Vom Euro haben wirtschaftlich nur Deutschland und die Niederlande profitiert. Alle anderen Länder haben teils massive Wachstumsverluste erlitten, seit die Gemeinschaftswährung vor 20 Jahren zunächst als Buchwährung eingeführt wurde. Denn sie konnten ihre strukturellen Schwächen nicht mehr wie zuvor durch eine Abwertung eigener Währungen übertünchen. Das ist das Ergebnis einer am Montag veröffentlichten Studie des „Centrums für Europäische Politik“ in Freiburg.
Von unserem Korrespondenten Werner Kolhoff, Berlin
Demnach hat Deutschlands Wirtschaft im Zeitraum von 1999 bis 2017 insgesamt 1,9 Billionen Euro mehr erwirtschaftet, als sie ohne Euro erreicht hätte. Das sind 23.116 Euro pro Einwohner. Vor allem der Export profitierte: Niedrige Löhne, hohe Qualität und die Tatsache, dass der Euro gegenüber dem Dollar und Yen um rund 20 Prozent abwertete, machten „Made in Germany“ weltweit erschwinglich und begehrt.
Der Vorteil war in den ersten zehn Jahren gering und entfaltete erst ab 2011 seine volle Wucht. Mit 21.003 Euro Wohlstandsgewinnen pro Einwohner liegen die ähnlich wettbewerbsfähigen Niederlande knapp hinter Deutschland. Sie profitierten in der Anfangsphase am stärksten von der neuen Währung; seit 2013 deutlich weniger.
Strukturreformen
Der Euro wirkte wie ein großer Gleichmacher für ein Rennen, in das die Staaten 1999 mit einem jeweils sehr unterschiedlichem Fitnesslevel gingen. Und das einige seither auch nicht verbesserten. So musste Italien Verluste von 4,3 Billionen Euro oder 73.605 Euro je Bewohner für den gleichen Zeitraum registrieren. Das Land konnte durch die Aufgabe der alten Währung Lira seine wirtschaftliche Schwäche nicht mehr durch Abwertungen kompensieren, was es vor der Euro-Einführung regelmäßig getan hatte.
Der andere Weg wären Strukturreformen gewesen – die aber sind in Italien bis heute ausgeblieben. Und sie sind auch nicht absehbar. Das Minus wächst kontinuierlich. Die Zahlen dürften die regierenden Populisten und ihre Forderung nach einem Austritt aus Euro und EU beflügeln.
Frankreich hat durch den Euro ebenfalls hohe Wohlstandsverluste von 3,6 Billionen Euro erlitten, 55.996 Euro je Bürger. Aus den gleichen Gründen wie Italien. Auch hier zeigt die Statistik eine sich stetig verschlechternde Entwicklung. „Um vom Euro zu profitierten, muss Frankreich den von Präsident Macron eingeschlagenen Reformweg konsequent weitergehen“, heißt es in der Studie. Genau darum tobt dort der Streit mit den „Gelbwesten“.
Durch Reformkurs erfolgreich
Dass ein Reformkurs erfolgreich sein könne, zeige Spanien: Dort schließt sich die Schere wieder; das Land ist, wenn es so weitermacht, mit dem Euro bald wieder genauso erfolgreich, wie es mit einer abgewerteten Währung ohne Euro wäre. Im Moment gibt es noch ein geringes BIP-Minus von 5.031 Euro für den Zeitraum seit 1999. Ähnlich in Belgien mit minus 6.370 Euro pro Einwohner, was ebenfalls fast ausgeglichen ist. Portugal hingegen scheint dauerhaft zurückzufallen.
Die Studie versucht, die fiktive Frage zu beantworten, wie eine Entwicklung verlaufen wäre, wenn das Land den Euro nicht eingeführt hätte. Die Messmethode dafür ist kompliziert, in der Wirtschaftswissenschaft aber nicht neu. Verglichen wird die reale Entwicklung des betreffenden Staates mit der BIP-Statistik von ganz ähnlich strukturierten Ländern ohne Euro wie etwa Japan oder Australien. Diese werde dann nach einem bestimmten Schlüssel gewichtet, damit die Ähnlichkeit möglichst groß ist.
Ermittelt wurden die Daten nur für Euro-Länder, die zugleich auch langjährige EU-Mitglieder waren. Griechenland übrigens kommt als einziges Land neben Deutschland und den Niederlanden ebenfalls mit einem Plus davon, das jedoch mit 190 Euro pro Einwohner für den Gesamtzeitraum äußerst gering ist. Bis zur Krise 2010 profitierte der Ägäis-Staat stark von der Gemeinschaftswährung, seitdem nicht mehr. Mit einer abgewerteten Drachme würde es derzeit wohl besser fahren.
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