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Überwachungs-Kapitalismus: Zum Datenschutz in der Informationsgesellschaft

Überwachungs-Kapitalismus: Zum Datenschutz in der Informationsgesellschaft

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«Datenschutz ist im Zeitalter der Informationsgesellschaft eine unverzichtbare Bedingung für das Funktionieren jeglichen demokratischen Gemeinwesens», Jörg Tauss (deutscher Politiker). Nur, dass diese Demokratie im neoliberalen Zeitalter längst zur Zuschauerdemokratie verkommen ist und der Kapitalismus, der weder Gemeinwesen noch wahre Demokratie besonders schätzt, sich eigentlich nur noch verschlimmert hat.

Von Frank Bertemes

Unsere moderne Informationsgesellschaft, die sich in die totale Digitalisierung steigert, gehorcht nämlich ganz anderen «Gesetzen» als Datenschutz und Gemeinwesen. Wenn man gewissen Kreisen allerdings zuhört, deren manipulative Kräfte in der Tat schier unerschöpflich zu sein scheinen, so ist dieser «mit dem Megatrend Digitalisierung» (selbstredend positiv zu lesen) «verbundene, umfassende Strukturwandel durch gemeinsames Handeln von Wirtschaft und Wissenschaft, Gesellschaft und Politik zu gestalten. Die Digitalisierung und Modernisierung der zentralen Infrastrukturen – Energie, Verkehr, Gesundheit, Bildung und Verwaltung – schaffen die Basis für Innovationen und smarte Technologien, für gesteigerte Effizienz in Wirtschaft und Verwaltung sowie für neue Werteschöpfung.»

So die Ausdrucksweise derer, für die die Digitalisierung ein unantastbares Dogma, das niemand kritisch zu hinterfragen hat, «in modern times» darstellt – eine uneingeschränkt positive Herausforderung unserer kapitalistischen Wirtschaftsweise, die nach deren Einstellung ebenso alternativlos zu sein hat …

Positiv? Für wen? Einzig und allein für diejenigen, die von diesem diktierten «Strukturwandel» (wie erwähnt) vor allem zu profitieren gedenken. Google? Facebook? Das ist nur der Anfang von dem, was alles noch so folgen wird. Um was geht es vor allem? Um Daten – das Öl im digitalen Zeitalter! Denn hinter dem Geschäft der Internetkonzerne mit unseren Daten steckt eine Menge – beispielsweise der «Überwachungskapitalismus».

Big-Other-Kapitalismus

In ihrem Buch «Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus», an dem die emeritierte Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der «Harvard Business School» Shoshana Zuboff sieben Jahre lang gearbeitet hat, fordert uns die bestens informierte Autorin angesichts dessen, was geschieht, klar und deutlich auf: «Empört euch!» Sie ruft unmissverständlich zum engagierten Widerstand auf. «Gegen den Big-Other-Kapitalismus ist Big Brother harmlos», sagt sie. (Eine Leseprobe aus dem Buch gibt es hier als PDF.)

Die Menschheit stehe am Scheideweg. Sie wirft entsprechende Fragen auf: Bekommt die Politik die wachsende Macht der Hightech-Giganten in den Griff? Oder überlassen wir uns der verborgenen Logik des Überwachungskapitalismus? Wie reagieren wir auf die neuen Methoden der Verhaltensauswertung und -manipulation, die unsere Autonomie bedrohen? Akzeptieren wir die neuen Formen sozialer Ungleichheit? Ist Widerstand ohnehin zwecklos? Frau Zuboff bewertet die soziale, politische, ökonomische und technologische Bedeutung der großen Veränderung, die wir erleben. Sie zeichnet ein unmissverständliches Bild der neuen Märkte, auf denen Menschen nur noch Quelle eines kostenlosen Rohstoffs sind – Lieferanten von Verhaltensdaten. Noch haben wir es in der Hand, wie das nächste Kapitel des Kapitalismus aussehen wird. Meistern wir das Digitale oder sind wir seine Sklaven? So der Inhalt des Buches.

Wie weit haben wir uns von der wahren Demokratie entfernt? Ein kurzer historischer Rückblick, zurück zu den Wurzeln: Die Demokratie im antiken Rom war eine sehr weitgehende Herrschaft des Volkes; schon deswegen hat diese Form der Demokratie für die gegenwärtigen Eliten keineswegs den Vorbildcharakter, der ihr in der politischen Rhetorik oft zugeschrieben wird, sprich mit allen Mitteln zu bekämpfen: In Athens Demokratie übte das Volk die volle Gesetzgebungs-, Regierungs-, Kontroll- und Gerichtsgewalt aus. Damit war die Demokratie in Athen ein Regime direkter, unmittelbarer Herrschaft des Volkes, das auf umfassender Beteiligung aller Bürger beruhte und keine Unterschiede zwischen Arm und Reich kannte …

Der athenische «Demos» besaß also eine beispiellose Machtkonzentration. Gesetzgebende, richtende und ausführende Gewalt gingen vom Volk aus und verblieben bei ihm. Regieren und regiert werden waren eins … oder gingen, wie Aristoteles es formulierte, «wechselweise» vonstatten.

Datenklau und Überwachung

Doch dieser historische Flashback nur als Randbemerkung zum Grundgedanken der Demokratie und des Gemeinwesens des einleitenden Zitates, beides Termini, die im Wortschatz der heute herrschenden Eliten nicht vorkommen. Die von diesen nämlich gewünschte Zuschauerdemokratie lässt sich nur erreichen, wenn die Bevölkerung weitgehend entpolitisiert und von politischer Lethargie und moralischer Apathie befallen ist, das Volk also im Wesentlichen auf jedwede Beteiligung im Sinne der wahren partizipativen Demokratiepraxis (wie eben historisch beschrieben) und am besten von sich aus verzichtet – freiwillig gezwungen, sozusagen. Und dafür gilt es, entsprechende Mittel und Methoden einzusetzen – die digitale Ablenkungs – und Spaßgesellschaft ist allerdings eines davon …

Man kapert das Digitale, um die Gesellschaft zu kapern. Die zitierten Internetkonzerne tarnen sich als sogenannte «Freunde» (erinnert das nicht an etwas?) und nicht als profitorientierte Firmen (die sie allerdings sehr wohl sind). Und das mit den Methoden der Ablenkung und der Irreführung, so wie Zauberer das tun. Die Suchmaschinen als Instrumente der Überwachung, Daten und Informationen, die von diesen Suchmaschinen allerdings sehr «gepflegt» werden. In diesem Sinne Eric Schmidt von Google völlig ungeniert: «In der Wirklichkeit bewahren Suchmaschinen Informationen eine Weile auf.»

Eine Weile …? Die Überwachungskapitalisten interessiert nicht nur, Daten und Informationen zu sammeln, zu verarbeiten und zu verkaufen. Es geht ihnen um mehr: Sie versuchen, uns zu automatisieren und die Natur des Menschen zu verändern.

Und wenn wir diese «Bösmenschen» weitermachen lassen, dann leben wir bald in «Google-Städten», in denen Rechner Politik machen – die Politiker somit also ersetzen –, Statistiken Gesetze erlassen, Städte, in denen (so sei noch einmal die amerikanische Buchautorin, die es wissen kann, bemüht) «die Bürger des Geschäfts wegen wie Viehherden herumgetrieben werden».

Gegen die Exzesse des rohen Kapitalismus

Wollen wir das? Riskieren wir mittels der menschenverachtenden Praktiken des Überwachungskapitalismus nicht dessen Verschmelzung mit einem autoritären Regime? – Ach ja, tickt da nicht was? Stichwort: rund 38 Hektar Google-Datacenter hierzuländchen? Wer weiß denn schon, was da wirklich alles so ablaufen soll?

Nur eine Kraft kann ihnen, den Digitalkonzernen, dezidiert entgegenwirken: die Macht der Demokratie, die Macht des Volkes! Ein Volk, das informiert, aktiv kritisch an den demokratischen Prozessen partizipiert, sich nicht so leicht blenden und manipulieren lässt. Doch dafür muss dann dieser «Demos» , dieses Staatsvolk, auch bereit sein, sich von der lange ge- und erlebten Zuschauerdemokratie zu verabschieden.

Diese dann neu gelebte Dynamik des (Wahl-)Volkes gegen die Exzesse des rohen Kapitalismus und den entsprechenden Instrumenten, denen sich die visierten Digitalkonzerne heuer schamlos bedienen, fordert eine politische Rückbesinnung auf das, was man ganz banal «Demokratie» nennt … im wahrsten Sinne des Wortes!