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Mutmaßlicher rechter Polit-Mord in Deutschland: „Die Feindbilder sind markiert“

Mutmaßlicher rechter Polit-Mord in Deutschland: „Die Feindbilder sind markiert“

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Die Bundesanwaltschaft geht bei dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Ein Verdächtiger sitzt in Untersuchungshaft. Wie groß ist die Gefahr weiterer Taten?

Zum Foto: Rund zwei Wochen nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke haben in Hamburg wenige hundert linke Demonstranten und Autonome gegen rechte Gewalt protestiert. Foto: Bodo Marks/dpa

Die deutsche Bundesanwaltschaft stuft den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke als politisches Attentat ein und geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Sie ermittelt gegen den 45-jährigen einschlägig vorbestraften Stephan E.. Er sei dringend verdächtig, Lübcke Anfang Juni heimtückisch durch einen Kopfschuss getötet zu haben, berichtete die Karlsruher Behörde am Montag.

«Wir gehen aufgrund des aktuellen Ermittlungsstandes davon aus, dass es sich um einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat handelt», sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft. Dafür sprächen insbesondere das Vorleben des Tatverdächtigen und seine öffentlich wiedergegebenen Meinungen und Ansichten. «Wir gehen natürlich auch der Frage nach, ob und inwieweit bislang unbekannte Hintermänner oder Tatbeteiligte in die Tat eingebunden waren.»

Hinweise auf ein rechtsterroristisches Netzwerk gebe es aber bisher nicht.

Tatverdächtiger ist einschlägig vorbestraft

Bei dem tatverdächtigen Deutschen handelt es sich um einen mehrfach vorbestraften Mann, der nach Angaben aus Sicherheitskreisen zumindest in der Vergangenheit Verbindungen in die rechtsextreme Szene hatte. Unter anderem soll er laut «Zeit Online» 1993 einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim im hessischen Hohenstein-Steckenroth verübt haben. Spezialeinheiten hatten ihn am Samstag in Kassel gefasst, seit Sonntag sitzt er unter Mordverdacht in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt hatte das Verfahren am Montag an sich gezogen.

Die Festnahme des Verdächtigen in Kassel geht nach Angaben der hessischen Ermittler auf eine DNA-Spur zurück, die zu einem Treffer in einer Datenbank führte. Laut «Süddeutscher Zeitung» liegen über den 45-Jährigen polizeiliche Erkenntnisse über Landfriedensbruch, Körperverletzung und Waffenbesitz vor.

Nach Informationen des «Spiegels» soll er zumindest in der Vergangenheit auch im Umfeld der hessischen NPD aktiv gewesen sein. Vor zehn Jahren sei er auch an Angriffen von Rechtsradikalen auf eine Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 1. Mai 2009 in Dortmund beteiligt gewesen. Er sei damals wegen Landfriedensbruchs zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Seither sei er nicht mehr als extremistisch aufgefallen, berichtete der «Spiegel» unter Berufung auf Sicherheitskreise.

Experte warnt vor erhöhter Terrorgefahr

Der Rechtsextremismusexperte Gideon Botsch warnt vor einer erhöhten Terrorgefahr. «Die nächsten 12 bis 18 Monate werden besonders gefährlich», sagte der Leiter der Forschungsstelle für Antisemitismus und Rechtsextremismus des Moses Mendelssohn Zentrums an der Universität Potsdam dem «Tagesspiegel» (Dienstag).

Als Risikofaktor nannte Botsch eine von Frust geprägte rechte Szene – unter anderem durch die rückläufige Aufmerksamkeit für Proteste wie bei Pegida. Es sei «wahrscheinlich, dass mit dem Abflauen der Aufmerksamkeit für solche Gruppen die terroristischen Akte zunehmen werden». Bis Mitte 2018 hätten diese Gruppen einen politischen Umsturz propagiert. Das habe nicht funktioniert. Dieser Frust könnte nun einige Zellen erneut mobilisieren und diese weiter radikalisieren.

«Die Feindbilder sind markiert», sagte Botsch, der auch die AfD in diesem Kontext verantwortlich macht. «Da hat die AfD deutlich mitmarkiert, da hat Pegida mitmarkiert. All diese Kräfte, die sich offiziell von Gewalt distanzieren, haben sehr deutlich zur Hetze beigetragen.»

Die Bundesanwaltschaft hatte den Mord an Lübcke am Montag als politisches Attentat eingestuft und geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Sie ermittelt gegen den 45-jährigen einschlägig vorbestraften Stephan E.. Er sei dringend verdächtig, Lübcke Anfang Juni heimtückisch durch einen Kopfschuss getötet zu haben, berichtete die Karlsruher Behörde am Montag.

AfD weist Vorwurf des Verbalradikalismus zurück

Die Bundes-AfD glaubt nicht, dass das Attentat den Beginn einer rechtsterroristischen Welle markieren könnte. «Diese Gefahr sehen wir nicht», sagte der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth, der Deutschen Presse-Agentur. Auf den von Politikern anderer Parteien erhobenen Vorwurf, die AfD habe mit Verbalradikalismus den Nährboden für derartige Taten bereitet, antwortete er: «Nein, wir haben mit solchen Taten nichts zu tun.»

Die AfD in Thüringen hat unterdessen Berichte zurückgewiesen, laut denen Stephan E. an den Landesverband gespendet haben soll. «Der Landesverband Thüringen der Alternative für Deutschland kann ausschließen, dass es eine Spende des Herrn E. an die AfD Thüringen gegeben hat», teilte ein Sprecher am Montagabend mit. «Fest steht zudem, dass die AfD Thüringen in keiner Beziehung zu dieser Person steht.»

2016 soll der Mann nach taz-Informationen 150 Euro an die AfD Thüringen gespendet haben – mit dem Betreff «Gott segne euch».

Experte: «Erinnert an NSU-Mord»

«Das war ein eiskalter Mord an einem deutschen Spitzenpolitiker», sagte Politikwissenschaftler Hajo Funke der «Passauer Neuen Presse» (Dienstag). «Er erinnert sehr stark an den Mord an Halit Yozgat im Jahr 2006 in Kassel, der der rechtsextremen NSU zugeordnet wird», sagte Funke. Sowohl in Kassel als auch in Dortmund gebe es ein dichtes und gewaltbereites neonazistisches Netzwerk. Diese seien auch miteinander verbunden. «Das sind hochgefährliche Netzwerke», so Funke. «Die Bundesanwaltschaft ist inzwischen gut aufgestellt in diesem Bereich und hat Einblicke, die wir nicht haben.»

Auch bei anderen von Drohungen betroffenen Kommunalpolitikern hat der Mord Ängste ausgelöst. Der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Tröglitz in Sachsen-Anhalt, Markus Nierth, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag): «Meine Frau und ich waren schon über die Mordnachricht sehr erschrocken. Und die Verhaftung macht uns natürlich auch große Angst. Denn die Erinnerungen an die eigenen angstbeladenen Wochen und Monate werden neu belebt.» Bei Lübcke sei «eine entscheidende Hemmschwelle überschritten» worden. Hier hätten rechtsextremistische «Terroristen durchgezogen, was sie sich seit Jahren in ihren perversen Gewaltfantasien erträumen». Nierth war nach seinem Einsatz für Asylsuchende von Rechtsextremisten 2015 bedroht worden und von seinem Amt zurückgetreten.

«Neue Dimension»

Der Bürgermeister von Altena (Nordrhein-Westfalen), Andreas Hollstein (CDU), sagte dem RND: «Wenn sich die Verdachtsmomente bestätigen, dann muss das umfassend aufgeklärt werden.» Ein rechtsextremistischer Mord an einem Politiker «wäre eine neue Dimension, gegen die man mit der ganzen Härte des Rechtsstaates vorgehen muss. Man darf den Rechtsextremisten keinen Millimeter Spielraum lassen.» Hollstein war 2017 von einem Mann mit einem Messer attackiert worden, der sich während des Angriffs abfällig über Hollsteins liberale Flüchtlingspolitik äußerte.

Der 65-jährige Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni gegen 0.30 Uhr auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha bei Kassel entdeckt worden. Der CDU-Politiker hatte eine Schussverletzung am Kopf und starb wenig später im Krankenhaus. Lübcke war in der Vergangenheit wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen bedroht worden. Er hatte sich 2015 auf einer Informationsveranstaltung gegen Schmährufe gewehrt und gesagt, wer gewisse Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne das Land verlassen.

GuyT
21. Juni 2019 - 14.12

In Deutschland kommt es immer mehr zu solchen Gewalttaten gegen politische Amtsträger: Im ersten Quartal 2019 wurden bundesweit 217 Straftaten gegen politische Amtsträger gemeldet. Dabei richten sich die Angriffe gegen alle Parteien: AfD 114 ,DIE GRÜNEN 19, CDU 15, CSU 1, DIE LINKE 9 ,SPD 21 ,Sonstige 4
Hetzer aller Art sollten sich bewusst werden wozu gruppenbezogene Feindlichkeit führen kann.