Am 28. Juni berichtete das Tageblatt über die Drogenproblematik in der Straßburger Straße in der Hauptstadt. Die Bewohner beschweren sich – zu Recht – über den Drogenhandel vor ihrer Haustür. Bürgermeisterin Lydie Polfer kommentiert die Situation u.a. mit der Aussage, dass der Drogenhandel irgendwie ein lukrativer Markt sei. Keine große Neuigkeit. Doch warum wird dieser Gedanke nicht weitergesponnen?
Polfer spricht damit zwar den Kern des Problems an, verschließt aber gleichzeitig (wie die Mehrheit der Politiker) die Augen vor den sich aufzwingenden logischen Schlussfolgerungen: Ja, es ist ein Markt, und infolgedessen richtet er sich nach Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage wird durch die Sucht bestimmt, ein gesellschaftliches Problem, das sich nicht per Anordnung aus der Welt schaffen lässt. Abhängigkeit ist eine Krankheit, keine Straftat, daher sollte der Drogenkonsum ausschließlich eine Angelegenheit für Sozialarbeiter und Mediziner sein. Ebenso wenig lässt sich der Drogenhandel – das Angebot – durch polizeiliche Maßnahmen unterbinden. Das ist noch nirgends geglückt.
Dass die Bewohner der Straßburger Straße die Nase gestrichen voll haben, ist nur zu verständlich. Doch die Polizei könnte jeden Tag Dutzende Drogenhändler verhaften, der Ersatz würde nicht lange auf sich warten lassen. Man spricht nicht umsonst von „organisiertem“ Verbrechen.
Die Prohibition in den Vereinigten Staaten zwischen 1920 und 1933 ist ein gutes Beispiel für das Versagen repressiver Politik. Während dieser Zeit stieg die Verbrechensrate rasant. Kriminelle bauten sich dank des Alkoholschmuggels wahre Imperien auf. Am Ende mussten die Politiker die Nutzlosigkeit der Prohibition einsehen und sie beenden. Leider fand die Mafia das Drogengeschäft als Alternative. Warum also auf der Repression beharren, einem Mittel, das sein Ziel seit jeher verfehlt hat? Die Illegalität der Drogen nützt vor allem den Drogenbossen, die wohl nichts mehr fürchten als eine Legalisierung, denn das würde für sie erhebliche Einkommensverluste bedeuten.
Den Drogenmarkt mit polizeilichen Maßnahmen bekämpfen zu wollen, ist naiv, illusorisch und obendrein teuer. Platzverbote – falls sie überhaupt eingehalten werden – würden das Problem allenfalls geografisch verlagern. Die Aussage vom Polizeidirektor der Hauptstadt, Patrick Even, „die Polizei allein wird das Drogen- und das Prostitutionsproblem im Bahnhofsviertel nicht lösen“, trifft den Nagel auf den Kopf. Gefordert sind die Politiker: Sie sollten ihre Gedankengänge („Drogenmarkt ist ein lukratives Geschäft“) zu Ende führen und dem Problem mit einer liberalen Drogenpolitik marktwirtschaftlich zu Leibe rücken.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Bekommt der Konsument weiche Drogen in einem Coffeeshop oder die harten auf Rezept in der Apotheke, sind Straßendealer überflüssig. Zudem würde ein verbilligtes Angebot unter staatlicher Kontrolle auch die Beschaffungskriminalität senken.
... und gehen Sie noch weiter mit den Gedanken:
Die Polizei kann sich auf andere Delikte konzentrieren. Es gibt keine Ueberstunden bei der Polizei mehr. Die kleinkriminellen Drogenverkaeufer sind nicht mehr im Gefaengnis. Es gibt dort keine Ueberbelegung mehr. Der Staat spart eine Menge Geld. Dieses Geld kann der Staat fuer massive visible Kampagnen ausgeben, auf denen mit haesslichen Visagen vor dem Drogenkonsum gewarnt wird. Desweiteren kann der Staat endlich anfangen, sich mit Medizinern und Psychologen aktiv um die Schwerstabhaengigen zu kuemmern, die dringend Hilfe brauchen, und denen heute NUR neue Spritzen gegeben werden. Das ist beschaemend.
Die Menschen in der Strassburger Strasse haben vollkommen Recht, wenn sie sauer auf die Regierung sind.
Gute Analyse, Herr Molinaro. Der Rausch, die Sucht, ist so alt wie die Menschheit. Eine Liberalisierung der Drogenpolitik sollte mehr als sorgfältig durchdacht sein, ich erinnere mich noch an die Szenen des Expieriments in Zürich vor einigen Jahren. Eins steht fest, der Umgang mit drogenkranken Menschen muss sich ändern. Depenalisierung tut Not.