Headlines

Ein Meilenstein: Hobby-Bildhauer freuen sich über ihr Atelier in Esch

Ein Meilenstein: Hobby-Bildhauer freuen sich über ihr Atelier in Esch

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Eine schattige Baumallee, ein uriges Café: Es ist ein idyllisches Bild, das sich auf dem Weg zum „Atelier de sculpture Clair-Chêne“ bietet. Lediglich gedämpfte Schleif- und Klopfgeräusche dringen aus der Rangierbrücke, auch „Auszéibréck“ genannt, zu uns herüber. Hier, in einer großräumigen Werkstatt, meißeln und hämmern 20 begeisterte Hobby-Bildhauer seit einigen Monaten.

Von Christiane Wagner (Text) und Tania Feller (Fotos)

Am Eingang des Ateliers erwarten uns Kulturschöffe Pim Knaff (DP) und Ralph Waltmans, Leiter des Escher „Service culturel“. Letzterer hat das Projekt „Skulpturen-Atelier“ in die neue Kulturstrategie der „Minettemetropole“ eingebunden.

„Vor langen Jahren gab es bereits eine Skulpturenschule in Esch“, erzählt Pim Knaff. „Sie war 1982 auf Initiative des bekannten Escher Bildhauers Aurelio Sabbatini gegründet worden. Den Hobbykünstlern standen damals Arbeitsräume in der Brill-Schule zur Verfügung. Als sie dort ausziehen mussten, begann eine regelrechte Odyssee durchs ganze Land. Trotz ständiger Umzüge gaben sie nie auf, schufen fleißig weiter kunstvolle Skulpturen und nahmen ständig neue Mitglieder in ihre Reihen auf.“

Jahrelang kein Dach über dem Kopf

Im Mai vergangenen Jahres dann wandte sich eine Gruppe dieser jahrelang herumirrenden Skulpteure mit der Bitte um ein geeignetes Atelier in Esch an den Kulturschöffen. Ohne Dach über dem Kopf stünde der ursprünglich Escher Kulturverein vor dem Aus. Sofort zog Pim Knaff die zuständigen Gemeindedienste zurate.

Mithilfe des Stadtarchitekten Luc Everling wurde innerhalb kürzester Zeit ein passender und dazu noch außergewöhnlicher Standort ausgemacht. „Dann ging alles sehr schnell. Dank der reibungslosen Zusammenarbeit aller Beteiligten konnten die Bildhauer im September ihre neuen Räumlichkeiten in der Rangierbrücke am Rande des ‹Clair-Chêne›-Stadtwäldchens beziehen“, berichtet Pim Knaff weiter.

Ralph Waltmans ist ebenso begeistert: „Diese Initiative passt hundertprozentig in unsere Kulturstrategie und hat Pilotcharakter. Die Skulpturenschule mit Atelier wertet einen Ort auf, den man als historische Industrieanlage bezeichnen kann. Sie belebt das Wohnviertel, in dem sie angesiedelt ist. Des Weiteren ist sie für Anfänger und Fortgeschrittene zugänglich und erfüllt so die Auflagen des Lebenslangen Lernens.“

Industrieanlage und Bildhaueratelier

Bei der neuen Unterkunft handelt es sich um eine Rangierbrücke, die in der Blütezeit der Stahlindustrie errichtet wurde und heute noch von ArcelorMittal genutzt wird. Im letzten Jahrhundert war ein einstöckiges Lagerhaus in den Brückenbogen zwischen Pfeilern eingepasst worden.

Um dieses leicht verwunschen wirkende Gebäude in eine Bildhauerwerkstatt umzuwandeln, bedurfte es nur kleinerer Instandsetzungsarbeiten. Das weitläufige Erdgeschoss konnte quasi im Originalzustand belassen werden. So besticht der Raum durch seinen Ateliercharakter und bietet ausreichend Fläche zum Einrichten von Arbeitsplätzen und zur Aufbewahrung von Material.

Manche sind seit Jahrzehnten dabei

Doch wie gefällt den „Bewohnern“ ihre neue Bleibe? In einem Punkt sind sich alle einig: Ein schöneres und authentischeres Atelier hätten sie kaum finden können. Hier verwirkliche man seine Ideen auch gerne mal außerhalb der Kurse. Deshalb sei es ein großes Plus, dass alle Mitglieder jederzeit nach Lust und Inspiration Zugang zum Arbeitsraum hätten.

Guy Schaefer ist seit 20 Jahren dabei. „Ich fühle mich hier sehr wohl. Alle Voraussetzungen für kreatives Schaffen sind erfüllt. Außerdem wissen wir jetzt, wo wir hingehören, und können für die Zukunft planen.»

Auch Tilly Wengler, seit 16 Jahren eifrige Kursteilnehmerin, freut sich, dass das Kollektiv wieder ein Zuhause in seiner Gründungsstadt hat: „Das Atelier ist einmalig und hat diese besondere Atmosphäre, die Motivation und Kreativität anregt.“

Kreativer Austausch unter Freunden

Gérard Müller ist der Meinung, dass man hier herrlich arbeiten könne. „Die Gruppe ist sehr harmonisch. Ich genieße den Austausch mit Gleichgesinnten und das gesellige Beisammensein.“

„Wir alle verstehen uns hervorragend. Die meisten von uns üben ihr Hobby schon seit über 18 Jahren gemeinsam aus“, ergänzt Sonja Haas. „Wir bezeichnen uns als Freunde und helfen uns oft gegenseitig. Denn manchmal verlangt uns die Bildhauerei ja auch harten körperlichen Einsatz ab.“

Ebenso optimistisch blickt Kursleiter Alex Reding in die Zukunft. „Dieser Standort ist ideal für unsere Zwecke! Unsere Kunstsparte setzt ja einiges an Platz voraus. Außerdem entsteht etwas Staub und Lärm. Nun freue ich mich darauf, meine talentierten und motivierten Schüler in diesem förderlichen Umfeld jeden Dienstag unterrichten zu können.“

Bildhauerei bleibt ein Hobby

Stichwort Talent: Die Skulpturen werden häufig für ihre hohe Qualität gelobt. Ob es da keine Ambitionen in Richtung Professionalisierung gäbe, wollten wir wissen. „Natürlich will jeder von uns immer besser werden“, verrät Alex Redings Assistent Eck Lunckes. „Doch die Bildhauerei soll ein Hobby bleiben. Es ist uns wichtig, keinem Druck ausgesetzt zu sein.“

Guy Schaefer, der sich als „ganz verrückt nach Steinen“ bezeichnet, ergänzt: „Dieses Material fasziniert mich seit jeher. Aus jedem Urlaub schleppe ich einige besondere Exemplare nach Hause. Heute bearbeite ich Steinblöcke. Dieses harte Material nach meinen eigenen Vorstellungen formen zu können, ist eine einzigartige Erfahrung. Diese Faszination soll bleiben.“

Gearbeitet wird bei den Escher Bildhauern hauptsächlich mit Marmor und Sandstein. Es werden Objekte in tragbarer Größe gefertigt.

Felsenfeste Überzeugung

Bis zu 100 Stunden kann die Herstellung einer Skulptur in Anspruch nehmen. Und ganz billig ist das Hobby auch nicht, erfahren wir. Sowohl Material als auch Werkzeug schlagen ganz schön ins Geld. Zusätzlich fahren viele der Kursteilnehmer jährlich auf eigene Kosten nach Carrara, der italienischen Hochburg des weißen Marmors, um ihre Fertigkeiten bei bekannten Meistern zu verfeinern.

Die rund 20-köpfige Gruppe im „Atelier Clair-Chêne“ umfasst alle Alterskategorien. Ältestes Mitglied ist Fernand Piantanida mit 87 Jahren. Er war übrigens Guy Schaefers Lehrmeister in der Belvaler „Léierbud“. In der Bildhauerschule tauschten beide dann die Rollen. Nichts spreche übrigens dagegen, die Bildhauerei auch im fortgeschrittenen Alter zu erlernen.

Außerdem, erzählt man uns weiter, sind die meisten ursprünglich aus Esch stammenden Teilnehmer heute übers ganze Land verstreut und legen eine beachtliche Strecke zurück, um in die Kurse zu kommen. Felsenfeste Überzeugung also, die die Escher Bildhauer noch mehr zusammenschweißt.