Lange Zeit stand er im Schatten seiner Mutter und wurde dann, als er die Staatsgeschäfte übernahm, immer mehr zum Liebling der Nation: Über 90 Prozent der Luxemburger hatten sich um die Jahrhundertwende für Großherzog Jean ausgesprochen.
Er hatte die Kriegswirren an der Front miterlebt und selbst für die Freiheit gekämpft. Gemeinsam mit seinem Vater, Prinz Felix, war er mit den amerikanischen Soldaten in das befreite Luxemburg einmarschiert. Eine Erfahrung, die das Leben von Großherzog Jean prägte. Seine Mutter, Großherzogin Charlotte, hatte ein außergewöhnliches Charisma. Ihr ältester Sohn wuchs in ihrem Schatten auf. 1964, nach der Abdankung von Charlotte, nahm er selbst die Zügel in die Hand.
Der neue Monarch zeigte sich als ein ruhiger, zurückhaltender Mensch. Aber er wuchs mit der Zeit in seine Rolle hinein, überwand seinen scheuen Charakter – und wurde zum Liebling der Nation. Seine vielen Besuche im In- und Ausland brachten ihn den Menschen näher. Er zeigte sich immer an neuen Projekten interessiert, besuchte Firmen und Fabriken und informierte sich vor Ort.
Eine Rose für den Großherzog
Die Luxemburger erzählen sich noch heute viele Anekdoten über Jean: Die Weinberg-Zusammenlegung, mit der man zu Beginn der 70er-Jahre an der Mosel begann, galt als eine totale Erneuerung in der Weinproduktion. Der Großherzog wollte sich also selbst an der Mosel informieren. Er packte die Stiefel in den Wagen und ließ sich hinfahren. Gemeinsam mit nur drei Pressevertretern ließ er sich in einem Schulsaal in einem Kreis von nicht einmal einem halben Dutzend Experten Erklärungen geben.
Während er interessiert den Ausführungen folgte, klopfte es an der Tür. Ein Mann im blauen Arbeitsdress kam herein und hielt eine rote Rose in der Hand. Er ging zum Großherzog und überreichte ihm die Blume, verbeugte sich und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Großes Erstaunen im Saal, doch der Landesfürst zeigte sich freudig überrascht und bedankte sich recht herzlich. Ende der Szene, die nicht im Drehbuch stand.
Small Talk im Flugzeug
Netter Zug: Großherzog begrüßte Journalisten, die ihn und die Großherzogin auf Staatsbesuchen begleiteten, immer persönlich und per Handschlag, bevor sie in das Flugzeug einstiegen. Während des Flugs zog er dann eine wollene Strickjacke an und kam zum Plausch zu den Presseleuten. Dann ging er wieder an seinen Platz zurück und – je nachdem, wo ihn die Reise hinführte – zog sich um und legte die Uniform an.
Staatsbesuch in Island. Gäste und Journalisten waren auf dem Weg ins Inselzentrum. An einem der vielen kleinen Seen stiegen alle aus den Bussen, mit denen sie durch die schöne, urwüchsige Landschaft gefahren waren. Entchen schwammen auf dem kalten Wasser. Die Gäste zeigten sich begeistert und der Großherzog bat um seine Kamera. Man wusste um seine Leidenschaft, interessante Bilder zu machen.
Großherzogin Joséphine-Charlotte fror. Sie wollte ihren Mantel haben. Warum, fragte der Großherzog? Es ist doch nicht kalt! Doch, sagte die Frau Gemahlin und insistierte. Aber der Großherzog bestand darauf. Es sei nicht kalt, meinte er. Woraufhin sich Joséphine-Charlotte geschlagen gab und meinte: „Du musst es ja wissen. Schließlich bist du der Großherzog!“
Hunn eis gewonnen?
Anlässlich der Staatsvisite in der Sowjetunion kam es an einem der Abende zu einem wahren Wettrinken zwischen russischen und Luxemburger Journalisten. Der Wodka floss in Strömen, und als die Russen bereits aufgegeben hatten und einige nur noch vor sich hin dösten, standen die Luxemburger auf und fragten: „Wo kann man denn noch ein Bierchen trinken?“
Gleich am kommenden Morgen wusste der Großherzog Bescheid über dieses Wetttrinken. Er zeigte sich amüsiert – aber auch besorgt. Seine einzige Frage: „Hunn eis gewonnen?“ Über die positive Antwort zeigte sich zufrieden – und lächelte verschmitzt.
Seine Beziehungen zur Presse waren zu seiner Thronbesteigung der Zeit entsprechend reserviert. Doch mit der Zeit wurden sie freundlich, ja sogar persönlich. So lud er einheimischen Journalisten zu einem Umtrunk im Garten und auf den Terrassen von Schloss Berg ein, wo er mit ihnen in kleinen Gruppen diskutierte.
Gute Beziehungen zur Presse
Darüber hinaus – und das ist heute zur Regel geworden – lud er die Präsidenten des Presserates und des Journalistenverbandes bei offiziellen Anlässen ins Palais ein. Interessiert zeigte er sich auch über die Schaffung eines Pressehauses gleich gegenüber dem Palais – und er besuchte es auch.
Um der Bevölkerung, aber auch den Touristen das Palais von innen zu zeigen, erklärte er sich mit der Schaffung eines Besucherprogramms einverstanden. Das wurde während der Sommerzeit, wenn Jean außer Landes weilte, angeboten. Und als er bei der Renovierung vorübergehend die Amtsgeschäfte von der Villa Vauban aus leitete, bat er die Presse zu sich, damit sie in Wort und Bild hierüber berichten konnte.
Mitfühlend zeigte sich Großherzog Jean auch, wenn es um persönliche Ereignisse bei Menschen ging, die er kannte. So schickte er beispielsweise gemeinsam mit Großherzogin Joséphine-Charlotte Glückwunschtelegramme zur Ernennung eines Journalisten zum Vorsitzenden des Journalistenverbandes oder des Presserates, aber auch Beileidstelegramme an die trauernden Familien von Menschen, die er „de près ou de loin“ kannte.
Großherzog Jean wird auch heute noch im In- und Ausland für seine Zurückhaltung bewundert. Es gab keinerlei Skandale und auch die Regenbogenpresse fand auch keinen Ansatzpunkt. Es gab keine Eskapaden, nichts Anstößiges, keine Ausrutscher. Tief katholisch, leugnet Jean nie seinen Glauben, ohne diesen besonders nach außen zur Schau zu stellen. Den Traditionen verpflichtet, stellt er sich keineswegs gegen Neuerungen.
Lustig
Reserviert, aber manchmal auch lustig. Wenn er aus seiner Reserve herauskam, provozierte Großherzog Jean Zwischeneinlagen, die die strikte protokollarische Atmosphäre entspannten. So beispielsweise in Österreich, wo die Autoritäten von Salzburg der Großherzogin einen Tiroler Hut schenkten. Er bestand darauf, dass sie ihn anzog. Sie wollte nicht – aber er insistierte! Letztendlich blieb ihr nichts anderes übrig. Die Fotografen freuten sich.
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