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„Nicht nur die Glocke bedienen“: Fernand Etgen ist der neue Chef in der Chamber

„Nicht nur die Glocke bedienen“: Fernand Etgen ist der neue Chef in der Chamber

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«Der läutet doch nur die Glocke» – der Job des Chamber-Präsidenten wird in Luxemburg immer wieder belächelt. Dabei ist das Amt wichtiger denn je. Die Politik hat viel Ansehen eingebüßt. Der «Erste Bürger» des Landes könnte das ändern – wenn er das Parlament stärken würde. Ein Gespräch.

«Viele, die hier arbeiten, finden den Plenarsaal zu pompös», sagt Fernand Etgen (DP), während er an Reihen der Abgeordnetenbänke im Luxemburger Parlament vorbeischreitet. «Aber ich mag ihn.» Seit Dezember sitzt der ehemalige Landwirtschaftsminister auf dem Stuhl des Chamber-Präsidenten. «So langsam gewöhne ich mich an meine neue Aufgabe», sagt Etgen. Ein guter Zeitpunkt also, um über den Parlamentarismus in Luxemburg zu reden.

Tageblatt: Herr Etgen, brauchen wir überhaupt ein Parlament?

Fernand Etgen: Auf jeden Fall. Jede parlamentarische Demokratie braucht ein Parlament. Die Chamber gibt es seit 1802 und sie ist über die Jahre zu dem geworden, was sie heute ist. Wir feiern in diesem Jahr 100 Jahre Frauenwahlrecht. Das zeigt, dass Parlamentarismus nicht in Stein gemeißelt ist, sondern lebt und sich weiterentwickelt.

Und trotzdem wird die Chamber heutzutage oft nicht ernst genommen. Wenn die Regierung ein Gesetz vorschlägt, weiß sie, dass der Text vom Parlament durchgewunken wird. Sie hat ja immerhin die Mehrheit.

Da muss ich Ihnen ein wenig widersprechen. Aus meiner Erfahrung als Minister weiß ich, dass eine ganze Reihe von Gesetzestexten das Parlament ganz anders verlassen als sie eingereicht wurden. Die Chamber spielt da schon ihre Rolle und macht ihre Arbeit.

Diese Arbeit wird in den Kommissionen gemacht. Also könnten die öffentlichen Plenarsitzungen abgeschafft werden?

Die Plenarsitzungen sind wichtig, um die Öffentlichkeit mit einzubeziehen. Es geht darum, nach außen zu kommunizieren, wie es zu dem Resultat kommt, das schließlich vorliegt. Die Sitzungen werden auf Chamber TV übertragen und sind Reproduktionen der Diskussionen, die innerhalb der Kommissionen geführt wurden. Die Argumentationen dafür oder dagegen sind die gleichen. Der Öffentlichkeit wird also nichts vorenthalten.

Wäre es in dem Fall nicht einfacher, wenn die Kommissionssitzungen öffentlich wären?

Das ist ein Punkt, über den immer wieder diskutiert wird. Es ist so, dass die Abgeordneten sich anders verhalten, wenn Kameras auf sie gerichtet sind. Dann können sie nicht frei sagen, was sie eigentlich sagen wollen. Durch die verschlossenen Türen wird eine Inszenierung der Diskussion verhindert. Das kommt der Entwicklung eines Gesetzesprojektes zugute.

Sind Politiker also nur hinter verschlossenen Türen ehrlich?

Das ist keine Frage von Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit. Der Luxemburger hat wenig Diskussionskultur. Wir brauchen aber den politischen Streit. Es spielt eigentlich keine Rolle, ob er hinter verschlossenen Türen oder in der Öffentlichkeit ausgetragen wird. Wichtiger ist, dass wir kontroverse Diskussionen führen können, damit wir den bestmöglichen Kompromiss finden.

Nach Kompromiss sieht es nicht aus, wenn 31 von 60 Volksvertretern geschlossen für jedes vorgeschlagene Gesetz stimmen. Ist der Fraktionszwang ein Problem?

Fraktionszwang hört sich sehr streng an. Eigentlich ist das aber nicht so. In den Parteien wird viel und lange über Themen geredet. Demokratie braucht Zeit. Es wird diskutiert und dann wird eine Entscheidung getroffen. Das ist dann kein Fraktionszwang mehr, sondern eine Fraktionsdisziplin. Und es ist gut, dass es diese gibt.

Es läuft aber darauf hinaus, dass jedes Gesetz durch das Parlament kommt.

Das sieht nur nach außen so aus. Es wurde ja im Vorfeld viel diskutiert.

Es sieht auch nach außen so aus, als hätte das Parlament der Regierung wenig entgegenzusetzen. Die Ministerien haben Hunderte Beamte und Helfer, die an den Gesetzen arbeiten. In der Chamber sind es viel weniger.

Wir müssen dafür sorgen, dass sich das Parlament weiterentwickelt. Es ist wichtig, dass die Chamber interne und externe Expertisen einholt. Die Abgeordneten sollen die notwendige Unterstützung bekommen, um ihre Arbeit bestmöglich durchführen zu können.

Das heißt, sie wollen Beraterfirmen und Anwälte stärker in die Parlamentsarbeit eingreifen lassen. Gibt die Chamber damit nicht ihre Souveränität ab?

Nicht solange die politischen Entscheidungen bei den Abgeordneten bleiben. Das ist nur eine Hilfestellung, die ihnen zur Verfügung stehen muss. Mit externer Expertise meine ich nicht nur Beraterfirmen, sondern beispielsweise auch Beamte aus Ministerien. Wir müssen aber auch unsere internen Mittel ausweiten, damit in den Kommissionen ordentlich gearbeitet werden kann.

Wäre es nicht besser, einfach die Doppelmandate abzuschaffen? Zahlreiche Abgeordnete haben Kommunalmandate und verbringen mehr Zeit in ihren Gemeinden als im Parlament.

Um das zu ändern, brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die Koalitionsparteien haben deswegen beschlossen, mit den anderen Parteien darüber zu diskutieren und einen Konsens in dieser Frage zu finden.

Die Diskussion ist nicht wirklich neu. Die Frage könnte schon lange geklärt sein.

Sie ist nicht neu, aber sie wurde nie parteiübergreifend geführt. Hier geht es um demokratische Grundregeln, die nicht leichtfertig geändert werden sollten. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass die Abgeordneten auch freiwillig auf eines ihrer beiden Mandate verzichten könnten.

Das kommt nicht oft vor.

Das stimmt. Es ist eben so, dass die Gemeindepolitik das Sprungbrett ist, ohne das man nie in das Parlament kommen würde. Aber wie gesagt, die Regierung will das Thema angehen.

Herr Etgen, was können wir die nächsten fünf Jahre von Ihnen erwarten?

Ich bin ein Mann des Volkes, der nah an den Bürgern ist. Für mich darf Politik nichts Abstraktes sein. Ich will die Akzeptanz der Politik bei den Menschen draußen fördern. Ich will mich auch, wie ich schon vorhin sagte, für weitere Mittel einsetzen.


„Ich wollte die Tour de France gewinnen“

«Als ich klein war, wollte ich irgendwann einmal die Tour de France gewinnen», sagt der DP-Politiker Fernand Etgen. Das habe offensichtlich nicht funktioniert. Mit seiner politischen Karriere ist er aber zufrieden. 1979 wurde Etgen Gemeinderat in Feulen.

Später stieg er zum Schöffen auf, 1994 wurde er Bürgermeister. Bei den Parlamentswahlen 2007 schaffte er den Sprung in die Chamber, bevor er 2013 sein bisher höchstes Amt übernahm: Er wurde Landwirtschaftsminister. Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2018 und nach den Koalitionsverhandlungen wurde verkündet, dass Etgen künftig Parlamentspräsident sein würde. Die Nachricht kam überraschend, weil Mars di Bartolomeo den Posten behalten wollte und Etgen selbst im Vorfeld meinte, er würde sein Amt als Landwirtschaftsminister gerne weiter ausführen. Es kam anders.

In den Koalitionsverhandlungen wurde laut Etgen darüber gesprochen, dass die Liberalen den Parlamentspräsidenten stellen könnten. «Ech hunn aus Dommheet gesot, dass dat dach eppes fir mech wär», erzählt er. Seine Partei nahm den anfänglichen Witz für bare Münze und schlug ihm den Posten vor. Er beschloss den Posten anzunehmen, «weil so ein Bus nicht jeden Tag vor der Tür hält». Augenzwinkernd meint er, dass es 18 Minister in Luxemburg gibt, «aber nur einen einzigen Parlamentspräsidenten».

corti roger
4. Februar 2019 - 22.24

firwat brauch mein kommentar eng moderation well ech nemmen soen wei et ass

Martine
3. Februar 2019 - 11.06

den 1. bierger vum land, ... wann ech dat héieren gett et mir schlecht. et gett keen 1. oder läschte..., virläschten, 2.3., ... bierger, mir sinn virum gesetz all gläich, ausser nach emmer den "nous par la grâce de dieu..." an onser monarchie constitutionnelle très catholique, di neméi zeitgerecht ass"