht der schlechten Wohnungsverhältnisse selbstverständlich ist.“

Wegen mangelnder Spitalbetten forderte das Escher Tageblatt, dass die Stadtverwaltung provisorische Lazarette einrichtet. „In einzelner Straßen liegen ohne jede rationelle Pflege Typhus- und Scharlachkranke. In der Neudorfstaße liegt eine scharlachkranke Frau mit fünf scharlachkranken Kindern in einem Zimmer und einem Bette“, berichtete die Zeitung.

Keine Zeitung wegen der Grippe

Nach den Entbehrungen des Krieges waren neben der Grippe zu allem Überfluss noch weitere Epidemien ausgebrochen. Am 23. Oktober verwies das Escher Tageblatt, das sich bei den Abonnenten für eine späte Zustellung der Zeitung entschuldigte, da „zwei Drittel des Personals an der Grippe erkrankt sind“, auf die Lage in den Schulen: „Wie uns mitgeteilt wird, sollen in anderen Primärschulen über 750 Kinder an Grippe erkrankt sein. Industrieschule und Mädchenlyzeum, welche Staatsanstalten sind, wurden geschlossen, aber für die Kinder des Volkes scheint keine Gefahr vorzuliegen“, so die Kritik der Zeitung an der Gemeindeführung. Sie forderte die Behörden zum Handeln auf.

Außer einer Linderung der Symptome konnten die Ärzte nicht viel gegen die Grippe ausrichten

Die Epidemie führte unter anderem zur Schließung der protestantischen Kirche sowie der hauptstädtischen Synagoge, während die katholischen Kulthäuser geöffnet blieben, was Kommentatoren zu der Frage verleitete, ob ein Besuch einer katholischen Kirche immunisierend wirke.

Auch die Wirtschaft war von der Pandemie getroffen: So fehlten in der ersten Novemberwoche 1918 im Düdelinger Eisenwerk ein Fünftel der Arbeiter, die sich krankgemeldet hatten. 18 Arbeiter des Werkes waren an der Krankheit gestorben, darunter zwei junge Menschen im Alter von 16 und 19 Jahren. Erst Ende 1919 war die schlimmste Grippewelle des 20. Jahrhunderts vorbei.

Nationale Quellen: Nationalarchiv, Obermoselzeitung, Tageblatt, Mutations 10/2018

Jugel
1. November 2019 - 10.46

Also ech verstinn dee System hei ëmmer manner.

Den Artikel hei ass op mannst 5 Mol op der Haaptsäit ze fannen, souguer niewenteneen.

Ass dat wéinst dem Hierschtlach?