Noch bevor die Anhörungen der künftigen EU-Kommissare gestern im Europäischen Parlament (EP) begonnen hatten, waren bereits zwei von ihnen aus dem Rennen. Der Rechtsausschuss des EP stellte gestern zum zweiten Mal fest, dass die Rumänin Rovana Plumb und der Ungar Laszlo Trocsanyi aufgrund verschiedener Umstände nicht die Gewähr bieten würden und damit für das Amt eines EU-Kommissars ungeeignet seien.
Die Anhörungen im EP bieten die einzige Möglichkeit, «faule» Nominierungen aus den EU-Mitgliedstaaten für die Spitzenposten in der europäischen Exekutive zu korrigieren. Neben den beiden Genannten stehen noch andere Kandidaten unter besonderer Beobachtung der EU-Parlamentarier, wie etwa die französische Politikerin Sylvie Goulard, die in Frankreich als Verteidigungsministerin wegen des Verdachts der Scheinbeschäftigung eines Assistenten in ihrer Zeit als EP-Abgeordnete zurücktreten musste. Dem spanischen Außenminister und ehemaligen EP-Präsidenten Josep Borrell wiederum wird ein Strafbefehl wegen Insiderdeliktes vorgehalten. Nicht nur Kandidaten aus kleinen und/oder osteuropäischen Staaten werden ins Visier genommen, sondern auch große Länder müssen darauf gefasst sein, einen Ersatz zu nominieren. Wie es 2004 Italien tun musste, nachdem Rocco Buttiglione, ein Christdemokrat, Homosexualität als «Sünde» bezeichnet und die eigentliche Rolle der Frau in der Gesellschafts aufs Kinderkriegen reduziert hatte.
Es stimmt wohl, dass die EU-Parlamentarier in den Ausschüssen die Kandidaten ihrer Parteienfamilie wohlwollender behandeln, als sie es mit jenen der politischen Konkurrenz tun. Doch da die beiden großen Parteien – konservative EVP und sozialdemokratische S&D – im EP zunehmend an Gewicht verlieren und keine Koalitionen eingegangen sind, fällt es auch ihnen immer schwerer, «ihre» Kandidaten vor einer allzu scharfen Begutachtung zu bewahren. Will heißen: Die Annäherung der Kräfteverhältnisse zwischen den politischen Fraktionen sowie deren Diversität im EP begünstigen die Überprüfung der angehenden Kommissare. Sicherlich wäre all das nicht nötig, würde die Zusammensetzung der Kommission den Ausgang der Europawahl widerspiegeln. Immerhin wird im Lissabonner Vertrag bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten verlangt, das Ergebnis der EU-Wahl zu berücksichtigen.
Nur, wie würde dann sichergestellt, dass jedes EU-Land in der Kommission vertreten ist, worauf alle bestehen? Und welche Regierung schickt die grünen, linken und rechtsextremen Kandidaten für die Kommission nach Brüssel? Überlegenswert wäre eine Direktwahl der jeweiligen Kommissare in den Mitgliedstaaten, gleichzeitig mit den Europawahlen. Doch dann hätte der ungarische Vertreter akzeptiert werden müssen, trotz seiner Fehler. Man sieht: Es ist schwer, das Demokratiedefizit, das der EU-Kommission immer nachgesagt wird, zu beheben. Das derzeitige System der Anhörungen durch die EP-Abgeordneten scheint bis auf weiteres die geeignetste Methode zu sein, die Anwärter auf die Posten in Brüssel auf ihre Eignung hin zu überprüfen. Woraufhin sie vom EP die Zustimmung und somit ihre demokratische Legitimität erhalten. In vielen EU-Ländern saßen und sitzen Minister in der Regierung, die nicht aus einer Wahl hervorgegangen sind. Und sich keiner Anhörung in ihrem Parlament stellen mussten. Auch in Luxemburg. Doch wird wohl niemand dem Land absprechen, eine Demokratie zu sein.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können