Am Dienstag hat die britische Premierministerin Theresa May erstmals seit dem Brexit-Prozess eingelenkt und sich bereit erklärt, gemeinsam mit Labour-Chef Jeremy Corbyn nach einer Lösung für einen geordneten Austritt aus der EU zu suchen. Dies dürfte laut dem, was Corbyn in den vergangenen Wochen und Monaten während der unzähligen Parlamentsdebatten zum EU-Austritt ständig wiederholt hat, auf eine wirtschaftlich engere Bindung an die Union als von May vorgesehen hinauslaufen.
Das Problem bislang war, dass der Brexit von Beginn an als eine Angelegenheit der britischen Tories gehandhabt wurde. Damit einhergehend wird eine Einigung dadurch erschwert, dass den Briten – trotz der 46-jährigen Mitgliedschaft in der EU – eine Kultur des Kompromisses für den innenpolitischen Gebrauch vollkommen fremd ist. Es wundert daher nicht, dass Theresa May, obwohl das Resultat des Referendums doch ziemlich knapp war (51,9% für den Austritt, 48,1% dagegen), den Maximalforderungen der Brexiteers nachgab und sich auf eine komplette Trennung von der Europäischen Union als Richtschnur für die Verhandlungen mit dem EU-Chefverhandler Michel Barnier festlegte. Denn das Mehrheitswahlrecht hat es in Großbritannien nach dem Motto „The winner takes it all“ zur Gewohnheit werden lassen, dass keine Rücksicht auf die Ansichten und Vorstellungen der unterlegenen Seite genommen wird.
Michel Barnier hat denn auch immer wieder geduldig erklärt, dass die EU nicht aus lauter Böswilligkeit und Revanchegelüsten den Briten beim Austritt keinen Spielraum lässt, sondern dies einzig und allein eine Konsequenz der von der britischen Regierungschefin festgelegten roten Linien ist, auf die sich diese versteift hat. Fragt sich nun, ob Theresa May bereit ist, diese Linien zu revidieren, wenn sie auf Jeremy Corbyn setzt, um das Abkommen doch noch bis zum 10. oder 12. April im Unterhaus durchzubekommen. Denn irgendwie muss sie dem Labour-Vorsitzenden entgegenkommen, der neben einer von den Brexiteers abgelehnten Zollunion mit der EU eine möglichst enge Anbindung an den Binnenmarkt anstrebt.
Vielleicht bietet May ihrem Verhandlungspartner Neuwahlen für dessen Unterstützung an? Der Labour-Chef würde dann seinem Traum, in 10 Downing Street einziehen und den weiteren Verlauf des EU-Austritts bestimmen zu können, ein gutes Stück näher kommen. Für die Premierministerin ist die Zusammenarbeit mit Corbyn die letzte Chance, um einen harten Brexit zu vermeiden. Denn nur im Verbund mit Labour kann May gemeinsam mit den gemäßigten Tories die erforderliche Mehrheit für das Brexit-Abkommen zusammenbringen.
Ob die EU-27 der britischen Kollegin kommende Woche bei ihrem Gipfeltreffen eine abermalige Fristverlängerung gewähren, wird davon abhängen, inwieweit die Premierministerin ihren Amtskollegen in Brüssel zusichern kann, dass das Abkommen im Unterhaus angenommen wird, wenn sie es bis dahin noch nicht geschafft hat. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden im Fall eines neuerlichen Aufschubs allerdings nicht umhinkommen, die Briten vorsorglich dazu aufzufordern, Europawahlen vorzubereiten. Denn nur so kann, für den Fall, dass Mays Zusicherungen doch nicht so verlässlich waren, noch ein harter Brexit vermieden werden.
Frau May will jedoch keine Kompromisse machen, wie üblich stur wie ein Panzer; also wird die Diskussion mit Labour nicht bringen, es sei denn sie gibt endlich nach und geht auf die vernünftigen Vorschläge von Labour ein..