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Gelbwestenproteste: Ein Kampf für die Meinungsfreiheit?

Gelbwestenproteste: Ein Kampf für die Meinungsfreiheit?

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Vorwort von Luc Wildanger, Lehrer der Autoren

Eine Aufgabe unserer Schulen ist neben der Bildungsvermittlung, dass Schüler ihre Meinung frei, kritisch, aber in Achtung des Gegenübers vermitteln. Schüler verbringen viel Zeit in sozialen Medien, und gerade dort wird häufig auf Meinungsfreiheit gepocht. In Wahrheit ist dort aber jedes Maß verloren gegangen. Meinungsfreiheit dient zu oft als Alibi für Hetze und Beleidigungen. Erstaunlich viele der Themen, die in den letzten Monaten für Schlagzeilen sorgten, schnitten direkt oder indirekt das Thema der Meinungsfreiheit. Sie gilt in unserer westlichen Welt als Menschenrecht. Ein Menschenrecht, das jeder Mensch nutzen sollte, und für das er kämpfen sollte. Gerade in Zeiten, in denen die Meinungsfreiheit auf ganz neue Probleme stößt.

Als zuständiger Lehrer für die Schülerzeitung «Fënnef vir Zwou» vom Lycée Robert-Schuman gestalte ich mehrfach im Jahr ein Medium, in welchem unsere Schüler ihre Meinung frei vertreten können. Sie ist deren Sprachrohr und auf Meinungsfreiheit angewiesen. Passend zu diesem sehr breiten und dennoch wichtigen Thema, beleuchten vier Schüler des Lycée Robert-Schuman im Alter von 14 bis 18 Jahren das Thema der Meinungsfreiheit aus ihrer Sicht.


Ein Meinungsbeitrag von Rochelle Schmitz (18), Anna Schroeder (14), Pauline Cano (16) und Athanasios Malouchos (14), Schüler im LRSL 

In sehr vielen Gesellschaften gilt die Meinungsfreiheit als ein Menschenrecht, sie darf also, theoretisch, von niemandem missachtet werden. Gerade heute im Zeitalter sozialer Medien werden wir täglich mit Kommentaren konfrontiert, die diese Meinungsfreiheit bis zu ihren Grenzen ausreizen.

Im Artikel 19 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die seit 1948 besteht, steht: «Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.» In Zeiten von Präsidenten wie Trump oder Erdogan, dem Erstarken rechter Parteien wie der AfD oder dem Front National wird dieses Recht erheblich strapaziert.

Seit dem 17. November, als die «Gelbwesten» in Frankreich  populär wurden, wird sogar noch häufiger über Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung diskutiert. Damals rief der Lkw-Fahrer Eric Drouet dazu auf, landesweit Straßen zu blockieren. Die Regierung solle endlich aufhören, die Bürger zu bestrafen. Die Gelbwesten demonstrieren wegen ihrer Unzufriedenheit mit der französischen Politik, sie demonstrieren für ihre Meinung, sie demonstrieren aber eben auch, weil die Meinungsfreiheit in unseren westlichen Kulturen solche Meinungsdemonstrationen schützt und erlaubt.

2018 wurden in der bis vor Kurzem noch recht liberal geltenden Türkei 18.000 Verfahren gegen Personen geleitet, die sich auf sozialen Netzwerken «auffällig» geäußert haben. In den USA, dem selbsternannten «land of the free» wurden von der Trump Regierung «Benimmregeln» für Journalisten festgelegt. Diese Aktionen zeigen die Angst dieser politischen Führer vor der Macht der freien Meinung. Im dritten Reich wurden Menschen verhaftet oder gar getötet, die ihre Meinung äußerten. Auch siebzig Jahre später ist die freie Meinungsäußerung keineswegs garantiert.

Eine Demonstration ist also ein nützliches Mittel um in unserer Demokratie für seine Meinung zu kämpfen, anstatt nur soziale Medien wie Twitter, Facebook oder Instagram zu nutzen um Bestätigung für die eigene Meinung zu gewinnen.

Auch die Gelbwestenbewegung begann in den sozialen Medien, der angesagtesten Plattform um sich heutzutage seiner Meinung zu entledigen. Doch warum protestieren all diese Leute auf den französischen Straßen? Die Antwort besteht darin, dass sie die reale und nicht nur die digitale Öffentlichkeit suchen, um gehört zu werden. Doch haben sie nach so vielen Wochen und globaler Aufmerksamkeit tatsächlich ihr Ziel erreicht?

Aus den Medien erfahren wir, dass bei jedem der wöchentlichen Proteste in Paris gewalttätige Zwischenfälle die an sich lobenswerte Meinungsbekundung stören, wenn nicht gar zerstören. Was bleibt, ist eben nicht der Kampf für die eigene Meinung, sondern Bilder gewaltbereiter Hooligans.

Am Ende überwiegen nach so vielen Wochen der Proteste die Bilder von Menschen in gewalttätigen Szenen zwischen Polizei, Rauch und Einbrüchen. Der Marsch der Gelbwesten nach Luxemburg verkam sogar zu unfreiwilliger Komik, als vereinzelte Gelbwesten Autos ohne Erfolg auf dem Weg zur Arbeit blockieren wollten.

Die Meinungskundgebung sorgte in Luxemburg eher für Lacher. Die Botschaft wurde verlacht. Und an sich wird ja jede Meinung ausnahmslos beurteilt und kritisiert, besonders wenn sie von der eigenen abweicht. «Das wird man ja noch sagen dürfen.» Ein Satz der längst zum Verteidigungsschirm kontroverser, in diesem Fall oft rechter Meinungen mutiert ist.

In den westlichen Gesellschaften ist das Äußern der eigenen Meinung aber ein Teil unserer Freiheit. Doch selbst wenn es in liberalen Staaten autorisiert ist seine Meinung offen zu sagen, wird sie von den Mitbürgern in der Gesellschaft begutachtet, vor allem natürlich wenn die Meinung nicht der Norm entspricht.

Die Gelbwesten vertreten ihre Meinung. Das bleibt positiv, denn viele Menschen tun dies nicht und schließen sich der Menge an, weil sie entweder nicht kritisch denken und die Dinge hinterfragen oder weil sie einfach den Schwierigkeiten entgehen wollen.

Wegen gesellschaftlichen Zwängen äußern nur die wenigsten ihre Meinung öffentlich. Wahrscheinlich sind soziale Medien daher zum Sprachrohr der freien Meinungsäußerung geworden, wegen der Anonymität leider auch zum Schreirohr argumentloser Pseudomeinungen verkommen.

Öffentliche Meinungsbekundungen bleiben deutlich rarer. In der Schule häufig schon wegen des Gruppenzwangs. Die Jugendlichen haben oft Angst ihre Meinung auszudrücken, weil die anderen diese eventuell nicht akzeptieren.

Laut Artikel 12 und 13 der Kinderrechtskonvention hat jedes Kind das Recht sich eine eigene Meinung zu bilden und diese frei in allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mitzuteilen. Doch wird dies im schulischen Alltag wirklich immer umgesetzt?

Kaum jemand würde wohl daran zweifeln, dass unsere Schüler von diesem Recht profitieren. Immerhin schreiben auch wir für unsere Schülerzeitung «Fënnef vir Zwou», und nutzen demnach ein Medium der freien Meinungsäußerung. Doch ist das für Schüler wirklich so selbstverständlich? Sind Schüler selbst auch dieser Meinung? Wie oft werden Meinungen von Kindern abgetan und missachtet? Oft fühlen wir Schüler uns nicht wirklich ernst genommen. Vielleicht ergeht es uns da aber nicht anders als vielen Erwachsenen.

Auch Kinder sind durchaus schon in der Lage eine eigene Meinung zu vertreten, doch diese wird von Erwachsenen, im schlimmsten Fall auch von Lehrern, als Unsinn abgetan. Besser wäre es aber mit dem Kind zu diskutieren, wie es zu dieser Meinung komme und sich in seine Lage hineinzuversetzen. Dies würde auch sein Selbstbewusstsein stärken, damit es sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlen soll.

Im Allgemeinen wäre es doch bereichernd, mehr auf Kinder zu hören. Sie haben keine Vorurteile. Sie spielen miteinander, egal welche Hautfarbe, Geschlecht oder Religion das andere Kind hat, während immer mehr Erwachsene ihren Unmut auf Ausländer oder Andersgläubige projizieren.

Ein perfektes Beispiel liefert uns doch die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg, die mit ihren Aktionen zum Klimaschutz international für Aufregung sorgt. Interessanterweise sind es in den USA auch Schülerbewegungen, die bessere Waffengesetze fordern, nicht etwa die Erwachsenen, die diese Schüler schützen sollten. Den Brexit würde es nicht geben, dürften 16-jährige wählen.

Schule lehrt uns aber idealerweise nicht nur unsere Meinung zu vertreten, sondern zu argumentieren, und dabei immer respektvoll mit anderen ethnischen Gruppen, Kulturen, Religionen oder sexuellen Orientierungen umzugehen. Rassismus, Antisemitismus, Homophobie oder Xenophobie sind keine Meinungen, und können daher nie durch Meinungsfreiheit geschützt sein.

GuyT
13. Februar 2019 - 0.21

Man merkt schon , dass die Jugendliche noch einen langen Reifeprozess vor sich haben. Wer definiert denn was nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt ist? Ist Charlie Hebdo zu verbieten? Oder sind Religionen die homophob oder antisemitesch sind überhaupt legitim? Wer definiert was überhaupt eine Religion ist und wie eit Religionsfreiheit gehen kann(Stichwort Beschneidung, Mehrfachehe,Schalchtrituale, ....) Ist links per se gut und rechts schlecht? Wer legt fest welche Meinungen legitim sind? Warum sollten 16-jährigen die Wahrheit gepachtet haben? Würden 16-jährige Wähler denn nicht eine Strafmündigkeit verdienen. Ist die Abwertung weisser alter Männer nicht auch eine Art Rassismus. Sind die Warner vor den Hetzern nicht selber Hetzer?

Jacques Zeyen
12. Februar 2019 - 11.45

"Die Gelbwesten vertreten ihre Meinung. Das bleibt positiv, denn viele Menschen tun dies nicht und schließen sich der Menge an, weil sie entweder nicht kritisch denken und die Dinge hinterfragen oder weil sie einfach den Schwierigkeiten entgehen wollen.

Wegen gesellschaftlichen Zwängen äußern nur die wenigsten ihre Meinung öffentlich. Wahrscheinlich sind soziale Medien daher zum Sprachrohr der freien Meinungsäußerung geworden, wegen der Anonymität leider auch zum Schreirohr argumentloser Pseudomeinungen verkommen."
Wer kennt ihn nicht,diesen Satz der uns seit frühester Jugend um die Ohren fliegt? " Maach ewéi d'Leit,da geet et dir wéi de Léit!" Nur nicht aufmucken,die Normen der Gesellschaft nicht anfechten. Da kann man schon einmal bei einer Unterschriftenaktion mutiger Zeitgenossen,verschreckte Bürger antreffen,die fragen ob sie dabei nicht in Schwierigkeiten geraten falls sie ihre Unterschrift abliefern. Das nennt man einfach "Zivilcourage". Dazu gehört auch der volle Namenszug unter einem Kommentar.Geradestehen für das was man zu sagen hat. Das hat den Vorteil,dass eben jene Hetzer, die jegliche Diskussion unmöglich machen, aufpassen was sie von sich geben.Dann ist Meinungsfreiheit auch konstruktiv.