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Zum Schutz der Demokratie und zur „Renaissance“ Europas: Macron rüttelt die EU wach

Zum Schutz der Demokratie und zur „Renaissance“ Europas: Macron rüttelt die EU wach

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Brüssel reagiert positiv auf die neuen Reformimpulse des französischen Staatschefs. Doch bisher haben die Initiativen aus Paris nicht viel bewirkt. Vor allem Berlin und Den Haag stehen auf der Bremse.

Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel

Der französische Präsident Emmanuel Macron kann es nicht lassen. Nur 18 Monate nach seiner berühmten Sorbonne-Rede hat er einen neuen Appell zur EU-Reform veröffentlicht. Sein zweites Programm „für einen Neubeginn in Europa“ kommt als Wahlaufruf an die Bürger daher: Bei der Europawahl im Mai sollen sie gegen die „nationalistische Abschottung“ und für eine „Renaissance“ der EU stimmen.

Dagegen lässt sich aus europäischer Sicht nicht viel sagen. Schon seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 steht die Reform der Europäischen Union ganz oben auf der Brüsseler Agenda. Mehrere EU-Gipfel haben sich mit der Zukunft Europas und der Reform der Eurozone beschäftigt. Gleich nach dem Brexit soll es einen weiteren Sondergipfel in Sibiu (Hermannstadt) in Rumänien geben.

Reformappelle haben bisher nicht viel bewirkt

In Brüssel erntete Macrons Vorstoß denn auch viel Lob. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, er unterstütze dessen Äußerungen zum Schutz der demokratischen Freiheiten in Europa „vollkommen“. Ein Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach von einem „wichtigen Beitrag zur europäischen Debatte“. Auch aus dem Europaparlament kam Zustimmung, vor allem von den Sozialdemokraten.

Das Problem ist allerdings, dass Reformappelle bislang nicht viel bewirkt haben. Der wiederholt angekündigte „Neustart“ ist ebenso ausgeblieben wie der „Aufbruch für Europa“, den die deutsche Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben hatte. Auch die geplante Reform der Währungsunion ist letztendlich im Sande verlaufen. Macrons Eurozonen-Haushalt ist zu einer Mini-Budgetlinie geschrumpft. Die Euro-Reform stieß auf erbitterten Widerstand in den Niederlanden und anderen liberalen Staaten in Nordeuropa, die sich in der „Hanseatischen Liga“ zusammengeschlossen haben. Macron wurde aber auch von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel hingehalten und ausgebremst. Zuletzt hat Berlin die Digitalsteuer – Macrons bisher wichtigstes Projekt für die Europawahl – auf die lange Bank geschoben.

Macron bringt Fahrt in den Wahlkampf

Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb sich Frankreichs europabegeisterter Staatschef nun schon wieder neue Vorhaben ausgedacht hat – und die alten nicht einmal mehr erwähnt. Ähnlich wie die EU-Kommission, die täglich mit Erfolgsmeldungen wirbt, möchte Macron die Bürger mit konkreten Angeboten an die Wahlurne locken. Allerdings kann man seinen „Neubeginn“ nicht wählen: Macron geht nicht mit eigenen Spitzenkandidaten in die Europawahl. Er lehnt den Prozess der Spitzenkandidaten sogar ab – und setzt darauf, dass am Ende die Staats- und Regierungschefs über den nächsten Kommissionspräsidenten und die EU-Agenda für die kommenden fünf Jahre bestimmen werden. Sein Wahlappell zielt denn auch nicht allein auf die Wähler, sondern ebenso auf Merkel und die anderen EU-Granden, die im Sommer die Weichen für die Zukunft stellen werden.

Ob Macrons Ideen dazu geeignet sind, neuen Schwung in die EU zu bringen, dürfte sich erst dann zeigen. Eine Schengen-Reform oder eine Demokratie-Agentur sind nicht unbedingt das, was sich Bürger von der EU wünschen. Diese Ideen werden schon lange in Brüssel diskutiert, ohne greifbares Ergebnis. Auch ein Konvent zur Vertragsreform wird immer mal wieder erwogen – und verworfen, weil eine Vertragsänderung mit riskanten Referenden verbunden wäre.

Eines muss man dem französischen Präsidenten aber lassen: Er bringt endlich Fahrt in den Europawahlkampf, der bisher lustlos vor sich hin plätschert. Erst nach Ostern, so planen die EU-Politiker, soll die „heiße Phase“ beginnen. Für den Wahlkampf würden dann gerade einmal vier Wochen bleiben. Nun hat der Wettstreit der Ideen deutlich früher begonnen. Macron hat die EU aus dem Tiefschlaf wachgerüttelt – wieder einmal.